„Kunst trotz(t) Armut“

Menschen auf der Straße von Karin Powser. Foto: Katalog
Menschen auf der Straße von Karin Powser. Foto: Katalog

Wander­aus­stel­lung in der St. Andre­as­kirche zeigt rund 100 Werke renom­mierter Künst­le­rinnen und Künstler zum Thema Obdach­lo­sig­keit.

Die Kirchen­ge­meinde St. Andreas und die Diako­ni­sche Gesell­schaft Wohnen und Beraten haben die emotional aufrüt­telnde Wander­aus­stel­lung „Kunst trotz(t) Armut“ nach Braun­schweig geholt. Die Ausstel­lung ist vom 3. Juli bis zum 16. August in der St. Andre­as­kirche zu sehen. Darüber hinaus gibt es ein umfang­rei­ches, eigen­stän­diges Begleit­pro­gramm. Darunter befinden sich spezielle Stadt­füh­rungen und auch eine Podiums­dis­kus­sion (alle Programm­punkte siehe unten).

Die Ausstel­lung vereinigt etwa 100 Arbeiten renom­mierter Künst­le­rinnen und Künstler wie Joseph Beuys, Sigmar Polke, Jörg Immendorf oder Klaus Staeck, die sich mit den Themen Armut und Wohnungsnot ausein­an­der­setzen. Gezeigt werden Zeich­nungen, Gemälde, Instal­la­tionen, Plastiken und Fotogra­fien, unter anderem auch vom Braun­schweiger Fotografen Klaus G. Kohn. Die Arbeiten machten Armut sichtbar, ohne zu entblößen, heißt es in einer gemein­samen Mittei­lung von Kirchen­ge­meinde und Wohnen und Beraten.

Weiter heißt es darin: „Die Ausstel­lung zeigt den künst­le­ri­schen Blick auf Armut und Ausgren­zung, aber auch die Ausein­an­der­set­zung und Verän­de­rung der eigenen Armuts- und Ausgren­zungs­si­tua­tion durch künst­le­ri­sche Arbeit. So wurden beispiels­weise durch die Umgestal­tung eines Berliner Obdach­lo­sen­heims durch Miriam Kilali gemeinsam mit den dort lebenden Menschen würde­volle Lebens­räume geschaffen.“

In Braun­schweig, so der Veran­stalter, lebten 400 Betrof­fene ohne Wohnung. Ausstel­lung und Begleit­pro­gramm wollen das Thema auch in den kommu­nalen Fokus rücken und die Frage klären, ob die Gesell­schaft nichts unver­sucht lässt, um die Missstände zu beheben.

Armut und Wohnungsnot rückten Betrof­fene an den Rand der Gesell­schaft, erklären die Veran­stalter. Oft seien die Ursachen dafür drama­ti­sche Brüche in den Biogra­fien, etwa durch den Verlust des Partners, eines Kinders, durch Ausein­an­der­bre­chen der Familie oder durch den Verlust des Arbeits­platzes. Wer das Leben dieser Menschen kenne, dem sei klar, dass die Vorstel­lung von einem selbst­ge­wählten Leben auf der Straße ein Mythos ist. Am Ende stehe bei diesen Menschen tiefe Traurig­keit, Verbit­te­rung, Resigna­tion.

„Kunst ist ein ideales Medium, um auf unkon­ven­tio­nelle Art und Weise gesell­schaft­liche Missstände und soziale Probleme sichtbar werden zu lassen“ schreibt Andreas Pitz, Projekt­leiter und Kurator der Ausstel­lung, und veran­schau­licht damit die Idee, die vor einigen Jahren im Vorstand der Evange­li­schen Obdach­lo­sen­hilfe in Deutsch­land geboren wurde. „Armut und Obdach­lo­sig­keit haben als Thema in Kunst und Kultur eine lange Tradition“, erklärt Pitz in seinem Beitrag zum Katalog weiter.

