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Museumsbesuch mit Herrn Kale

Mario Wenzel-Becker als Bürgermeister Jobst Kale im Braunschweigischen Landesmuseum. Foto: Meike Buck
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Für die Sonderausstellung „Im Aufbruch. Reformation 1517–1617“ schlüpft Gästeführer Mario Wenzel-Becker in die Rolle des Braunschweiger Bürgermeisters Jobst Kale. Als jovialer Geschäftsmann und Politiker des 16. Jahrhunderts bringt er den Gästen die Ideen der Reformation und ihre Verbreitung in Braunschweig kurzweilig näher.

„Gehabt Euch wohl, meine lieben Leute.“ In schwarzen Brokat gehüllt, ein beeindruckendes Barett auf dem Kopf, die goldene Bürgermeisterkette vor der Brust begrüßt Jobst Kale alias Mario Wenzel-Becker die Besucher. Zwei Stunden führt er durch das Museum Hinter Aegidien, das Vieweghaus und die Kirche St. Ulrici-Brüdern. Die vom Braunschweigischen Landesmuseum und der Evangelischen Akademie Abt Jerusalem organisierte Ausstellung „Im Aufbruch. Reformation 1517–1617“ wird unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigischen Stiftung gefördert.

Jobst Kale ist ein idealer Gesprächspartner für die Zeit der Reformation in Braunschweig, nicht nur, weil er Zeitzeuge der Ereignisse war. Er stammte aus einer der bedeutenden Familie, die über Jahrhunderte die Ratspolitik in Braunschweig mitbestimmte. 1541 saß der Goldschmiedemeister erstmals im Rat der Altstadt, als Zeugherr war er zudem für die Waffenkammer der Stadt verantwortlich.

Im Museum Hinter Aegidien berichtet Kale von dem Mönch Gottschalk Kruse, der bereits früh von den Ideen Martin Luthers überzeugt war und 1521 die erste reformatorische Predigt in Braunschweig hielt. „Da war ich als junger Mann allerdings nur Zaungast“, bedauert Kale. Trotzdem erläutert er mithilfe der ausgestellten Objekte anschaulich das Leben hinter den Klostermauern und die Auswirkungen, die das Bekenntnis zum reformatorischen Gedankengut für Kruse hatten.

Seit 2009 ist Wenzel-Becker zertifizierter Stadtführer und bietet auch Kostümführungen an. „Die erste Rolle war ein Büttel bei einer Stadtführung zur Hexenverfolgung“, erinnert er sich. Mittlerweile verkörpert er Herzog Carl I. und Charles Darwin im Naturhistorischen Museum, Herzog Carl Wilhelm Ferdinand und August Merges im Schlossmuseum, bietet Stadtführungen als Hermen Bote und Konrad Koch an – die Liste der Charaktere ist lang und vielfältig. Sie entstehen oft auf Anfrage und Wunsch einer Institution oder als eigene Ideen, in jeder Figur stecke viel Herzblut. Bei der Erarbeitung der Führungen beschäftigt sich Wenzel-Becker intensiv mit den historischen Persönlichkeiten. Bei Kale beeindruckten ihn vor allem das diplomatische Geschick und die politische Erfahrung. So führte der Bürgermeister die Braunschweiger Delegation an, um nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg gegen Kaiser Karl V. 1547 bei ihm um die Aussöhnung zu bitten.

Besonders in den Themenbereichen in der Hauptausstellung im Vieweghaus kennt Kale sich aus. Die Situation in Braunschweig und die Auseinandersetzungen der Stadt, die 1528 die Reformation einführte, mit dem Herzogtum, das katholisch blieb, hat er schließlich maßgeblich mitgestaltet. Seit 1560 stand er zudem als Bürgermeister an der Spitze der städtischen Verwaltung. Unter Kales charismatischer Führungspersönlichkeit erlebte die Stadt nach politisch unruhigen Zeiten und kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihrem Landesherrn ruhigere Jahre, seit 1542 war auch das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel – zunächst – protestantisch.

