TU Braun­schweig: Leichte Beton-Brücken aus dem 3D-Drucker

So könnte die Brücke der Zukunft aussehen. Visualisierung: Yinan Xiao, Noor Khader - ITE/Braunschweig, Entwurf: Pierluigi D’Acunto, Ole Ohlbrock - ETH Zürich
So könnte die Brücke der Zukunft aussehen. Visualisierung: Yinan Xiao, Noor Khader - ITE/Braunschweig, Entwurf: Pierluigi D’Acunto, Ole Ohlbrock - ETH Zürich

Mit dem Verfahren könnten 50 bis 70 Prozent des Materials einge­spart werden. Das heißt: Der Kohlen­di­oxid­aus­stoß bei der Zement­pro­duk­tion würde sinken.

Auf dem Weg zur Klima­neu­tra­lität spielen gerade jene Indus­trien eine entschei­dende Rolle, die einen extrem hohen Energie­ver­brauch und Kohlen­di­oxid-Ausstoß haben. Die Zement­in­dus­trie ist eine davon. Beton ist das weltweit am häufigsten verwen­dete Material. Der Werkstoff aus Zement, Wasser und Gesteins­kör­nungen ist günstig, in großen Mengen verfügbar, lässt sich gut verar­beiten und ist lange haltbar. Aber: Die Herstel­lung des Zements ist für rund acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verant­wort­lich.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 01.10.2021 (Bezahl-Artikel)

Um diesen zu senken, forschen Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig daran, wie der immense Materi­al­ver­brauch beim Bauen reduziert werden kann. Wie die TU mitteilt, gehen sie an die Grenzen des 3D-Drucks und erzeugen mit einer neuen Technik filigrane Leicht­bau­struk­turen aus Beton. Das Projekt wird von der Volks­wa­gen­stif­tung gefördert.

50 bis 70 Prozent Material können damit laut der TU einge­spart werden

Mit Hilfe digitaler Prozesse könne das Material effizi­enter einge­setzt und deutlich weniger davon verbraucht werden. Beton werde nur dort im Bauteil abgelegt, wo man es auch tatsäch­lich benötige. 50 bis 70 Prozent Material können damit laut der TU einge­spart werden. Beteiligt sind das Institut für Baustoffe, Massivbau und Brand­schutz (iBMB) und das Institut für Tragwerks­ent­wurf (ITE). Während bislang üblicher­weise horizontal Schicht für Schicht gedruckt wird, um beispiels­weise eine Hauswand zu errichten, erfor­schen die beiden Institute jetzt ein ganz neues Verfahren.

Entwurf einer auf dem Prinzip der „Injection 3D Concrete Printing Technologie“ basierenden Brücke – in Zusammenarbeit mit Pieluigi D’Acunto und Ole Ohlbrock. Foto: ITE/TU Braunschweig
Entwurf einer auf dem Prinzip der „Injection 3D Concrete Printing Techno­logie“ basie­renden Brücke – in Zusam­men­ar­beit mit Pieluigi D’Acunto und Ole Ohlbrock. Foto: ITE/TU Braun­schweig

Die Teams um die Profes­soren Dirk Lowke, Kloft und Norman Hack entwi­ckeln ein 3D-Injek­ti­ons­druck-Verfahren, um leichte räumliche Struk­turen herzu­stellen. „Gerade im Betonbau ist es üblich, dass man die Wände massiv betoniert. Wir möchten jedoch eine leichte, aufge­löste Bauweise erreichen, die man eher von Holz oder Stahl kennt“, erklärt Lowke.

Beton­bau­teile sollen in der Fabrik gefertigt und vor Ort zusam­men­ge­setzt werden

Hierbei injizieren die Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler einen Betonstrang in ein Träger­me­dium und bilden dort eine filigrane räumliche Struktur. „Im Versuch ist die Träger­flüs­sig­keit ein durch­sich­tiges Gel. Für den großtech­ni­schen Anwen­dungs­pro­zess wollen wir dieses durch eine minera­li­sche Suspen­sion ersetzen, die günstiger, ökolo­gisch unschäd­lich und in großem Maßstab recycelbar ist“, so Lowke. Die Schwie­rig­keit bei diesem Verfahren: Die Träger­flüs­sig­keit muss perfekt auf den Beton und den robotisch gesteu­erten Prozess abgestimmt sein, um das Material in der gewünschten Position zu halten.

Wenn die Gesteins­mehl-Suspen­sion, die wie eine Schlamm­pa­ckung aussieht, abgelassen wird, bleibt die gitter­ähn­liche Struktur zurück. „Die Beton­bau­teile eignen sich zum Beispiel für Brücken oder Dachtrag­werke“, so der Wissen­schaftler. Diese sollen in der Fabrik gefertigt und vor Ort zusam­men­ge­setzt werden. „Neben dem CO2-Einspar­po­ten­zial können wir mit unserem Verfahren auch neue Möglich­keiten in der Archi­tektur schaffen, nämlich komplexe Geome­trien ohne räumliche Einschrän­kungen.“

Das Foto zeigt das Injizieren eines Betonstrangs in ein Trägermedium (Studentische Experimente aus der Lehrveranstaltung „Digital Building Fabrication Studio“; Studierende: Annahita Meshkini und Jan Zöllner). Foto: ITE/TU Braunschweig
Das Foto zeigt das Injizieren eines Beton­strangs in ein Träger­me­dium (Studen­ti­sche Experi­mente aus der Lehrver­an­stal­tung „Digital Building Fabri­ca­tion Studio“; Studie­rende: Annahita Meshkini und Jan Zöllner). Foto: ITE/TU Braun­schweig

Das Forscher­team verweist hier auf Brücken des Schweizer Bauin­ge­nieurs Robert Maillart und auf filigrane Formen wie sie einst der italie­ni­sche Bauin­ge­nieur Pier Luigi Nervi mit seinen „Ferro-Cemento“-Elementen schuf: „Solche Struk­turen werden heute nicht mehr herge­stellt, weil es zu aufwendig ist. Wenn wir jedoch eine Techno­logie haben, mit der wir so etwas in einer kosten­güns­tigen Art und Weise produ­zieren können, verhilft es diesen ressour­cen­ef­fi­zi­enten Struk­turen vielleicht zu einer neuen Renais­sance.“

Nicht nur Beton kommt aus der Düse, sondern auch ein Drahtseil

Auch an der Integra­tion der Bewehrung forscht das Projekt­team, damit die Struktur möglichst tragfähig ist. „Wir wollen Stahl­struk­turen eindru­cken oder im Betonstrang einen langen Metall- oder Faser­strang mitführen. Das ist die etwas heraus­for­dernde Variante. Damit kommt nicht nur Beton aus der Düse, sondern auch ein konti­nu­ier­li­ches Drahtseil, eine endlose Faser, die als Bewehrung dient“, so Professor Lowke.

Mit ihrem Projekt schauen die Braun­schweiger Exper­tinnen und Experten aus Bauin­ge­nieur­wesen und Archi­tektur deutlich in die Zukunft: Mit mindes­tens zehn Jahren rechnet Professor Lowke, bis die bereits paten­tierte 3D-Druck-Technik großtech­nisch einge­setzt werden kann. Zunächst wollen die Forschenden jedoch die Machbar­keit nachweisen und zeigen, dass es mit dem Verfahren möglich ist, bewehrte Beton­ele­mente herzu­stellen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 01.10.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article233470170/TU-Braunschweig-Leichte-Beton-Bruecken-aus-dem-3D-Drucker.html (Bezahl-Artikel)

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