Von Franken­berg kehrt als Bühnen­figur zurück

Szenenfoto mit (von links) Hans Stallmach, Kathrin Reinhardt, Ronald Schober. Foto: Klaus G. Kohn
Szenenfoto mit (von links) Hans Stallmach, Kathrin Reinhardt, Ronald Schober. Foto: Klaus G. Kohn

Das Theater Zeitraum widmet dem von den Natio­nal­so­zia­listen verfolgten früheren SPD-Abgeord­neten im Braun­schwei­gi­schen Landtag und Leiter des Natur­his­to­ri­schen Museums eine dokumen­ta­ri­sche Auffüh­rung.

Der Ort macht die dokumen­ta­ri­sche Auffüh­rung „Gerhard von Franken­berg – Ein Freigeist aus Braun­schweig“ zu etwas ganz beson­derem. Denn von Franken­berg war, bevor er von den Natio­nal­so­zia­listen verfolgt wurde und auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder, Direktor des Natur­his­to­ri­schen Museums, das nun für diesen einen Abend zur Bühne für das Schau­spiel über seinen früheren Leiter wird. Die Gesell­schaft für Natur­kunde e.V., der Förder­verein des Natur­his­to­ri­schen Museums, und das Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte (IBR) sind am 31. Januar (19 Uhr) Veran­stalter dieser Auffüh­rung des Theaters Zeitraum. Das Stück war bereits im Sommer 2017  mehrfach erfolg­reich in der Gaststätte „Glies­ma­roder Thurm“ gespielt worden.

Für Drama­turgie, Regie und Ausstat­tung zeichnet Gilbert Holzgang, Leiter des Theaters Zeitraum, verant­wort­lich. Seit 2000 setzt er mit einem freischaf­fenden Theater­en­semble dokumen­ta­ri­sche Theater­auf­füh­rungen um. Den Anfang machte „Den Teufel am Hintern geküsst“. Es war ein Stück über Macht, Musik und Medizin im “Dritten Reich”, insbe­son­dere über den Braun­schweiger Kompo­nisten Norbert Schultze. 18 weitere Stücke folgten bislang. Und ein nächstes ist für den Herbst in Planung.  Wenn die Finan­zie­rung steht soll das Thema der „Lessing-Bund“ sein – ein Kultur­verein, der mitten im Ersten Weltkrieg gegründet wurde und bis 1933 bestand.

Inspi­riert zu den dokumen­ta­ri­schen Auffüh­rungen hat Gilbert Holzgang eine Führung im Univer­si­täts­viertel zu den Wirkungs­stätten von Menschen, die im Dritten Reich unter den Natio­nal­so­zia­listen gelitten hatten. „Ich habe Braun­schweiger Persön­lich­keiten des 20. Jahrhun­derts im Fokus. Da kommt man an der Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht vorbei“, sagt Holzgang. Unter seiner Regie entstanden aber beispiels­weise auch Hörbücher zur Geschichte des Volks­wa­gen­werks, die die Histo­ri­sche Kommu­ni­ka­tion der Volks­wagen Aktien­ge­sell­schaft in Wolfsburg heraus­ge­geben hat und die im Buchhandel erhält­lich sind.

Gilbert Holzgang arbeitet bei all seinen Produk­tionen mit freien Schau­spie­lern zusammen. Bei der aktuellen Auffüh­rung sind es Kathrin Reinhardt als Bericht­erstat­terin, Hans Stallmach als Natur­wis­sen­schaftler von Franken­berg und Ronald Schobert als Politiker von Franken­berg. Aus dem Off kommt Andreas Döring als Marsbe­wohner von Franken­berg und liest einen Text als Epilog.