In dem Kostüm für Jobst Kale steckt jede Menge Detailarbeit, Wenzel-Becker legt viel Wert auf die Authentizität. Für das Barett verarbeitete die Modistin unter anderem 80 Straußenfedern, jeder Knopf des Wamses ist handgestickt. Mitunter ist die Suche nach historischen Vorlagen für die Kostüme regelrechte Detektivarbeit. „Es gibt kaum Abbildungen von Schuhen“, berichtete Wenzel-Becker. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg hätte schließlich mit Schuhen aus einer archäologischen Grabung helfen können, die dem Schuster als Vorlage dienten. Wenzel-Becker lächelt. „Aber er hat ein wenig geschummelt.“ Damals gab es keine Unterscheidung zwischen rechten und linken Schuhen, aus Gründen der Bequemlichkeit hätte der Schuster diese allerdings eingearbeitet.

Schließlich muss Kale gut zu Fuß sein, er ist viel unterwegs. „Bei der Beschäftigung mit der Figur und der Zeit sind so viele spannende Geschichten herausgekommen. Das wäre viel zu umfangreich für eine Führung gewesen.“ So konzipierte Wenzel-Becker neben dem Rundgang durch die Reformationsausstellung zwei Stadtführungen für den Bürgermeister.

Der historische Kale starb 1584 und wurde in der St. Martini-Kirche bestattet. Dort erinnert ein Epitaph an den Bürgermeister und seine Frau Anna Wolemann. Zuvor nimmt er die Besucher aber noch mit in die Kirche St. Ulrici-Brüdern. Hier wird die Einführung der von Johannes Bugenhagen erarbeiteten reformatorischen Kirchenordnung in Braunschweig thematisiert. Am authentischen Ort sind anschaulich die Auswirkungen der neuen Glaubenslehre auf die Kircheneinrichtung und die -architektur zu erkennen.

Der Rundgang endet im „Café Kreuzgang“, das für die Dauer der Ausstellung im Kreuzgang des ehemaligen Brüdernklosters eingerichtet wurde. Bei einer Brezel und einem Getränk ist Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Über das Gesehene und Gehörte, den Umbruch, den Luther mit seinen 95 Thesen auslöste und was Reformation für Braunschweig bedeutete. Oder auch über die so eindrucksvolle Kopfbedeckung des Herrn Kale.

Informationen

Ausstellung „Im Aufbruch. Reformation 1517–1617“ noch bis 19. November 2017 im Museum Hinter Aegidien, im Braunschweigischen Landesmuseum am Burgplatz und in der Kirche St. Ulrici-Brüdern.

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, jeden 1. Dienstag im Monat 10 bis 20 Uhr, Montag geschlossen

Standort St. Ulrici-Brüdern: Dienstag bis Samstag 10 bis 18 Uhr, Sonntag 12 bis 18 Uhr, Montag geschlossen

Das Café Kreuzgang ist während der Öffnungszeiten am Standort St. Ulrici-Brüdern geöffnet.

Eintrittspreise

Der Eintritt berechtigt zum einmaligen Besuch aller drei Ausstellungsorte, inkl. Kindermuseum, auch an verschiedenen Tagen.

Erwachsene / ermäßigt 9 € / 7 €

Kinder (6 bis 17 Jahre) 4 €

Freier Eintritt für Kinder bis 5 Jahre

Familienkarte 1 (1 Erwachsener + max. 3 Kinder) 11 €

Familienkarte 2 (2 Erwachsene + max. 3 Kinder) 18 €

Kostümführungen

Öffentliche Führungen mit Jobst Kale alias Mario Wenzel-Becker jeden 1. Dienstag im Monat

Dauer 120 Minuten

Kosten 16 € inkl. Imbiss

Für Gruppen buchbar unter: buchung@3landesmuseen.de

Mehr zu Mario Wenzel-Becker und seinen Führungen unter: www.braunschweig-entdecken.de.

 

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