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Kunst trotz(t) Ausgrenzung

Die Skulpur „Odyssee“ von Georg-Friedrich Wolf wird vor der Brüdernkirche stehen. Foto: Daniel Penschuck
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An drei Standorten in Braunschweig: Mehr als 50 Künstlerinnen und Künstler beteiligen sich an der national bedeutenden Ausstellung, die für mehr Toleranz wirbt.

Kunst spricht eine deutliche Sprache. Mehr als 50 Künstlerinnen und Künstler haben sich unter dem Dach der Ausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ zusammengeschlossen, um gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus in Deutschland aufzubegehren. Die mehr als 200 Ausstellungsobjekte, die Kurator Andreas Pitz im Auftrag der Diakonie Deutschland zusammengetragen hat, sind dabei teilweise schon drei Jahrzehnte alt. Keines der Exponate ist speziell für die Ausstellung angefertigt worden. Die Künstlerinnen und Künstler hatten sich schon vorher eindeutig  positioniert. Die geballte Zusammenstellung ist es, die eine große Kraft freisetzt. Unter den Künstlern befinden sich so bekannte Namen wie Christo, Günther Grass, Klaus Staeck oder Wolfgang Niedecken. Mit Klaus G. Kohn ist auch ein Braunschweiger Fotograf vertreten.

Die Wanderausstellung war zunächst in der Documenta-Halle in Kassel zu sehen und verzeichnete 3.000 Besucher. Die zweite Station ist nun Braunschweig vom 18. August bis zum 31. Oktober. Ausstellungsorte sind die Kirchen St. Ulrici-Brüdern und St. Andreas sowie das Braunschweigische Landesmuseum. Die Ausstellung ist Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Veranstalter in Braunschweig sind die  Evangelische Akademie Abt Jerusalem – Theologisches Zentrum Braunschweig, die  Diakonie-Stiftung im Braunschweiger Land, die Kirchengemeinde St. Andreas und das  Braunschweigische Landesmuseum. Schirmherr ist Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Die Ausstellung in Braunschweig wird unterstützt von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK).

„In den letzten Jahren haben rechtspopulistische Bewegungen einen enormen Aufschwung erlebt. Die Ablehnung demokratischer Grundwerte, Ideologien von angeblicher Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen nehmen deutlich zu. Mit den Wahlerfolgen der AfD und ihrem Einzug in den Deutschen Bundestag sind rechte Parolen und völkische Ideologien hoffähig geworden. Angesichts dieser Entwicklung habe ich den Auftrag der Diakonie Deutschland, eine Ausstellung zu kuratieren, die sich Ausgrenzungstendenzen entgegen stellt, gerne angenommen. Zeitgenössische Kunst ist ein ideales Medium, gesellschaftlich relevante Themen in der Öffentlichkeit aus einer neuen Perspektive in den Blick zu nehmen und in die Mitte der Gesellschaft zu tragen“, schreibt Kurator Pilz in seiner Einführung zur Ausstellung.

Das Phänomen der Fremdenfeindlichkeit sei dabei nicht neu, meint er und verweist auf Arbeiten aus den 1990er Jahren, die sich auf rassistisch motivierten Ausschreitungen in Hoyerswerda am 17. und 23. September 1991 beziehen, als Rechtsextremisten ein Flüchtlingswohnheim angriffen und hunderte Schaulustige nicht eingriffen, sondern teilweise sogar applaudierten. Unter dem Motto „Flagge zeigen“ hatte Klaus Staeck, der bekannte linke Grafiker und damalige Präsident der Akademie der Künste, damals Kunstschaffende aufgefordert, mit künstlerischen Mitteln auf die Ereignisse zu reagieren. Aus der daraus 1994 entstandenen Mappe werden 22 der 35 Druckgrafiken gezeigt.

Er selbst beschreibt die damalige Kampagne wie folgt: „Künstlerinnen und Künstler zeigen Flagge für demokratisches Engagement, gegen Gewalt, Fremdenhass und Verdrängung – keine Spur von Verdrossenheit, Rückzug oder gar Flucht. Sie mischen sich mit ihren Mitteln in die Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft ein.“ Das gilt bis heute.

