Platz, Park oder Schre­ber­garten?

Das Reallabor auf dem Hagenmarkt. Foto: Der Löwe
Das Reallabor auf dem Hagenmarkt. Foto: Der Löwe

Ein augen­zwin­kernder Blick zum „Reallabor“ auf dem Hagen­markt und den daraus resul­tie­renden Erkennt­nis­ge­winn.

Ein Möglich­keits­raum in der Stadt soll das „Reallabor“ auf dem Hagen­markt sein, das Studenten und Mitar­beiter von Archi­tektur-Insti­tuten dort temporär aufgebaut haben. Es gibt einen Holzpa­villon. Es werden Tomaten, Kohlrabi und Kürbisse gezüchtet. Ein Bauwagen steht auch dort, ein Segeltuch ist gespannt und einge­zäunt ist Material, das keine Verwen­dung fand. Ein bisschen mutet das alles an wie ein Schre­ber­garten mitten in der Stadt.

Brabandt, Lessing, Goethe

Zur Einwei­hung war sogar Stadtrat Holger Herlit­schke vom Umwelt‑, Stadtgrün‑, Sport- und Hochbau­de­zernat gekommen. Er sah aber keinen Schre­ber­garten. Selbst Architekt sagte er, dass dieses Projekt, dieses „Reallabor“, uns alle ein Stück weit in die Vergan­gen­heit führe. Wir hätten vergessen, wo das Bauen eigent­lich herkomme.

Ja, wie viele Passanten auch, denke ich ebenfalls an die Vergan­gen­heit, wenn ich am Hagen­markt vorbei­schlen­dere und auf das „Reallabor“ blicke. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Anblick gefällt, den ich auf diesem tradi­ti­ons­rei­chen, bedeu­tenden Platz sehe. Ein Vorüber­gang.

Kohlrabi, Tomaten, Matratze

Ich denke nicht an Tomaten und Kohlrabi oder an alte Matratzen als Dämmstoff, sondern an die Gründung des Weich­bilds Hagen im Jahr 1160, an den Bau der Katha­ri­nen­kirche Anfang des 13. Jahrhun­derts, an die Hinrich­tung des Demokraten Henning Brabandt 1604, an die Urauf­füh­rung von Lessings „Emilia Galotti“ 1772 und die Urauf­füh­rung von Goethes „Faust“ im einst dort stehenden Herzog­li­chen Opernhaus 1829, an die  Errich­tung des Heinrichs­brun­nens 1874, an die früheren Weihnachts­märkte, an die großen Kriegs­zer­stö­rungen, an das Sturmtief „Xavier“ 2017 und an die schier unend­li­chen Planungen, was denn nun eigent­lich aus dem Hagen­markt werden soll.

Als Stadt der Wissen­schaft und Forschung ist es natürlich richtig und wichtig, dass sich die Techni­sche Univer­sität öffnet, in der Stadt sichtbar wird und mit beson­deren Projekten auf sich aufmerksam macht. Die TU ist ein wichtiger Faktor für Braun­schweig, ein Pfund mit dem wir zu Recht auch wuchern können. Ob das freilich an einem Platz sein muss, der wie der Hagen­markt beson­derer histo­ri­scher Sensi­bi­lität bedarf, ist mindes­tens diskus­si­ons­würdig. Sei‘s drum.

Wie soll’s werden?

Das „Reallabor“ hat, trotz aller unter­schied­li­cher Auffas­sungen über Sinn und Unsinn der studen­ti­schen Aktion, immerhin dazu geführt, dass sich viele Braun­schwei­ge­rinnen und Braun­schweiger jenseits jeglicher Parti­ku­lar­in­ter­essen angesichts des aktuellen Treibens so ihre Gedanken über den Hagen­markt und seine zukünf­tige Gestal­tung machen. Platz, Park oder doch Schre­ber­garten?

Auch die Politik wäre gut beraten, ihre Positionen nochmal zu überdenken, denn die TU-Aktion hat doch mindes­tens eins als Erkennt­nis­ge­winn gebracht: Mit dem Totschlags-Argument, dass der Hagen­markt wegen der angren­zenden Verkehre keine Aufent­halts­qua­lität biete und deswegen nicht für eine urbane Platz­an­lage tauge, haben die Studen­tinnen und Studenten aufge­räumt.

Identi­täts­stif­tend für Braun­schweig

Angesichts der Vielzahl geplanter Pocket­parks, grünen Überle­gungen für den hinteren Bereich der Schloss-Arkaden und neuen, bereits beschlos­senen Impulsen für Dach- und Fassa­den­be­grü­nungen braucht es in der Stadt kein „Hagen­wäld­chen“ mehr. Es bietet sich die Chance, den Hagen­markt identi­täts­stif­tend für Braun­schweig aufzu­werten.  Ziel der Studenten war es, einen Beitrag zum städti­schen Leben zu leisten. Das haben sie mit ihrem Möglich­keits­raum, den sie „Reallabor“ genannt haben, geschafft.

Ein Beitrag der Richard Borek Stiftung.

www.der-loewe.info/kritik-am-nein-zum-neuen-hagenmarkt

www.der-loewe.info/braunschweiger-plaetze-in-geschichte-und-gegenwart

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