Mit der Herzogin in die Berge

Spaß am Wandern: das Herzogspaar Victoria Luise und Ernst August (hier in Gmunden). Archivfoto: Bernd Wedemeyer

Objekt des Monats, Folge 4: der Storm Reise­führer „Durch den Harz und das Kyffhäu­ser­ge­birge“.

Ein Wander­buch aus dem Besitz der letzten Braun­schwei­gi­schen Herzogin Victoria Luise (1892–1980)? Ja! Ihre typisch verschlun­genen Initialen VL zieren den inneren Buchde­ckel. Der Storm Reise­führer „Durch den Harz und das Kyffhäu­ser­ge­birge“, mit einem Titel in Goldschrift auf dem grün geprägten Leder­ein­band, mutet gediegen an und ist dennoch ein normaler, sehr nützli­cher Reise­be­gleiter.

Heraus­ge­geben wurde das Buch 1926 in Leipzig von der großen „Kursbuch- und Verkehrs-Verlags­ge­sell­schaft“. Der flotte Titel aus Block‑, Kursiv- und Schreib­schrift verheißt Wander­freuden. Das mit 16 x 11 Zenti­me­tern kleine Buchformat ermög­licht eine einfache Handha­bung. Vorge­stellt werden auf 230 Seiten samt Karten­ma­te­rial die Anfahrt ins Gebirge, Ortschaften, die Kosten von Hotels, Sehens­wür­dig­keiten, Wander­wege inklusive Schwie­rig­keits­graden, medizi­ni­sche Bäder, Cafés, Reise­ab­ste­cher und noch vieles mehr. Solch ein Reise­führer aus dem Besitz der Herzogin, dessen Werbeteil noch weitere Landschaften zum Besuch empfiehlt, darf nicht verwun­dern.

Vorder­seite des Storm Reise­füh­rers „Durch den Harz und das Kyffhäu­ser­ge­birge“. Foto: Bernd Wedemeyer

Vorliebe für Berge

Nach dem Verlust der Herzogs­würde durch die Revolu­tion von 1918 fand die junge Familie zunächst im Alpenraum eine neue Heimat. Ernst August (1887–1953), der vormalige Braun­schwei­gi­sche Herzog, war im Welfen­schloss in Gmunden am Traunsee, in der Bergwelt des Salzkam­mer­guts, aufge­wachsen. Die an die flache Mark Branden­burg gewohnte Preußin Victoria Luise teilte aber bald mit ihrem Mann die Vorliebe für die Berge und Alpen­wiesen. Sie war zur Natur­freundin geworden.

In ihren Erinne­rungen schreibt Victoria Luise, dass ihre Familie in der Villa Weinberg nahe beim Gmundener Schloss die glück­lichsten Jahre verlebt habe. Als Privat­leute in robuster Kleidung, in Joppe, Rock, Knicker­bo­ckern und Stiefeln, versorgt aus dem Rucksack, erwan­derten sie die Berge. Sie mussten niemandem mehr etwas abringen wie es noch bei ihren Standes­ge­nossen im 19. Jahrhun­dert war: so bei Königin Marie von Bayern, ihrem Sohn Ludwig (II.) und bei der öster­rei­chi­schen Kaiserin Elisabeth, die alle gerne wanderten und damit ihre Begleiter nicht selten zur Verzweif­lung trieben. Victoria Luise blieb ihrer Vorliebe bis ins hohe Alter treu.

Rückkehr nach Blanken­burg

Vor diesem Hinter­grund wird verständ­lich, warum sie, nachdem 1926 der Umzug in das zurück­er­hal­tene Braun­schwei­gi­sche Blanken­burg im Harz erfolgt war, sich auch für die nähere Entde­ckung des Harzes entschied und das Wander­buch erwarb. Sie erhoffte sich davon auch den Kindern die einstige Heimat wieder näher zu bringen. Und über Blanken­burg berichtet der Reise­führer in der Tat ausführ­lich. Gewandert wurde wieder in Bergklei­dung und die 10–15jährigen Kinder erscheinen auf den Famili­en­fotos nicht unwillig, dem grünen Wander­buch wohl vertrauend.
Pfleglich behandelt sieht das Buch, eine private Schenkung für die Sammlung der Richard Borek Stiftung, noch heute wie neu aus. Es überdau­erte auch die Flucht der Familie 1945 auf die Marien­burg und 1956 die Umsie­de­lung der Herzogin nach Braun­schweig. Für Victoria Luise barg das kleine Buch viele Erinne­rungen, die halfen, es für die jüngere Gegenwart zu erhalten.

Die Initialen VL zieren die Innen­seite des Buchde­ckels. Foto: Bernd Wedemeyer

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