Ein besonderes imposantes Projekt ist in diesem Sinn die Skulptur „Odyssee“ von Georg Friedrich Wolf. Vier Monate lang arbeitete der Stahlbildhauer mit rund hundert geflüchteten Menschen aus Afghanistan, Syrien und dem Iran daran. Herausgekommen ist eine sieben Tonnen schwere Skulptur, die an ein gestrandetes Floß denken lässt. Unzählige handgeschmiedete Eisennägel halten es zusammen. Wolf erinnert mit dem Floß „Odyssee“ an Homers gleichnamige Dichtung – als ein Synonym für eine nicht enden wollende Irrfahrt. Das Kunstwerk wird auf dem Platz vor der Brüdernkirche sicher das öffentlichkeitswirksamste Exponat dieser bemerkenswerten Ausstellung.

Der Braunschweiger Fotograf Klaus G. Kohn hat sieben großformatige Portraits aus seiner Serie Credo beigesteuert. Gezeigt werden Menschen, die sich in Haltung, Kleidung und auch Denkweisen unterscheiden. Sie treten mit den Betrachtenden in einen Dialog und stehen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz. Seine Fotografien zeigen, dass „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ weiter gefasst ist. Der öffentliche Diskurs soll gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit insgesamt anprangern. Es geht auch um die Abwehr gesellschaftlicher Ausgrenzung durch Armut, Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Behinderung oder einfach Anderssein.

„Diese Ausstellung ist eine Widerstandsausstellung. Sie widersteht der Gewohnheit und der Gewöhnung. Sie widersteht der Anpassung. Diese Ausstellung ist eine Aufforderung zum Widerstand; die Aufforderung richtet sich an jeden, der diese Ausstellung besucht“, schreibt Prof. Dr. Heribert Prantl von der Süddeutsche Zeitung in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog. Die Bilder und Skulpturen ließen die Betrachter  einfach dastehen und nachdenken: „Schau hin, schau nochmal hin, noch schärfer! Gewöhne Dich nicht an Zustände, an die Du Dich nicht gewöhnen darfst.“

Die Ausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ soll bis 2019 an insgesamt acht Orten präsentiert werden.

Veranstalter in Braunschweig:

Evangelische Akademie Abt Jerusalem – Theologisches Zentrum Braunschweig,  Diakonie-Stiftung im Braunschweiger Land, Kirchengemeinde St. Andreas zu Braunschweig, Braunschweigisches Landesmuseum.

Partner in Braunschweig:

Aktion Brückenbau e.V., Café Kreuzgang (zusammen mit Mehrwerk gGmbH), Diakonische Gesellschaft – Wohnen und Beraten, Braunschweig mit dem Tagestreff Iglu, Evangelische Stiftung Neuerkerode, Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Katharinen Braunschweig, Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig – Arbeitsbereich Kinder- und Jugendarbeit, Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig – Arbeitsbereich Kindertageseinrichtungen, Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig – Arbeitsbereich Religionspädagogik und Medienpädagogik, Hospiz am Hohen Tore, Hospizarbeit Braunschweig e.V., Jugendkirche Braunschweig, mit Uns Gemeinde Braunschweig, Stadt Braunschweig – Dezernat für Kultur und Wissenschaft, Treffpunkt Oase, Weihnachten für alle.

Ausstellungsorte und Öffnungszeiten:

St.-Andreas-Kirche und Kirche St. Ulrici-Brüdern:
Di. – So.,  13 – 19 Uhr, Mo. geschlossen
Braunschweigisches Landesmuseum:
Di. – So., 10 – 17 Uhr, Mo. geschlossen
jeden 1. Dienstag im Monat,  10-20 Uhr
Der Eintritt ist frei.

Service für Informationen, Anmeldungen und Buchungen:

Mo. – Fr., 10 – 17 Uhr
Tel. 0531-1225 2424
E-Mail: buchung.blm@3landesmuseen.de

Informationen zur Ausstellung:

www.kunst-trotzt-ausgrenzung.de
www.abt-jerusalem-akademie.de

Fotos

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