Wie Willkom­mens­kultur wirkt

Nour. Foto: Uwe Brodmann
Nour. Foto: Uwe Brodmann

Foto-Ausstel­lung und Tanztheater zeigen in der Magni­kirche Wege auf, wie die Integra­tion Geflüch­teter erfolg­reich sein kann.

Eine Ausstel­lung mit Fotogra­fien von Uwe Brodmann über Flücht­linge in der Region mit Texten von Isabel Rohloff und ein Tanzthea­ter­stück mit Flücht­lingen von Gerda Raudo­nikis, der Ehefrau des Fotografen Brodmann, rücken das gegen­wärtig die öffent­liche Diskus­sion beherr­schende Thema Integra­tion in der Magni­kirche Braun­schweig in ein neues Licht. Die Geflüch­teten treten heraus aus der Masse der schnellen und oberfläch­li­chen Infor­ma­tion. Sie erhalten ein Gesicht, und sie zeigen ihr Gesicht. Niemand muss vor diesen Menschen Angst haben. Die Ausstel­lung „Bleibe II“ wird am 15. September (19 Uhr) eröffnet und dauert bis zum 6. Oktober. Das Tanzthea­ter­stück „Soweit die Füße tragen, so weit …“ hat am 22. September (20 Uhr) Premiere.

„Geflüch­tete Menschen in unserer Region sind kein flüch­tiges Bild mehr, seit sie hier eine Bleibe gefunden haben“, sagt Uwe Brodmann. Er dokumen­tiert mit seinen Fotos, wie Flücht­linge in der Region Fuß gefasst haben, wie die Willkom­mens­kultur wirkt. „Bleibe II“ ist die Erwei­te­rung und oftmals auch Fortset­zung seiner ersten Ausstel­lung zum Flücht­lings­thema in der Stadt­bi­blio­thek. Stand bei den ersten Aufnahmen noch das Erlebte der Asylsu­chenden und das Ungewisse der Zukunft im Fokus, so ist es jetzt der Fortschritt bei der Integra­tion.

Die neue Ausstel­lung zeigt Flücht­linge teilweise auch zum zweiten Mal, einige Monate später fotogra­fiert. Ein Beispiel für die sicht­baren Verän­de­rungen ist Berihu.  Der junge Mann aus Eritrea kam durch den Sudan und Libyen, über das Mittel­meer nach Lampedusa und schließ­lich nach Cremlingen. Das erste Foto zeigte einen schüch­ternen, zweifelnden jungen Mann. Auf dem aktuellen Foto sitzt er selbst­be­wusst, offen und fröhlich in der Magni­kirche.

„Die Fotos sind in Alltags­si­tua­tionen aufge­nommen worden. Sie sind nicht bis ins Kleinste insze­niert. Deswegen zeigen sie so authen­tisch, dass die aus ihrer Heimat geflüch­teten Menschen hier bei uns etwas vorhaben, etwas erreichen und sich einbringen wollen. Die Furcht ist gewichen“, sagt Brodmann. Seine Aufnahmen  zeigen, wie wohl und sicher sich die Geflüch­teten wieder fühlen.

Die Bilder erzählen eindrucks­volle Geschichten. Der Komponist und Musik­päd­agoge Zlatko Baban etwa war in Monte­negro unter anderem Präsident der dortigen Kompo­nisten-Verei­ni­gung. Er kam mit seiner Frau und den beiden Söhnen nach Braun­schweig, weil sie sich in der Heimat bedroht fühlten und Repres­sa­lien ausge­setzt waren. Das Foto zeigt den Vater mit seinen Söhnen, die bereits erste Plätze bei „Jugend musiziert“ belegten, mit ihren Instru­menten. David, der älteste Sohn, beginnt in Kürze mit seinem Musik­stu­dium.

Die achtjäh­rige Nour und ihre Mutter Gigi hat Uwe Brodmann auf einem Feldweg nahe Sickte aufge­nommen. „Das sieht aus wie in Afrika“, entfuhr es Gigi bei dem Fototermin. Nour geht mittler­weile zur Grund­schule. Wolla und ihre Freundin stammen aus Syrien. Sie haben wieder gelernt zu lächeln und zeigen es gerne. Gjedi kommt aus Mali. Er wollte sich unbedingt beim Fußball­spielen in Rüningen ablichten lassen. Auch Sport trägt seinen Teil wie die Musik oder das Theater zur schnellen Integra­tion bei.

Wie, das zeigt das Tanzthea­ter­stück „Soweit die Füße tragen, so weit …“ Das Ensemble bilden Menschen aus aller Welt. Sie sprechen nicht die gleiche Sprache, es verstehen auch nicht alle Deutsch, aber trotzdem klappt die Kommu­ni­ka­tion. „Alter, Herkunft oder Hautfarbe spielen bei uns keine Rolle. Christen tanzen mit Moslems, Einhei­mi­sche mit Geflüch­teten. Es klappt, weil Menschen alle Gefühle haben. So können wir auch ohne Dolmet­scher einander verstehen“, berichtet Gerda Raudo­nikis von ihren Erfah­rungen bei den Proben. Das Theater­pro­jekt ist ein Schmelz­tiegel für verschie­dene Kulturen und Religionen. „Der Beweis, das Integra­tion zu schaffen ist“, freut sich die Theater­päd­agogin.

„Beide Projekte sind extrem spannend. Wir freuen uns, dass wir einer­seits Galerie für die Ausstel­lung und anderer­seits Bühne für das Stück sein können“, sagt Henning Böger, Pastor an St. Magni. Den sonntäg­li­chen Gottes­dienst am 18. September richtet er im Chorraum – dort, wo die Fotos hängen – speziell auf die Ausstel­lung und ihrem Thema aus.

Die Ausstel­lung wird am 15. September (19 Uhr) von Gerhard Glogowski in seiner Eigen­schaft als Vorsit­zender der Erich Mundstock Stiftung eröffnet. Christof Kaldonek, Dramaturg und Autor aus Berlin, wird das Einfüh­rungs­re­ferat halten. Der Eintritt ist frei. Die Ausstel­lung ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Gefördert wird sie von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung, der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, der Kirchen­ge­meinde St. Magni, der Erich Mundstock Stiftung und dem Kultur­in­stitut der Stadt.

„Soweit die Füße tragen, so weit …“

Premiere: 22. September, 20 Uhr.

Weitere Auffüh­rungen: 23. und 24. September, jeweils 20.00 Uhr.

Karten­re­ser­vie­rung: 0531–44064 oder info@kunasmodernus.de

Abend­kasse: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro

Regie, Choreo­grafie: Gerda Raudo­nikis, Drama­turgie: Isabel Rohloff, Kostüme: Eva-Maria Huke, Mitwir­kende: Biniam Aregay, Stephanie Baum, Bernhard v.d. Heyden-Rynsch, Carlotta v.d. Heyden-Rynsch, Claudia v.d. Heyden-Rynsch, Ufuoma Essi, Berihu Medhanie, Ahmad Mousa Alsaka, Mohamad Mousa, Alsaka, Yaman Mousa Alsaka, Biniam Onkobrahan, Madina Rostaie, Ulrike Stein, Marie Theres Zechiel. Musik: Leitung, Percus­sion: Sebastian König, E‑Gitarre: Michael Fischer

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