Ein Ort der Zuflucht seit 125 Jahren
Braunschweiger Bahnhofsmission: Ursprünglich ging es um den Schutz junger Frauen, heute vor allem um Hilfe für Obdachlose und Suchtkranke.
Im Jahr 1894 wurde die erste Bahnhofsmission Deutschlands am heutigen Berliner Ostbahnhof gegründet. Ein erster Hinweis auf eine vergleichbare Einrichtung in Braunschweig ist auf 1897 datiert. Sie beschränkte sich in ihrer Tätigkeit jedoch darauf, „alle Quartal an den Anzugstagen auf allen Bahnstrecken Flugblätter in die Züge zu werfen und auf den Stationen anbringen zu lassen“, um vor leichtsinnigem Zuzug in die Großstädte zu warnen. Von wann an es eine feste Station am Alten Bahnhof gab, ist offenbar nicht final nachzuvollziehen. Es soll um die Jahrtausendwende gewesen sein, so dass dieser Tage das 125-jährige Bestehen der Braunschweiger Bahnhofsmission gefeiert wird.
Veränderte Schwerpunkte
Seit der Gründung haben sich die Schwerpunkte der bundesweit mehr als 100 Bahnhofsmissionen mehrfach erheblich gewandelt, so auch in Braunschweig. Heute ist die Bahnhofmission vor allem Anlaufstelle für Wohnungslose, Suchtkranke und häufig auch psychisch kranke oder schwer belastete Menschen. „Unsere Einrichtung ist selbstverständlich offen für alle in Not geratene Menschen. Zu unseren Aufgaben gehört aber unverändert auch die Betreuung Reisender, für die wir etwa Umstiegshilfe leisten“, berichtet Mo Meyer-Hermann, Leiterin und diplomierte Sozialpädagogin, über das Hier und Jetzt.
Anfangs im vorvergangenen Jahrhundert ging es vor allem darum, junge Mädchen und Frauen, die auf der Suche nach Arbeit in die Städte kamen, bei der Ankunft in Empfang zu nehmen. Sie erhielten Adressen von seriösen Unterkunftsmöglichkeiten und Stellenvermittlungen, um sie vor Ausbeutung und Prostitution zu schützen. Während des Ersten Weltkrieges wurden dann gemeinsam mit dem Roten Kreuz in erster Linie verwundete Soldaten, die mit den Lazarettzügen ankamen, versorgt.
Im Laufe der Weltwirtschaftskrise mit großer Arbeitslosigkeit und Armut in Deutschland zum Ende der 1920er Jahre wurden die Bahnhofsmissionen zu wichtigen Versorgungsstellen für die notleidende Bevölkerung. Im Jahr 1939 wurden die Bahnhofsmissionen dann vom NS-Staat verboten, aber unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen sie schnell wieder ihren Dienst in den zumeist zerstörten Bahnhöfen wieder auf. Die Nöte der Vertriebenen, Flüchtlinge und Heimkehrer waren vielfältig.
Mehr Personal wünschenswert
Bei völlig veränderten Herausforderungen hält Mo Meyer-Hermann gemeinsam mit zwei weiteren hauptamtlichen Kräften, 15 Ehrenamtlichen und einer Kraft aus dem Bundesfreiwilligendienst die Bahnhofsmission Braunschweig als soziale Einrichtung von Caritas und Diakonie Braunschweiger Land am Laufen. Geöffnet ist die Station von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr und jeden letzten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr. „Wir würden die Öffnungszeiten gerne erweitern und auch mehr Präsenz im Bahnhof zeigen. Vielleicht ist das bereits im nächsten Jahr möglich. Es gibt aber noch Bedarf für zwei oder drei Ehrenamtliche“, sagt Mo Meyer-Hermann.
Anders als noch in den 2000er Jahren von der Bahn AG gewünscht, gibt es in der Braunschweiger Bahnhofsmission längst wieder Getränke und Essen für Bedürftige. Deutschlandweit sollten seinerzeit die Bahnhofsmissionen Besuchern und Hilfsbedürftigen kein Essen mehr anbieten. Damit sollte verhindert werden, dass Bahnhöfe weiterhin Obdachlose und Drogenabhängige anziehen. Das jedoch war ein Trugschluss. An den Besuchern der Bahnhofsmissionen ist und bleibt erkennbar, welche gesellschaftlichen Gruppen besondere Hilfe benötigt.
Essen, duschen, Kleiderwechsel
Anders als vor Jahrzehnten leben die meisten Gäste der Bahnhofsmission vor Ort. Seit 1995 gibt es zwar keine Übernachtungsmöglichkeit mehr und auch die Öffnung rund um die Uhr wurde eingestellt. Dafür wird aber wochentags Frühstück geboten, nach Anmeldung auch die Möglichkeit zu duschen und sogar die Kleider zu wechseln. Täglich kommen bis zu 50 Personen, die Hilfe erbitten und erhalten, sich dafür aber an klare Regeln halten müssen. Alkohol- und Drogenkonsum sind in der Bahnhofsmission verboten. Wer dagegen verstößt, bekommt Hausverbot.
Nicht verschweigen will Leiterin Mo Meyer-Hermann dennoch die Herausforderungen, mit Personen, die bereits alkoholisiert sind oder unter Drogeneinfluss stehen, umgehen zu müssen. Zu oft ist Hilfe der Polizei erforderlich. Doch auch das ändert nichts an der hohen Motivation, die alle die in der Braunschweiger Bahnhofsmission arbeiten, an den Tag legen. Nicht zuletzt sie haben allen Grund, das Jubiläum zu feiern.