Neues Standard­werk über das Residenz­schloss

Schloss am Tag der Einweihung am 6. Mai 2007. Foto: Verlag
Schloss am Tag der Einweihung am 6. Mai 2007. Foto: Verlag

Autor Dr. Bernd Wedemeyer arbeitet sich durch die Geschichte des Ottmer­schen Pracht­baus mit den Schwer­punkten Debatten um den Wieder­aufbau und Umsetzung der Rekon­struk­tion.

Niemand hat sich so intensiv und wissen­schaft­lich fundiert mit dem Braun­schweiger Schloss ausein­an­der­ge­setzt wie Kunst­his­to­riker Dr. Bernd Wedemeyer. Dabei wusste er, als er als Student nach Braun­schweig kam, nicht mal, dass es überhaupt eins gegeben hatte. Er wunderte sich seiner­zeit aber schon über die Grünfläche mitten in der Stadt, dem einstigen Schloss­park, und merkte, dass da ganz offen­sicht­lich etwas Substan­ti­elles fehlte. Heute ist er der profunde Kenner des vom Braun­schwei­gi­schen Hofbau­meis­ters Carl Theodor Ottmer geschaf­fenen Pracht­baus schlechthin. Er hatte entschei­denden Anteil an der origi­nal­ge­treuen Fassaden-Rekon­struk­tion des 2007 einge­weihten Wieder­auf­baus. Wer sich also für das Braun­schweiger Schloss inter­es­siert, kommt an Dr. Wedemeyer nicht vorbei. Mit seinem jetzt erschienen Buch „Das Residenz­schloss Braun­schweig – vom Herzogs­sitz zum kultu­rellen Zentrum“ ist ihm ein neues Standard­werk zum Thema gelungen.

Das hochwer­tige, im Appelhans Verlag erschie­nene Buch, glänzt nicht nur mit seinem goldenen Einband, sondern mit der ganzen Geschichte des Braun­schweiger Schlosses. Natürlich vom Ottmer­schen Schloss­ent­wurf mit histo­ri­schen Plänen über die damalige Ausfüh­rung bis hin zum Abriss des kriegs­be­schä­digten Gebäudes im Jahr 1960. Die Geschichte des Schlosses war damit aber bekann­ter­maßen nicht beendet. Wedemeyer widmet sich zu mehr als der Hälfte der 316 Seiten mit dem was danach bis zur Rekon­struk­tion 2007 passierte. „Die Stadt hat einen Teil ihrer Identität zurück­er­halten, die sie – wie so viele andere Städte auch – im zweiten Weltkrieg verloren hatte. Der mit der Fertig­stel­lung des Ottmer-Baus 1841 begonnene Kreis hat sich geschlossen. Gut für Braun­schweig!“, schreibt Dr. Wedemeyer in seinem Schluss­wort.

Dem Buch ist an jeder Stelle anzumerken, dass es jemand verfasst hat, dem das Schloss besonders am Herzen liegt. Und dennoch hat es Dr. Wedemeyer geschafft, im wichtigen zweiten Teil, der die Debatten und Planungen des Wieder­auf­baus nach 2002 beschreibt, durch die wissen­schaft­liche Heran­ge­hens­weise eine dokumen­ta­ri­sche Distanz zu seinen eigenen Gefühlen zu wahren, die er bei der Präsen­ta­tion im „Roten Saal“ des Schlosses gar nicht erst zu verbergen sucht. Auf  Fakten, Archiv­ma­te­rial und Zeitungs­ar­tikel beruhen seine sachli­chen Schil­de­rungen. Auf einer wertneu­tralen Basis fußt dieser ausführ­liche Teil, der sich mit den Wider­ständen, Protesten, Klagen und heftigen Diskus­sionen befasst. Berück­sich­tigt hat der Autor auch eine Übersicht vieler überre­gio­naler Presse­stimmen, die sich meistens kritisch mit dem Braun­schweiger Hybrid aus Kultur­zen­trum einer­seits und Einkaufs­zen­trum anderer­seits ausein­an­der­ge­setzt hatten.

Im dritten Teil des Buchs beschäf­tigt sich Dr. Wedemeyer mit dem Bauver­lauf des neuen Schlosses. Er schildert die Schwie­rig­keiten, die Fassade origi­nal­ge­treu wieder aufzu­bauen, weil die Planun­ter­lagen aus den Braun­schwei­gi­schen Museen Ungenau­ig­keiten bei der Umrech­nung ins metrische Maß ergaben. Das Schloss war seiner­zeit nach „Braun­schwei­gi­schem Fuß“  berechnet worden. Und bei diesem Thema trat auch  die Begeis­te­rung für das Schloss während der Präsen­ta­tion bei Dr. Wedemeyer wieder zutage. „Wir haben von den sogenannten korin­thi­schen Kapitellen, die in den Fassaden der Freisäulen sitzen, von 18 benötigten 17 Stück wieder­be­kommen. Der Altstein-Anteil am Neubau des Schlosses auf die Fassa­den­länge von 260 Metern von dem Achsen­an­teil 11 Prozent Altsteine. Das ist ein bemer­kens­werter Wert für ein Gebäude, das ja 1960 im August völlig abgeräumt war“, sagte er.

Einge­flossen sind im ersten Teil des neuen Buches, der sich mit der Historie des Schlosses bis zum Abriss befasst, viele überar­bei­tete Passagen aus dem 1986 erschienen Vorgän­ger­werk Wedemeyers „Das ehemalige Residenz­schloss zu Braun­schweig – Eine Dokumen­ta­tion über das Gebäude und seinen Abbruch im Jahre 1960“ sowie aus dem Buch „Braun­schweiger Hofkultur – Ausstat­tung und Fragmente des ehema­ligen Residenz­schlosses“, dass Dr. Wedemeyer im Jahr 2000 gemeinsam mit  Eva-Maria Willemsen verfasst hatte.

Im Anhang finden sich die Reden des damaligen Braun­schweiger Oberbür­ger­meis­ters Dr. Gert Hoffmann und von Richard Borek, eine umfang­reiche Chrono­logie des Wieder­auf­baus, eine Liste der nicht reali­sierten Wieder­auf­bau­pläne nach 1945, eine Auswahl von Teil- und Vollre­kon­struk­tionen in Europa und vieles mehr.

 „Das Residenz­schloss Braun­schweig – vom Herzogs­sitz zum kultu­rellen Zentrum“

Autor: Dr. Bernd Wedemeyer

Heraus­geber: Richard Borek Stiftung

Format: 20,0 x 30,0 cm, Hardcover

Umfang: 316 Seiten, zahlreiche Abbil­dungen

Verkaufs­preis: 24,80 Euro

Appelhans Verlag, Braun­schweig 2017

ISBN 978–3‑944939–30‑8

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