Musik für eine Königin

Der eigentliche Star der Schöninger Orgeltage ist die Jonas-Weigel-Orgel selbst. Foto: Michael Künne
Der eigentliche Star der Schöninger Orgeltage ist die Jonas-Weigel-Orgel selbst. Foto: Michael Künne

Bereits zum 23. Mal finden vom 26. November bis 3. Dezember 2017 in der St. Vincenz-Kirche die Schöninger Orgeltage statt. Neben verschie­denen Künstlern mit einem abwechs­lungs­rei­chen Programm stets in der Haupt­rolle: die barocke Jonas-Weigel-Orgel.

„Sie ist der Grund für diese Veran­stal­tungs­reihe“, erzählt Matthias Laidler, Kantor der beiden Schöninger Kirchen St. Vincenz und St- Lorenz und seit 23 Jahren Organi­sator der Konzerte. Das besondere für ihn ist das Instru­ment, das der Orgel­bauer Jonas Weigel 1648 speziell für die St. Vincenz-Kirche konzi­pierte. Laidler schwärmt: „Das Zusam­men­spiel zwischen der Orgel und dem Kirchen­raum ist wunderbar!“ 1994 wurden umfang­reiche Restau­rie­rungs­ar­beiten an der „Königin der Instru­mente“ abgeschlossen, die Wieder­ein­wei­hung feierte die Kirche mit einer beson­deren Konzert­reihe. „Zunächst waren es reine Orgel­kon­zerte“, erzählt Laidler. „Später haben wir angefangen, Besetzung und Inter­preten zu variieren.“ Kleines Ensemble oder großes Orchester, gestan­dene Konzert­mu­siker oder junge Hochschul­ab­sol­venten – die Bandbreite ist groß. Laidler will damit unter­schied­liche Zuhörer anspre­chen, regel­mäßig gibt es auch Kinder­kon­zerte. Die Schöninger Orgeltage werden gefördert von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Den Auftakt in die Reihe bildet ein Konzert der etwas anderen Art – ganz ohne Orgel: das Ensemble musica assoluta bringt das 1917 kompo­nierte Werk von Igor Stravinsky L’Histoire du Soldat (Die Geschichte vom Soldaten) in einer halbsze­ni­schen Insze­nie­rung auf die Bühne. Der am Schau­spiel­haus Braun­schweig engagierte Schau­spieler Götz van Ooyen wagt es, alle vier Rollen – Erzähler, zwei Schau­spieler, eine Tänzerin – selbst zu übernehmen. Die Geschichte des Soldaten, der dem Teufel seine Geige für ein Reichtum verspre­chendes Buch tauscht, stammt aus einer Sammlung russi­scher Märchen. Die auf Violine, Kontra­bass, Klari­nette, Fagott, Kornett, Posaune und Schlag­zeug reduzierte Instru­men­tie­rung, die Präsenz der Musiker auf der Bühne statt im Orches­ter­graben sowie der Einsatz von Sprechern an Stelle von Sängern verbinden sich zu einem faszi­nie­renden Werk zwischen gaukler­haftem Märchen­spiel und epischem Musik­theater.

Mit dem Konzert „Kirche trifft Synagoge“ will Laidler eine musika­li­sche Tradition wieder­be­leben. Die Geschichte der jüdischen Musik reicht Jahrtau­sende zurück – Gesang und Instru­men­tal­spiel waren fester Bestand­teil des Jerusa­lemer Tempel­kultes. Nach der Zerstö­rung des Tempels im Jahr 70 wurde im Gottes­dienst bewusst auf Instru­men­tal­musik verzichtet – zum einen aus Trauer um die Zerstö­rung des Heilig­tums, zum anderen aus Sorge, durch die Pflege der Instru­mente eventuell das Gebot der Sabbat­ruhe zu verletzten. Über viele Jahrhun­derte hinweg war der jüdische Gottes­dienst musika­lisch durch den Wechsel­ge­sang zwischen dem Solo des Vorbeters (Scheliach Zibbur) bzw. Kantors (Chasan) und dem Antworten der Gemeinde geprägt. Erst mit den Reform­be­we­gungen im 19. Jahrhun­dert änderte sich diese Tradition, jüdisch-litur­gi­scher Musik wurde zu einem festen Bestand­teil des Kultur­le­bens. Auch die Orgel hielt Einzug in die Synagogen, der jüdische Kammer­agent Israel Jacobsohn baute 1810 in Seesen am Harz als erster ein solches Instru­ment in seinem Tempel ein. Der ukrai­ni­sche Bratschist Semjon Kalinowsky und der belgische Organist Ignace Michiels haben Synago­gen­musik des 19. und 20. Jahrhun­derts in Archiven ausge­graben und möchten damit an diese histo­ri­sche Tradition der jüdischen Musik in Gottes­häu­sern anknüpfen.

Das Abschluss­kon­zert widmet sich in diesem Jahr zwei der bekann­testen virtuosen roman­ti­schen Stücke für Tasten­in­stru­mente: Neben dem berühmten 1. Klavier­kon­zert von Tschai­kowsky wird die 5. Orgel­sym­phonie von Charles Marie Widor erklingen – an der barocken Jonas-Weigel Orgel nicht nur für den Inter­preten, sondern auch für den Regis­tranten eine Heraus­for­de­rung. Für den Klavier­part konnte Laidler die junge Pianistin Anne Riedler gewinnen. Obwohl gerade erst ihr Studium an der Mannes School in New York abgeschlossen, sammelte sie bereits inter­na­tio­nale Erfahrung und wurde mit zahlrei­chen Preisen ausge­zeichnet. Ein „alter Bekannter“ hingegen ist das Orchester camerate instru­men­tale Berlin und den Schöninger Zuhörern von früheren Orgel­tagen und Konzerten des Konzert­chores und der Kantorei bekannt.

Die Konzerte

Sonntag, 26.11.2017, 17.00 Uhr
Eröff­nungs­got­tes­dienst
Gospel­chor „Joyful voices“
Predigt: Bischof Christoph Meyns

Montag, 27.11.2017, 19.00 Uhr
musica assoluta
„L’His­torie du Soldat“ von Igor Strawinsky
Sprecher: Götz van Ooyen
Leitung: Thorsten Enke

Dienstag, 28.11.2017, 19.00 Uhr
Orgel­kon­zert
Werke von Buxtehude und Bach
Orgel: Markus Mander­scheid, Wolfsburg

Mittwoch, 29.11.2017, 19.00 Uhr
Festkon­zert für Trompeten, Pauken und Orgel
Werke von Rameau bis Mussorkski
Trompe­ten­en­semble Leitung: Gheorghe Herdeanu
Orgel: Hans-Dieter Karras

Donnerstag, 30.12.2017, 19.00 Uhr
„Kirche trifft Synagoge“
Bratsche: Semjon Kalinowsky, Lübeck
Orgel: Ignace Michiels, Brügge

Sonntag, 3.12.2017, 17.00 Uhr
Abschluss­kon­zert
„Virtuose Tasten­ro­mantik“
Widor: Symphonie Nr. 5 f‑moll für Orgel
Tchai­kowsky: 1. Klavier­kon­zert b‑moll
Klavier: Anne Riegler, New York
Camerata Instru­men­tale, Berlin
Leitung und Orgel: Matthias Laidler

Eintritts­preise
Gottes­dienst frei
Ensemble Assoluta 20 Euro
Orgel­kon­zert 10 Euro
Festkon­zert 15 Euro
Kirche trifft Synagoge 12 Euro
Abschluss­kon­zert 25 Euro
Gesamt­karte 70 Euro

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