Das Gebäude als „letzter Zeuge“

Sechs Stahlkuben beheimaten die Dauerausstellung der Gedenkstätte KZ Drütte in Salzgitter. Foto: Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz / Andreas Greiner-Napp
Sechs Stahlkuben beheimaten die Dauerausstellung der Gedenkstätte KZ Drütte in Salzgitter. Foto: Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz / Andreas Greiner-Napp

Inhalt­liche und infra­struk­tu­relle Aufwer­tung der Gedenk- und Dokumen­ta­ti­ons­stätte KZ Drütte wird bis 2021 dauern.

Die auf dem Werks­ge­lände der Salzgitter AG gelegene Gedenk- und Dokumen­ta­ti­ons­stätte KZ Drütte wird in den nächsten drei Jahren erheblich aufge­wertet, um den Anfor­de­rungen moderner Geschichts­ver­mitt­lung auch in Zukunft gerecht werden zu können. In dem Außen­lager des Konzen­tra­ti­ons­la­gers Neuen­gamme bei Hamburg waren tausende Häftlinge von 1942 bis 1945 zur Rüstungs­pro­duk­tion in den damaligen „Reichs­werken für Erzbergbau und Eisen­hütten Hermann Göring“ gezwungen worden.

Projekt des Arbeits­kreises Stadt­ge­schichte Salzgitter

Die heutige Gedenk­stätte besuchen jährlich mehr als 150 Gruppen. Dazu kommen Gäste regel­mä­ßiger Führungen und Veran­stal­tungen. Die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz fördert die jetzt anste­hende Neuge­stal­tung mit einem mittleren sechs­stel­ligen Betrag. Projekt­träger ist der Arbeits­kreises Stadt­ge­schichte Salzgitter.

Erst in den 1980er Jahren begann die Erinne­rung an das KZ-Außen­lager Drütte und das traurige Schicksal der Zwangs­ar­beiter. 1992 wurde ein Teil der histo­ri­schen Räume mitten auf dem Werks­ge­lände für die Einrich­tung der Gedenk­stätte zur Verfügung gestellt. Die Dauer­aus­stel­lung wurde 1994 eröffnet. Seither gab es diverse Sonder­aus­stel­lungen, wurde ein Archiv aufgebaut und fanden regel­mäßig Projekte mit Auszu­bil­denden der Salzgitter AG statt.
Die SS hatte in Drütte eines der ersten und größten KZ-Außen­lager einge­richtet. Unter einer betrieb­lich genutzten Hochstraße auf dem Werks­ge­lände wurden zeitgleich mehr als 3000 Zwangs­ar­beiter gefangen gehalten. Durch das Zumauern der Seiten der Hochstraße entstanden unter anderem vier Unter­kunfts­blocks und ein Kranken­re­vier.

Katastro­phale Lebens­be­din­gungen

In dem Lager herrschten katastro­phale Lebens­be­din­gungen. 1944 wurden zwei weitere Außen­lager auf dem Gebiet der heutigen Stadt Salzgitter einge­richtet. Auch die dort inhaf­tierten Männer und Frauen wurden zur Arbeit bei den Reichs­werken „Hermann Göring“ gezwungen. Am 7. April des letzten Kriegs­jahres evaku­ierte die SS die Lager. Viele Häftlinge kamen auf den Trans­porten und anschlie­ßenden Todes­mär­schen ums Leben.

„Die räumliche Erwei­te­rung der Gedenk­stätte um rund 1000 Quadrat­meter ermög­licht uns die techni­sche und inhalt­liche Neuge­stal­tung. Es gibt sowohl bauliche wie inhalt­liche Defizite. In der derzei­tigen Ausstel­lung fehlen einige wichtige Themen­be­reiche oder werden nur kurz angeschnitten“, erläutert Maike Weth, die Leiterin der Gedenk­stätte. Die bisherige Präsen­ta­tion spiegele den Wissens­stand von 1992 wider. Es fehle beispiels­weise die umfang­reiche Aufar­bei­tung des Themas „Verant­wort­liche“.

Aktueller Forschungs­stand

Ziel der Neuge­stal­tung sei es, ein breites Themen­spek­trum auf aktuellstem Forschungs­stand und in einer angemes­senen Arbeits­at­mo­sphäre zu vermit­teln, so Maike Weth. Unter dem Leitthema „Zwangs­ar­beit unter KZ-Bedin­gungen. KZ-Häftlinge in der Rüstungs­pro­duk­tion“ sollen die Menschen und die Arbeits­be­din­gungen der KZ-Häftlinge im Fokus stehen. Gleich­zeitig wird das Gebäude als „letzter Zeuge“ verstärkt in den Blick gerückt.

Dabei spielt die noch heute gut zu erken­nende Wandge­stal­tung im Kranken­re­vier und in den Unter­kunfts­räumen eine wesent­liche Rolle. „Entgegen der ursprüng­li­chen Annahme, dass es sich hierbei um eine Art Verschö­ne­rung aus der Nachkriegs­zeit handelt, konnte sie durch Unter­su­chungen vor Kurzem der KZ-Zeit zugeordnet werden, wobei stellen­weise mehrere Gestal­tungs­phasen zu finden sind. Der Zweck der Wandge­stal­tung in einem Konzen­tra­ti­ons­lager ist noch ungeklärt“, berichtet Maike Weth.

„Entde­ckendes Lernen“

Durch die räumliche Erwei­te­rung wird es künftig möglich sein, neben lnfor­ma­ti­ons­ta­feln auch Originale und Audio- oder Video­in­ter­views aus dem Gedenk­stät­ten­ar­chiv in die Ausstel­lung einzu­binden. Besonders Objekte, Faksi­miles, markante Fotos und Erinne­rungs­be­richte sollen dann zum „entde­ckenden Lernen“ beitragen. Gegen­wärtig werden die Infor­ma­ti­ons­ta­feln in sechs Stahl­kuben ausge­stellt.

Mehr Infor­ma­tionen:

http://www.gedenkstaette-salzgitter.de/orte/kz-drutte/

Öffnungs­zeiten: Jeden zweiten Samstag im Monat von 15 Uhr bis 17 Uhr und nach Anmeldung.

Kontakt:
Arbeits­kreis Stadt­ge­schichte e.V.
Wehrstraße 29
38226 Salzgitter
Telefon: 05341 / 44581
E‑Mail: info@gedenkstaette-salzgitter.de

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