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Kulturgut aus altem Blech

Blick in die Ausstellungshalle. Foto: Sammlung Kolle
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Braunschweigs Museen, Folge 4: Die Sammlung historischer Fahrzeuge Braunschweig in Hondelage.

Jürgen Kolle ist so etwas wie ein wandelndes Autolexikon. Der Besuch seiner Oldtimer-Sammlung in Braunschweig-Hondelage ist deswegen auch nicht mit einer Stunde abgetan. Wer sich darauf einlässt, hört beim Schlendern durch die riesige Ausstellungshalle Geschichte um Geschichte.

Zu jedem seiner Fahrzeuge, vornehmlich auf vier Rädern unterwegs, kennt der über 80-Jährige jede Menge Details und gibt hinreißend authentisch Episoden vom Erwerb, von der Restauration oder Reaktionen auf der Straße zum Besten. Der Mann hat Benzin im Blut!

Begonnen hat alles, wie sollte es auch anders sein in dieser Region mit Volkswagen. Vom Kübelwagen und Opel Kadett aus dem 2. Weltkrieg reicht die Sammlung über Brezelkäfer, Opel Rekord und Borgward Isabella der 1950er Jahre, Ford 17m P2, Porsche 911, Goggomobil der 1960er Jahre bis zu den letzten produzierten VW Käfern. Zu den ausgestellten Fahrzeugen gehören auch Autos der Marken BMW, Borgward, DKW, Fiat, Glas, Mercedes Benz, MG, Opel, Trabant oder Wartburg. Die ausgestellten Fahrzeuge müssen mindestens 30 Jahre alt sein.

Exoten reizen Jürgen Kolle

Jürgen Kolle am Steuer des Rometsch Lawrence. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Jürgen Kolle am Steuer des Rometsch Lawrence. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Mit dem knallgelben Sportwagen SP 2, den Volkswagen in Brasilien zusammenbauen ließ, und einem Rometsch Lawrence (Baujahr 1958), sind zwei ausgesprochene Exoten in der Ausstellung zu sehen. Der vom späteren Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden Rudolf Leiding entworfene Sportwagen gilt als absolute Design-Ikone. In Deutschland gibt es keine zehn Exemplare davon. Der Rometsch wurde vor allem für amerikanische GIs in Handarbeit in Berlin hergestellt wurde. Die Karosserie wurde aus Aluminium gedengelt, die Basis bildet Käfertechnik. Die zweifarbige Lackierung und die Luxus-Innenausstattung machten das exklusive Auto damals rund 8000 Mark teuer. Über den heutigen Preis herrscht Stillschweigen. Das Auto ist so selten, dass es in keiner einschlägigen Klassik-Zeitschrift gelistet wird.

Mehr als 80 Fahrzeuge

Die Leidenschaft für altes Blech wird bei jedem Satz von Jürgen Kolle spürbar. Die Lust auf immer wieder neue, spannende, automobile Projekte ist trotz vieler Jahrzehnte des Sammelns und Pflegens „technischen Kulturguts unter dem Gesichtspunkt der zeitgenössischen Originalität“ ungebrochen groß. Aktuell baut Jürgen Kolle einen Hanko Rheingold auf. Kennen Sie nicht? Woher auch. Es ist vermutlich der letzte seiner Art, Baujahr 1933. „Der Name Hanko setzt sich aus den beiden Standorten Hannover und Koblenz zusammen, an denen der Stahlgroßhändler Carl Spaeter Kraftfahrzeuge einst fertigen ließ“, erzählt Kolle.

Es sind die Exoten, die Jürgen Kolle reizen. Die Mehrzahl seiner rund 80 ausgestellten Fahrzeuge stammt aus der Wirtschaftswunderzeit. Die meisten waren, als sie zu ihm kamen, in keinem vorzeigbaren Zustand. Unendlich viel Zeit, Liebe und Sachverstand steckt er unverdrossen in seine Autos. Heute sind vom Grundsatz her alle Autos fahrbereit. „Jedes Jahr bringe ich zwei oder drei Fahrzeuge durch den TÜV und fahre dann mit ihnen“, sagt Jürgen Kolle. Das Fahren mit den alten Autos macht ihm nahezu so viel Freude wie das Sammeln.

Amtsanmaßung im Polizeikäfer

Meistens jedenfalls. Als er seinen Polizeikäfer restauriert und fahrfertig hatte, wurde er prompt von einer Streife angehalten. „Amtsanmaßung“, lautete der Vorwurf, der sich freilich auf der Wache in Wohlgefallen auflöste. Heute fährt Jürgen Kolle sogar im Auftrag der Behörde dann und wann einen verdienten Polizeibeamten nach seiner Pensionierung nach Hause. „Nicht selten haben sie dann feuchte Augen, wenn sie aussteigen, weil sie eben mit so einem Käfer, als sie jung waren, selbst auf Streife gefahren sind“, berichtet er.

Reise in die Vergangenheit

Am Originalzustand seiner Fahrzeuge ist Jürgen Kolle gelegen. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Am Originalzustand seiner Fahrzeuge ist Jürgen Kolle gelegen. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Und so gerät auch der Besuch seiner Sammlung wie eine traumhafte Reise in die Vergangenheit, wenn man nur alt genug ist. Nostalgie pur, so soll das sein. Ausgestellt sind ausschließlich historische Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre sind. Begonnen hat Jürgen Kolles Autobesessenheit, wie bei so vielen aus dem Braunschweigischen, mit der Marke Volkswagen. „Die Technik war einfach. Anfangs habe ich defekte Käfer gekauft, sie aufgemöbelt und wieder verkauft. Ich habe mir damit etwas dazuverdient. Später begann das Sammeln. Heute tausche ich Fahrzeuge, um Neuzugänge für die Sammlung zu beschaffen“, beschreibt er seinen Werdegang zum ausgewiesenen Szenekenner. Jürgen Kolle ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der deutschen Museen für Auto, Motor und Technik und gehört dem Berliner Parlamentskreis Automobiles Kulturgut an, den der Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Carsten Müller 2009 ins Leben rief.

Besuch nach Vereinbarung

Der Besuch der Ausstellung ist nach Vereinbarung jederzeit möglich. Feste Besuchstermine sind jeweils die beiden letzten Sonntage in den Monaten von März bis November. Auf dem Gelände können auch Feiern, Clubtreffen oder Betriebsausflüge veranstaltet werden. Als Clubraum dient übrigens ein restaurierter Eisenbahnwaggon, Baujahr 1921. Damit ist er der unumstrittene „Alterspräsident“ in der beeindruckenden Sammlung von Jürgen Kolle.

Weitere Informationen: www.historische-fahrzeuge-bs.de

Fotos

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