Bestia­li­sche Hinrich­tung am Hagen­markt

Diese Platte am Hagenmarkt erinnert an Henning Brabandt und seine bestialische Hinrichtung. Foto: Der Löwe
Diese Platte am Hagenmarkt erinnert an Henning Brabandt und seine bestialische Hinrichtung. Foto: Der Löwe

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 13: Das reaktio­näre Ratsre­gime nahm grausame Rache an der „demokra­ti­schen“ Revolu­ti­ons­idee von Henning Brabandt.

Eine unschein­bare dunkle Schrift­platte im Rasen am Hagen­markt erinnert an die blutige Nieder­schla­gung des ersten Demokra­ti­sie­rungs­ver­su­ches in Braun­schweig im Jahre 1604. Diese Gedenk­platte bringt uns auf die Spur von Henning Brabandt, dem Bürger­haupt­mann, der sein Leben im Kampf für demokra­ti­sche Struk­turen im Rat der Stadt Braun­schweig verlor.

Die ständigen Ausein­an­der­set­zungen zwischen Herzog Heinrich Julius und der Stadt Braun­schweig bestimmten zu Beginn des 17. Jahrhun­derts die politi­schen Verhält­nisse innerhalb der Bürger­schaft. Die „decla­ratio banni“, die Landesacht des Herzogs gegen seine „unbot­mä­ßige Erb- und Landstadt“ beein­träch­tigte mit der Blockade der Handels­wege ganz erheblich den Handel der Stadt Braun­schweig. Die soziale Not in der Stadt wuchs schlag­artig, die Kluft zwischen arm und reich vertiefte sich zunehmend.

Dieser soziale Spreng­stoff förderte den Konflikt zwischen dem Rat und den Bürger­haupt­leuten. Das Ziel der letzteren war es, aus der Vermitt­ler­rolle zwischen Rat und Bürger­schaft in eine mitbe­stim­mende Partner­rolle am Stadt­re­gi­ment zu kommen. Als Führer der Opposi­tion trat der Advokat Henning Brabandt in das Rampen­licht der Ereig­nisse, der seit 1583 Bürger­haupt­mann war. Anfang Januar 1602 kam es zu einer grund­le­genden Umgestal­tung des Rates, in dem die Vorherr­schaft der Patrizier erstmals verloren ging.

Ziel war eine Demokra­ti­sie­rung der Stadt­re­gie­rung und die anteilige Berück­sich­ti­gung der wirtschaft­lich starken Gruppen, die längst nicht mehr aus den von den Patri­ziern dominierten Gilden der Altstadt bestanden. Die anfäng­li­chen Erfolge waren jedoch nicht von Dauer. Zwischen 1602 und 1604 zeigte sich ein deutli­cher Stimmungs­um­schwung innerhalb der Stadt gegenüber der revolu­tio­nären Bewegung.

Zum einen hetzte ein Teil der Stadt­geist­lich­keit hemmungslos von der Kanzel gegen die demokra­ti­schen Bemühungen der Bürger­haupt­leute. Zum anderen gelang es den reaktio­nären Kreisen zeitweise ihren größten Feind, Henning Brabandt, zu neutra­li­sieren, indem sie ihn als Vertreter des Rates zu den Verhand­lungen hinsicht­lich des Streites mit dem Herzog zum Kaiser nach Prag entsandten. Die Erfolg­lo­sig­keit der Gesandt­schafts­reisen und die ungehin­derte Agitation der Gegner in Braun­schweig zeigten Wirkung in der Bürger­schaft gegen Henning Brabandt, der nun als Schul­diger für die Misserfolge ausge­macht wurde.

Die wachsenden Unruhen entluden sich – gesteuert von den Patri­ziern und einem Teil der Geist­lich­keit – bei Volks­ver­samm­lungen am 3. September 1604. Auf dem Hagen­markt hatten sich die Gegner der Bürger­haupt­leute zusam­men­ge­rottet, und auf dem Altstadt­markt waren Henning Brabandt und die Bürger­haupt­leute mit ihren Anhängern zusam­men­ge­kommen. Ein Funke genügte, den Hass der Versam­melten am Hagen­markt zu entzünden. Die Bürger­haupt­leute und ihre Anhänger wurden gejagt, getötet oder gefan­gen­ge­nommen.

Bei der Flucht über die Stadt­mauer brach sich Henning Brabandt ein Bein und konnte sich nur mühsam mit fremder Hilfe unter einem Strauch bei der Broit­zemer Landwehr verste­cken. Am nächsten Tag jedoch wurde er gefan­gen­ge­nommen. Es folgte ein grausames Verfahren, in dessen Verlauf Henning Brabandt unter der Folter die vorge­wor­fenen Verfeh­lungen einge­stand. Acht von zwölf Bürger­haupt­leuten und zahlreiche Anhänger fanden als Folge des furcht­baren Straf­ge­richtes den Tod. Auch Henning Brabandt konnte diesem Schicksal nicht entgehen.

Die Vorwürfe gegen ihn lauteten auf Verrat gegen die Stadt Braun­schweig, da er beabsich­tigt habe, diese dem Herzog auszu­lie­fern. Anstif­tung zum Aufruhr fehlte ebenso­wenig, wie die Anklage, ein Bündnis mit dem Teufel einge­gangen zu sein. Unter den fortge­setzten Qualen der Folter gestand er diese Verfeh­lungen schließ­lich ein, so dass ihm formell der Prozess gemacht werden konnte. Schuld­spruch und Verur­tei­lung zum Tode ließen nicht lange auf sich warten. Am 17. September 1604 fand auf dem Hagen­markt auf bestia­li­sche Weise die Hinrich­tung statt.

Ein Gottes­dienst in der Katha­ri­nen­kirche leitete das blutige Spektakel ein. Auf einem Holzge­rüst wurde der Verur­teilte der Menge vorge­führt und die Spuren der Folter waren deutlich wahrnehmbar. Zunächst wurden Henning Brabandt wegen angeb­li­chen Meineides nach alter Sitte die Schwur­finger der rechten Hand abgehauen. Dann wurde er mit glühenden Zangen gezwickt und entmannt. Immer wieder fiel das Opfer in Ohnmacht, jedoch wartete man mit dem brutalen Vorgehen, bis er wieder bei Bewusst­sein war. Unter Gebet und Gesang versuchte Henning Brabandt, die Qualen zu überstehen. Am Ende wurden ihm vom Henker Bauch und Brust aufge­schnitten, die Einge­weide heraus­ge­trennt und buchstäb­lich das Herz aus dem Leibe gerissen. Bis zum letzten Moment war der Unglück­liche bei Bewusst­sein.

Nach dem Tode verbrannte man die Einge­weide an Ort und Stelle. Daraufhin hat man den Körper enthauptet und gevier­teilt. Der Kopf wurde auf einer eisernen Stange vor das Michae­listor gesteckt, die übrigen vier Teile in eisernen Körben am Petri‑, Neustadt‑, Fallers­leber- und Magnitor aufge­hängt. Noch viele Anhänger des Bürger­haupt­mannes Henning Brabandt fanden damals den Tod, das reaktio­näre Ratsre­gime hatte grausame Rache an der „demokra­ti­schen“ Revolu­ti­ons­idee geübt. Heute erinnert die viel zu unauf­fäl­lige Schrift­platte am Hagen­markt an das furcht­bare Straf­ge­richt im Jahre 1604, mit dem der erste Demokra­ti­sie­rungs­ver­such in Braun­schweig im Blut ertränkt wurde.

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