Jahrhun­der­te­alte Adels-Gruft im Harz geöffnet

Holzrestaurator Richard Engel (vorne) ist aus Lüdershagen bei Rostock angereist, um u.a. mit Dr. Andreas Ströbl an den Särgen in Osterode-Dorste zu arbeiten. Foto: Privat

Archäo­logen und Histo­riker unter­su­chen die Ruhestätte der Familie von Hedemann in Dorste. Wie können die histo­ri­schen Särge konser­viert werden?

Wer zurzeit die St. Cyriaci-Kirche in Dorste betritt, den erwartet Beson­deres: Denn im Altarraum sind histo­ri­sche Särge verschie­dener Größe zu sehen. Die Archäo­logen und Kunst­his­to­riker, Dr. Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl aus Lübeck arbeiten hier im Auftrag des Kirchen­vor­standes, um die Objekte zu restau­rieren und für weitere Jahrhun­derte zu erhalten.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 12.08.2022 (Bezahl-Artikel)

Es handelt sich um 20 Erwach­senen- und fünf Kinder­särge, die norma­ler­weise in zweige­schos­siger Stellung in der Gruft aufge­stellt sind, welche die Familie des Adels­ge­schlechts von Hedemann um 1700 im Turm der St. Cyriaci-Kirche in Dorste angelegt und gut 150 Jahre genutzt hat. 1935 erfolgten dann eine Zählung der Särge und Siche­rungs­maß­nahmen in der Gruft.

Kultu­reller Schatz im Dorster Kirchturm

Man schrieb das Jahr 2017, als die beiden Lübecker Experten, die sich seit 20 Jahren bundes­weit dem Erhalt von Grüften verschrieben haben, auf den kultu­rellen Schatz im Dorster Kirchturm aufmerksam wurden. Die Forschenden wollten wissen, wie es um den Zustand der kultur­his­to­ri­schen Schätze aussieht. Sie überzeugten den Kirchen­vor­stand Dorste, insbe­son­dere deren damaligen ersten Vorsit­zenden, Hilmar Merkel, von ihrem Vorhaben.

Dann begann die Suche nach Sponsoren. Auch wenn sich die als schwierig und langwierig heraus­stellen sollte, wollte keiner aufgeben. Und diese Ausdauer wurde jetzt belohnt. Denn die Stiftung „Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz“ und die VGH-Stiftung Hannover/ Göttingen öffneten ihre Spenden­dosen weit. Die Gottes­dienst­be­su­che­rinnen und Gottes­dienst­be­su­cher der St. Cyriaci-Kirche hatten über die Jahre hinweg auch schon einiges für dieses Vorhaben dazu gegeben. Die Arbeit konnte beginnen.

Unberührte Gruft: Osteroder Ortsteil Dorste kann stolz sein

Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl waren faszi­niert von dem ersten Eindruck. Schließ­lich hatte die durch kleine Öffnungen eindrin­gende Luft die Särge gut konser­viert. Nur die unteren Särge haben etwas gelitten, weil sich im Stampf­lehm­boden die Feuch­tig­keit gehalten hat. Auch die starken Eichen­balken, auf denen diese Särge gestanden hatten, gaben im Lauf der Zeit wegen Fäulnis teilweise nach.

Besonders erfreu­lich ist aber die Tatsache, dass die Särge alle niemals mutwillig beschä­digt worden waren. Damit gehört Dorste zu den wenigen Ortschaften, die stolz auf die Unberührt­heit ihrer Gruft sein dürfen. Der verblei­bende große Rest der insgesamt 50 Grüfte, welche die beiden Archäo­logen schon bundes­weit aufge­ar­beitet haben, sei leider durch Diebstahl und Vanda­lismus beschä­digt worden.

„Wir haben durch­ge­atmet, als wir diese recht unbeschä­digten Kultur­zeug­nisse sahen“. Denn so konnten sich beide mit großer Freude, Geduld, Pinsel und spezi­ellen Reini­gungs­mit­teln an die Arbeit machen. „Die Särge sind quali­täts­voll bemalt, und die Farbe ist teilweise noch so frisch, als sei sie nicht schon vor Jahrhun­derten, sondern erst gestern auf das Eichen­holz gebracht worden“. Die eisernen Beschläge wurden und werden ebenfalls sorgsam vom Rost befreit und mit Spezi­al­wachs für die nächsten Jahrhun­derte geschützt.

Kultur­denkmal: Den Staub der Jahrhun­derte behutsam entfernt

Mit Staub­sauger und weichem Pinsel wurden Staub und Putzbro­cken, die schädi­gende Feuch­tig­keit halten, behutsam entfernt. Leichter Schim­mel­be­fall sowie das eine oder andere Holzwurm­loch waren auch zu sehen.

Bevor sich aber die Doktoren Ströbl ans Werk machen konnten, galt es erst einmal die wichtige Frage zu beant­worten, wie die bis zu 300 Kilogramm schweren Särge aus der Gruft heraus­ge­holt werden können. Der Hilferuf erreichte auch die Freiwil­lige Feuerwehr Dorste. Und acht Kameraden stellten sich zusammen mit drei Kirchen­vor­stands­mit­glie­dern für diese nicht alltäg­liche Aktion zur Verfügung. Eigens dafür schlüpften sie in Schutz­be­klei­dung und setzten auch Atemschutz­masken auf. Zusammen erledigten sie die Aufgabe in etwa acht Stunden.

Feuerwehr hilft bei anstren­gender Arbeit an 300-Kilo-Särgen

„Es war insgesamt körper­lich sehr anstren­gend, aber die Kunst­werke, die wir zu Tage gebracht haben und die Historie, die dahinter steckt, sind wirklich faszi­nie­rend und haben über den Muskel­kater hinweg geholfen“, so Ortsbrand­meister Maik Sindram. Er und sein Team werden übrigens zum richtigen Zeitpunkt dafür sorgen, dass die Särge wieder in die Gruft geladen und dort angemessen aufge­stellt werden.

Der Heimat- und Geschichts­verein Dorste ist besonders froh über dieses zeitge­schicht­liche Geschehen. Denn diese ungewöhn­liche Restau­rie­rung findet ja im Rahmen der 1.000-Jahrfeier der Ortschaft statt.

Ein Ereignis von heraus­ra­gender Bedeutung

Ortsbür­ger­meister Gerrit Armbrecht, der mindes­tens ebenso stolz wie der Heimat- und Geschichts­verein auf diese Arbeiten ist, betonte, dass diese Sanierung wirklich ein Ereignis von heraus­ra­gender Bedeutung sei.

Er sprach allen, die irgendwie an diesem Projekt mitge­wirkt haben, oder gleiches noch tun, auch im Namen des Ortsrates ein großes Danke­schön aus. Übrigens wohnt Armbrechts Familie in einem Teil des ehema­ligen Hedemann­schen Gutshofes und hat daher eine besondere Verbin­dung zur Geschichte des Adels­ge­schlechtes.

Bevor die Särge wieder in sehens­wertem Zustand zurück in die Gruft kommen, in welcher sie wohl die nächsten 300 Jahre gut überstehen werden, wird dort erst einmal der Lehm- durch einen Backstein­boden ersetzt. Loser Putz, der auf die Särge fallen könnte, ist bereits von der Gewöl­be­decke entfernt worden.

Ein ganz beson­deres Kultur­denkmal von überre­gio­nalem Rang ist hier in vorbild­li­cher Gemein­schafts­ar­beit für die Zukunft bewahrt worden.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 12.08.2022 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/harz/article236141771/Jahrhundertealte-Adels-Gruft-im-Harz-geoeffnet.html (Bezahl-Artikel)

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