Im Juli 2010 wurde die Ausstel­lung anläss­lich des Europäi­schen Jahres gegen Armut und soziale Ausgren­zung gezeigt. Die Ausstel­lung wurde im Rahmen der „Kultur Ruhr 2010“ in Dorsten und 2012 in der documenta-Halle in Kassel präsen­tiert. Seither machte sie Station in mehreren deutschen Städten und sorgte stets für Aufmerk­sam­keit. Die Ausstel­lung wurde unter anderem in Frankfurt am Main, Hannover, Heidel­berg, Köln, Bremen, Nürnberg, Speyer, Leipzig, Passau, Offenburg, Mainz, Wiesbaden, Saarbrü­cken, Bern und Düssel­dorf und Kassel gezeigt. Jetzt ist sie in Braun­schweig, und der Besuch lohnt sich.

Fakten

Dauer: 3. Juli – 16. August
Ort: St. Andreas-Kirche, An der Andre­as­kirche 1, 38100 Braun­schweig

Eröffnung: 3. Juli 2015, 19 Uhr,

Führungen: Regel­mä­ßige Führungen durch die Ausstel­lung ab Sonntag, 5. Juli 2015 (jeweils Sa/ So 15 Uhr und Di./Do 16 Uhr). Extra­füh­rungen für Schüler- und andere Gruppen sind möglich. Anmeldung und Termin­ab­sprache: 0531/886314–20

Begleit­aus­stel­lung: „Armut – Werbe­kam­pa­gnen und andere Denkver­suche. Eine Ausstel­lung von Abitu­ri­enten der Gaußschule, erarbeitet unter der
Leitung von Susanne Reimnitz im Kunst-Leistungs­kurs: Kann Kreati­vität
in und gegen Armut wirken? Mo–Fr, 9–16 Uhr, Foyer der Volks­hoch­schule Braun­schweig Alte Waage, Alte Waage 15, 38100 Braun­schweig

Sonder­füh­rung: Braun­schweig mal anders –alter­na­tive Stadt­füh­rung. 15. Juli, 16 Uhr, 2. August, 11 Uhr, und 13. August, 14 Uhr. Start und Ziel jeweils am Info-Point der Deutschen Bahn, Haupt­bahnhof Braun­schweig Anmel­dungen unter: 0531–2322944 oder s.behrens@diakonie-dwb.de

Lesung: Draußen. Obdach­lo­sig­keit in der Literatur. Lesung mit Moritz Dürr (Staats­theater Braun­schweig) und Chris­tophe Vette (Staats­theater Braun­schweig), 12. Juli, 18 Uhr, St.-Andreas-Kirche, An der Andre­as­kirche 1, 38100 Braun­schweig

Podiums­dis­kus­sion: Kunst trotz(t) Armut. Gehört die Zukunft unserer Stadt nicht uns allen? Teilnehmer: Dr. Andrea Hanke (Sozial­de­zer­nentin Stadt Braun­schweig), Ulrike Hatzer (Regis­seurin, Staats­theater Braun­schweig), Hans-Peter Daub (Vorstands­mit­glied Dachstif­tung Diakonie), Ralf Kallei­cher (Wohnungs­wirt­schaft Braun­schweig), Jürgen Schneider (Armuts­netz­werk), Armin Maus, Modera­tion (Braun­schweiger Zeitung), 14. Juli, 19 Uhr, St.-Andreas-Kirche, An der Andre­as­kirche 1, 38100 Braun­schweig

Theater
Marie/Woyzeck. Ein Projekt des Stadt-Theaters (Staats­theater Braun­schweig)
nach Georg Büchners „Woyzeck“. Die Produk­tion des Stadt-Theaters richtet ihren Blick – wie Büchner in seinem Fragment geblie­benen Stück – auf den unteren Rand der Gesell­schaft. Was müssen Menschen alles tun, um ihren Lebens­un­ter­halt
zu sichern? Wofür halten sie her mit ihrem Leib? 18. Juli , 18 Uhr, 19. Juli, 18 Uhr, Haus Drei des Staats­thea­ters, Hinter der Magni­kirche 6A, 38100 Braun­schweig

Finissage
Kunst trotzt Armut. 16. August 15 –17 Uhr, St.-Andreas-Kirche, An der Andre­as­kirche 1, 38100 Braun­schweig

Fotos

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