Planungs­studie Europa­platz – so aktuell wie vor 21 Jahren

Der Europaplatz ist als Platz kaum wahrnehmbar. Foto: Der Löwe
Der Europaplatz ist als Platz kaum wahrnehmbar. Foto: Der Löwe

Die Vorschläge des Archi­tek­tur­büros KSP Engel und Zimmer­mann, von Stadt­planer Walter Ackers und Verkehrs­for­scher Manfred Wermuth verschwanden heimlich, still und leise in den Schub­laden.

Die Bedeutung des Fußgänger- und Radfah­rer­ver­kehrs am Europa­platz soll insgesamt gestärkt werden. Dem Fußgänger soll jedoch nicht nur als Verkehrs­teil­nehmer mit zielge­rich­teter Fortbe­we­gung mehr Bedeutung einge­räumt werden, sondern auch als Spazier­gänger und Flaneur, der das attrak­tive natur­räum­liche Potenzial des südlichen Innen­stadt­be­reichs nutzt.

Eigene Aufent­halts­qua­lität entwi­ckeln

Darüber hinaus soll die Erreich­bar­keit von Volks­wagen Halle und Bürger­park sowie der südlich des Europa­platzes gelegenen Flächen verbes­sert werden. Die städti­sche Wahrneh­mung dieser Bereiche soll gestärkt werden. Durch eine straffere räumliche Fassung soll der Europa­platz auch als Ort eine eigene Identität gewinnen. Das System der Grünflä­chen und der Vegeta­tion, soll aus einer Vielzahl zerstü­ckelter Restflä­chen erlebbare und nutzbare Freiräume machen, die eine eigene Aufent­halts­qua­lität entwi­ckeln.

Neue Relevanz für die Studie

Nein, das sind nicht die ersten Ergeb­nisse des durch den Bürger-Dialog „Denk Deine Stadt“ angesto­ßenen Integrierten Stadt­ent­wick­lungs­pro­zesses für den Europa­platz. Nein, es sind vielmehr Einschät­zungen aus einer Planungs­studie, die die Richard Borek Stiftung im Zusam­men­hang mit der Errich­tung der Volks­wagen Halle in Auftrag gegeben hatte. Sie stammt aus dem Februar 2000, aber sie verschwand heimlich, still und leise in den Schub­laden der Ämter und der Politiker. Jetzt bekommt sie neue Relevanz, weil die jetzt angekün­digten Planungen eben nicht bei null beginnen müssen. Es gibt ja mit der Studie eine fundierte Grundlage.

Ziel war es seiner­zeit aller­dings gewesen, zeitnah eine Diskus­sion über die Weiter­ent­wick­lung des Umfeldes anzustoßen und daraus möglichst konkrete Handlungs­per­spek­tiven zu entwi­ckeln. Die Ergeb­nisse sollten konkret genug sein, um mit Politik, Verwal­tung und Bürgern über die Umsetz­bar­keit quali­fi­ziert disku­tieren zu können, anderer­seits allgemein genug, um jenseits der augen­blick­li­chen Verfüg­bar­keit von Ressourcen bei Flächen, Geld und Kapazi­täten diese Diskus­sion zunächst inhalt­lich anzugehen, heißt es in der 42-seitigen Ausar­bei­tung.

Stadt­ge­stal­te­risch unbefrie­di­gend

Die Studie des Archi­tek­tur­büros KSP Engel und Zimmer­mann, das auch die Pläne für die Volks­wagen Halle entworfen hatte, wurde unter Mitwir­kung von Stadt­planer Walter Ackers und Verkehrs­for­scher Manfred Wermuth erstellt. Die Experten stellten schon damals fest: lm Zusam­men­hang mit den Diskus­sionen zum Standort und zur Konzep­tion der Volks­wagen Halle und den damit verbun­denen Fragen der Erschlie­ßung und der städte­bau­li­chen Einbin­dung ist deutlich geworden, dass der Europa­platz eine stadt­ge­stal­te­risch unbefrie­di­gende und funktional einsei­tige Situation darstelle.

Die Planungsstudie enthält konkrete Vorschläge. Foto: Der Löwe
Die Planungs­studie enthält konkrete Vorschläge. Foto: Der Löwe

Die Forderung war, über die Weiter­ent­wick­lung und die städte­bau­li­chen Poten­tiale dieses für das Stadtbild Braun­schweigs sehr bedeu­tenden Bereichs unter verän­derten Randbe­din­gungen neu nachzu­denken. Das wesent­liche Defizit des Areals um den Europa­platz bestehe in der absoluten Dominanz der Verkehrs­an­lagen für den Verkehr. Diese bestehe sowohl funktional als auch räumlich.

Unver­hält­nis­mäßig großer Flächen­ver­brauch

Die Aufsprei­zung der Fahrspuren, die großen Radien der Abbie­ge­spuren und die separate Führung der Stadt­bahn­trasse führe zu einem unver­hält­nis­mäßig großen Flächen­ver­brauch, dem keinerlei Aufent­halts­qua­li­täten gegen­über­stünden, heißt es in der Studie. Die Vielzahl und Breite der Brücken über den Umflut­graben und die Abdecke­lung der Ausmün­dung des Neustadt­müh­len­gra­bens im Bereich des Knotens Gieseler/Kalenwall verstüm­mele die topogra­fi­sche Situation der histo­ri­schen Wasser­läufe bis zur Unkennt­lich­keit.

Konkrete Handlungs­emp­feh­lungen

Durch die kompli­zierte Verkehrs­füh­rung gehe eine natür­liche Orien­tie­rung im Stadtraum und damit die Erleb­bar­keit von Stadt­grund­riss und Stadt­ge­schichte verloren, so dass diese nur noch über die sekun­dären Hilfs­mittel von Schildern und Hinweis­pfeilen möglich sei. Die isolierte Lage des Nahver­kehrs­kno­ten­punktes „Europa­platz“ außerhalb des städti­schen Zusam­men­hangs führe zu einer schlechten Anbindung für Fußgänger und verspielt als großes, monofunk­tio­nales Verkehrs­bau­werk die freiräum­li­chen Poten­tiale eines Stand­ortes direkt am Okerufer.

Dieser Plan zeigt die mögliche Fläche für Fußgänger nach entsprechender Umgestaltung. Foto: Der Löwe
Dieser Plan zeigt die mögliche Fläche für Fußgänger nach entspre­chender Umgestal­tung. Foto: Der Löwe

Der Europa­platz ist als Einfallstor zur Stadt alles andere als attraktiv. Die Studie enthält bereits konkrete Vorschläge, Handlungs­emp­feh­lungen und Alter­na­tiven. Es wäre sicher sinnvoll, sie intensiv zu studieren, bevor ein Planungs­pro­zess jetzt wieder bei null anfängt und viele Jahre bis zur Umsetzung benötigt. Der erste Schritt zur Verbes­se­rung des Europa­platzes ist längst von fachkun­diger Seite getan. Vor 21 Jahren!

 

Das könnte Sie auch interessieren