Mittel­alter zum Mitspielen in Braun­schweigs Brüdern­kirche

Museumspädagoge Torsten Poschmann zeigt ein Ritterzelt, in dem die Kinder sich als Ritter verkleiden und danach ein Holzpferd ausprobieren können. Foto: Andreas Berger
Museumspädagoge Torsten Poschmann zeigt ein Ritterzelt, in dem die Kinder sich als Ritter verkleiden und danach ein Holzpferd ausprobieren können. Foto: Andreas Berger

In der Brüdern­kirche hat das Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum seine Dauer­aus­stel­lung für Kinder eröffnet. Viele Mitmach­sta­tionen!

Vier Kinder und ein Hund sind die hübsch großäugig und unter­neh­mungs­lustig gezeich­neten Begleiter im neuen Kinder­mu­seum des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums. Museums­päd­agoge Torsten Poschmann hat sie sozio­di­vers gecastet, damit sie in schöner Schreib­schrift den Kindern von heute auf Augenhöhe begegnen und an fünf Mitmach­sta­tionen ihren Alltag in „Bruneswic anno 1221“, so der Titel der Schau, vorstellen können.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 03.09.2021 (Bezahl-Artikel)

An jeder Station gibt es Origi­nal­ex­po­nate unter Glas, Nachge­bautes zum Anfassen und irgendwas zum Mitmachen. Und die vier Mittel­alter-Kinder erleben ihre jewei­ligen Lebens­um­felder gemeinsam, so dass sich Dialoge ergeben, die etwa beim Mönchs­wesen oder der Zwangs­ver­hei­ra­tung der Mädchen ruhig noch etwas kriti­scher sein könnten. Aber das werden dann schon die heutigen Kinder mit ihren Fragen klarstellen, oder?

Mithelfen beim Steine­schleppen

Da ist zum Beispiel Eleonore von Blanken­burg, die Beamten­tochter am Hofe Heinrichs des Löwen, die wohl damit rechnen muss, irgend­wann reich verhei­ratet zu werden. Als Angehö­rige des niederen Adels kann sie lesen und schreiben, will durchaus nicht nur der Frauen­tu­gend des Stickens frönen. Statt­dessen liest sie Liebes­ro­mane, was das Feld eröffnen könnte, noch grund­sätz­li­cher über die Stellung der Frau damals nachzu­denken. Eine Hörsta­tion zum Minnelied ließe sich da vielleicht noch ergänzen.

Bei Odo, dem jungen Mönchs­an­wärter, erfahren wir zugleich etwas über den Kirchenbau, denn er ist als Baumeis­ters­sohn einge­führt, der aufgrund eines Unfalls ins Kloster gegeben wurde. Bei ihm dürfen die Kinder malen und zeichnen wie in den Kloster­schreib­stuben, aber auch auf einer Empore mit Kran Styro­por­steine zu Rundbögen verbauen. Gut ist, dass hier auch Begriffe wie Reliquie und Prozes­sion aus dem Glaubens­alltag erläutert werden. Müsste man heute nicht sogar außer diesen Äußer­lich­keiten auch den Kern des Chris­ten­tums selbst noch erklären? In der Brüdern­kirche als erstem Verkün­di­gungsort der Refor­ma­tion ließe sich das vielleicht an anderer Stelle nachholen.

Geschirr­funde aus der Sicker­grube

Mit Guda kommen wir schließ­lich auf den Markt und ins Gesin­de­haus, sie ist eine Magd, reell und bescheiden. Man kann bei ihr, Wolle zu spinnen, lernen – echt schwer. Auch einen Handbohrer kann man auspro­bieren. Das Abort nicht. Aber dass es schon Sicker­gruben und Hygie­ne­re­geln im Mittel­alter gab, lernt man gern. Lusti­ger­weise stammen die Leder­sch­uh­reste und das geflickte Geschirr in den Vitrinen aus solchen Gruben, wo sie entsorgt worden waren und sich erhalten haben. Bei den Grabungen am Eiermarkt, hier im Quartier, hat man sie gefunden.

Die Highlight-Station wird sicher das Ritter­zelt, in dem der Page Wilderich mit seinem Herrn im Gefolge des Herzogs von Burg zu Burg zieht. Hier können sich die Kinder mit Ketten­hemd und Helm verkleiden und auspro­bieren, ob man so sicher auf einem (Holz)Pferd sitzen kann. Na ja, jeder Traum hat seine dreckigen und gefähr­li­chen Seiten.

Ritter­fi­guren mit Original-Wappen

Landesmuseumsdirektorin Heike Pöppelmann guckt den Dom-Baumeistern über die Schulter. Foto: Andreas Berger
Landes­mu­se­ums­di­rek­torin Heike Pöppel­mann guckt den Dom-Baumeis­tern über die Schulter. Foto: Andreas Berger

Wilderich kann mit 14 Knappe, danach Ritter werden, aber solche Helden­taten sind im Ernst kein Traumjob. Posch­manns Text spricht auch an, dass sich Ritter auf Kreuz­zügen oft wenig ritter­lich und schon gar nicht christ­lich benommen haben. Mit seinen wappen­ge­treu bemalten Ritter­fi­guren hätte man trotzdem gern gespielt. Vorbild waren die Originale des Quedlin­burger Wappen­käst­chens.

Das wirkt alles sehr anregend und findet in der großen Halle der Brüdern­kirche, deren Bettel­orden in jener Zeit nach Braun­schweig kam, wunderbar Raum. Landes­mu­se­ums­di­rek­torin Heike Pöppel­mann ist dankbar, dass die Landes­kirche ihr hier dauerhaft Gastrecht gibt, bis der Umbau des eigenen Hauses abgeschlossen ist. Die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz sprang unter­stüt­zend bei.

Zumindest Kindern und Familien kann das Landes­mu­seum so wieder eine Anlauf­stelle zur histo­ri­schen Bildung anbieten. Extra buchbare Workshops zu den Themen oder animierte Kinder­ge­burts­tage seien vorge­sehen. Immer sonntags sei ein Ansprech­partner vor Ort, der in die Mitmach­sta­tionen einführe.

Ab 4. September, Di.-Sa. 10–17.30 und So. 12–17.30 Uhr. Infos zu Führungen etc. unter www.3landesmuseen-braunschweig.de/bruneswic-anno-1221.

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