Die Auffüh­rung über Gerhard von Franken­berg dokumen­tiert die wichtigsten Szenen im Leben des sozial­de­mo­kra­ti­schen Hoffnungs­trä­gers in der dunklen natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Zeit. In das Schau­spiel werden Filme, Fotos und Musik einge­spielt. Als Quellen dienten unter anderem das Nieder­säch­si­sches Landes­ar­chiv in Wolfen­büttel, das Univer­si­täts­ar­chiv der TU Braun­schweig, das Bundes-Filmar­chiv in Berlin, das Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn sowie das 2006 erschie­nene Buch „Die Wahrheit soll man nie fürchten! Freigeis­tige Texte und Vorträge von Gerhard von Franken­berg.“

„Gerhard von Franken­berg ist zweifellos eine längst verges­sene, aber zugleich bedeu­tende Persön­lich­keit der Braun­schwei­gi­schen Geschichte. An ihn zu erinnern ist nicht nur ein notwen­diger Beitrag zur verdienten Würdigung sondern auch zur Geschichts­ver­mitt­lung“, sagt Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte (IBR).

Geboren wurde Gerhard von Franken­berg am 12. Oktober 1892 in Braun­schweig. Er machte das Abitur am Wilhelm-Gymnasium und studierte Zoologie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Leiter des staat­li­chen Presse­amtes und Abgeord­neter im Braun­schwei­gi­schen Landtag, schließ­lich Direktor des Natur­his­to­ri­schen Museums Braun­schweig und Professor der Zoologie.

Als Mitglied der SPD und Gauführer des Reichs­ban­ners Schwarz-Rot-Gold stand von Franken­berg im Visier der Natio­nal­so­zia­listen. Er erhielt zahlreiche Drohbriefe und wurde von der SA verfolgt. 1932 warf ihn Volks­bil­dungs­mi­nister Klagges aus allen Ämtern. Von Franken­berg floh mit seiner Familie aus Braun­schweig. Er verdingte sich in der Nähe von Hannover als Autor leicht verständ­li­cher Sachbü­cher.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er rehabi­li­tiert und wieder als Direktor des Natur­his­to­ri­schen Museums einge­setzt. Als sozial­de­mo­kra­ti­scher Politiker saß von Franken­berg im letzten Braun­schwei­gi­schen Landtag, der nach Kriegs­ende seine Sitzungs­tä­tig­keit in der Aula der damaligen Kanthoch­schule, dem heutigen Haus der Wissen­schaft, wieder aufge­nommen hatte.

In der Schluss­sit­zung des Landtags am 1. November 1946, mit der die Geschichte des eigen­stän­digen Landes Braun­schweig endete, hielt Gerhard von Franken­berg die Abschieds­rede auf das Land. „Dennoch geht nun die Weltge­schichte über dies Land dahin, das so viele Jahrhun­derte seine Selbstän­dig­keit bewahrt hat. Wohl sah der Kundige schon lange, dass eine Neuord­nung der deutschen Länder kommen musste. Aber wir hatten sie uns anders gewünscht! Wir hätten gern selbst mitent­schieden, wären gern allmäh­lich hinein­ge­wachsen in das größere Ganze, dem wir nun angehören sollen!“, zitiert Gerd Biegel aus der Rede von von Franken­bergs.

Aus gesund­heit­li­chen Gründen trat von Franken­berg schon 1948 in den Ruhestand. Dis zu seinem Tod  am 30. November 1969 arbeitete er ehren­amt­lich als Präsident des Deutschen Monis­ten­bundes und des Deutschen Volks­bundes für Geistes­frei­heit. Als Schrift­steller äußerte er sich kritisch zu den Notstands­ge­setzen und zur Aufrüs­tung mit Atomwaffen. Er hinter­ließ einen umfang­rei­chen schrift­li­chen Nachlass, auf dem die Auffüh­rung des Theaters Zeitraum basiert.

Es sind noch einige Restkarten an der Abend­kasse erhält­lich. Die Eintritts­karten kosten 10 Euro, ermäßigt für Schüler, Studenten und Schwer­be­hin­derte 8 Euro.

Weitere Infor­ma­tionen: www.theater-zeitraum.de

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