Anja Stadler trägt Farbe auf

Restaurateurin Anja Stadler begutachtet die historische Bemalung im Prinzenpalais. Foto: Ulrich Thiele, TonArt
Restaurateurin Anja Stadler begutachtet die historische Bemalung im Prinzenpalais. Foto: Ulrich Thiele, TonArt

Wegen Brand­schutz­auf­lagen wird im Festsaal des Wolfen­büt­teler Prinzen­pa­lais eine Fluchttür in die wertvolle histo­ri­sche Wand eingebaut. Eine Heraus­for­de­rung für Restau­ra­teurin, Hausei­gen­tümer und Mieter.

Der Festsaal des Prinzen­pa­lais zählt ohne Zweifel zu den kunst­his­to­ri­schen Kleinoden Wolfen­büt­tels. Der Baumeister Hermann Korb, Erbauer vieler bekannter und berühmter Bauwerke im Braun­schwei­gi­schen, hatte den barocken Prunksaal 1733 für den damaligen Erbprinzen Karl I. geschaffen. Der Stuck der Saaldecke ist sogar noch original. Dennoch stemmten Handwerker in den vergan­genen Tagen ein großes Loch in die Nordseite des Saals. Teile der aus dem 19. Jahrhun­dert stammenden Wandbe­ma­lung wurden unwie­der­bring­lich zerstört. Doch der betreu­ende Architekt Gerhard Pfeiffer und Dr. Ulrich Thiele, Vorsit­zender der im Prinzen­pa­lais behei­ma­teten Kultur­in­itia­tive TonArt, geben bei einer Ortsbe­sich­ti­gung Entwar­nung.

Sobald aus Brand­schutz­gründen eine längst überfäl­lige wärme- und schall­iso­lie­rende Fluchttür eingebaut ist, beginnt Restau­ra­teurin Anja Stadler mit der farbli­chen Wieder­her­stel­lung. Die Expertin war schon in fast allen bedeu­tenden Kirchen und Herren­sitzen des Braun­schweiger Landes tätig. Im Prinzen­pa­lais trägt sie mit feinem Pinsel­strich und ruhiger Hand die seltene Schablo­nen­ma­lerei wieder auf die neue Flügeltür auf. Die Hälfte der Grund­kosten für Durch­bruch und Rekon­struk­ti­ons­ar­beiten übernimmt die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Die neue Fluchttür führt in einen Zwischen­raum des Nachbar­ge­bäudes, die sogenannte alte Ölmühle. Dieses Gebäude ist in Gänze saniert, verfügt über eine dicke neue Brand­schutztür.

„Sehr wahrschein­lich ist, dass bereits Hermann Korb an exakt dieser Stelle einen Durchgang vorge­sehen hatte. Eventuell sollte es später aus dem angren­zenden Gebäude ein Belie­fe­rungs­zu­gang für den Festsaal des Prinzen geben“, vermutet der Architekt Gerhard Pfeiffer. In großer Verbun­den­heit zu dem heutigen Hausei­gen­tümer, dem 85 Jahre alten Inder Dr. Matthew John, betreut er die vielen und kosten­in­ten­siven Sanie­rungen seit den 90er Jahren – natürlich in enger Zusam­men­ar­beit mit der Denkmal­pflege.

Bei solch einem histo­ri­schen Gebäude gibt es immer etwas zu tun. „Als nächstes stehen die Sanierung des Fußbodens im Festsaal und der Durchgang zum Saal an“, berichtet Dr. Ulrich Thiele, der viele Jahre selbst im Prinzen­pa­lais gewohnt hat. Er kennt das Prinzen­pa­lais, dessen Fußböden altehr­würdig knacken und knatschen, aber aufgrund der vielen Inves­ti­tionen absolut in Schuss sind, wie seine Westen­ta­sche. „Dass der Umbau des Beamten­hauses für den Erbprinzen schnell gehen musste, sieht man daran, dass der alte Trakt und der neue nicht an allen Stellen immer gut zusam­men­passen“, so Dr. Thiele.

11 Mal im Jahr nutzt die Kultur­in­itia­tive TonArt, der 1999 gegrün­dete Nachfolger des Forums Kultur in der Kommisse, den Festsaal für erstklas­sige histo­ri­sche Konzerte. Das musika­li­sche Spektrum reicht von barocker, klassi­scher, roman­ti­scher und moderner Musik bis hin zu indischer Musik, Klezmer (jüdische Volks­musik) und Jazz. TonArt verfügt zudem über eine histo­ri­sche Konzert­flügel- und Streich­in­stru­men­ten­samm­lung. Der älteste Flügel stammt aus dem Jahr 1820.

Anläss­lich der Wolfen­büt­teler Kultur­nacht findet am 19. September 2015 im Prinzen­pa­lais eine bunte Mischung von Gesang bis Kammer­musik statt. „Die neue Türbe­ma­lung ist dann fertig­ge­stellt und kann bewundert werden“, betont Musik­fach­mann und Philosoph Dr. Thiele.

Zur Historie

Den Namen Prinzen­pa­lais erhielt das Haus in der Reichs­straße 1, nachdem der Erbprinz Karl I., später Herzog von Braun­schweig-Lüneburg-Wolfen­büttel, nach Umbau­ar­beiten gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Philip­pine Charlotte dort einge­zogen waren. Philip­pine Charlotte war die Schwester des Preußen­kö­nigs Friedrich der Große. Das Gebäude selbst wurde bereits um 1600 gebaut, diente zuerst als Hofbe­am­ten­haus. Doch Karl I. war das Haus als Erbprinz nicht reprä­sen­tativ genug, mit Hilfe von An- und Umbauten entstand dank Hermann Korb ein standes­ge­mäßes Ambiente. Seit 1744 wurde das Haus mehrfach verkauft. 1846 erwarb es August Fink und gründete dort ein Bankhaus. Später ging es in den Besitz der Familie Schüne­mann über. 1990 kaufte Dr. John die Immobilie.

Fotos

Das könnte Sie auch interessieren

  • Lebendige Wolfen­büt­teler Musik­ge­schichte

    Lebendige Wolfen­büt­teler Musik­ge­schichte

    Vom 4. bis 6. Mai findet zum ersten Mal das Inter­na­tio­nale Festival der Laute in Wolfen­büttel statt. Drei Tage lang wird sich alles um das histo­ri­sche Instru­ment und seine Musik drehen. Jedes Jahr lädt die Deutsche Lauten­ge­sell­schaft zum Inter­na­tio­nalen Festival der Laute ein – dieses Jahr zum ersten Mal nach Wolfen­büttel., die die Veran­stal­tung organi­siert,… Weiterlesen

  • Modernes in morbidem Umfeld

    Modernes in morbidem Umfeld

    Kunstverein Wolfenbüttel stellt sein Jahresprogramm vor: Auftakt mit der Ausstellung „Mehrwert“ der Leipziger Künstlerin Frenzy Höhne. Weiterlesen

  • Perlen der August­straße

    Perlen der August­straße

    Verschwundene Kostbarkeiten, Teil 20: Durch Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau ist der historische Stadtorganismus am ehemaligen Augusttor völlig überformt worden. Weiterlesen