„Zum Wohl!“ – Ein Rokoko-Pokal aus Asche und Sand

Glaspokal mit Sachsenross, springend, Lauensteiner Glas
Der Lauensteiner Glaspokal mit dem Sachsenross wurde vor 1768 hergestellt - es ist mindestens über 250 Jahre alt. Foto: Richard Borek Stiftung

Objekt des Monats, Folge 12: Ein begehrter Lauen­steiner Glaspokal aus dem 18. Jahrhun­dert.

Der erste Blick fällt auf die üppige Verzie­rung auf der Vorder­seite des 16 cm kleinen Glaspo­kals. Dekor­ele­mente im Stil des Rokokos schmücken die Wandung des Kelches, der in seiner Form an eine Tulpe erinnert: In einem mit verschie­denen Blättern und Blüten verzierten Rahmen­or­na­ment, einer sogenannten Kartusche, ist das nach links sprin­gende Welfen­ross innerhalb einer Wiesen­land­schaft eingra­viert. Daneben stehen jeweils rechts und links die Worte „freyheit“ und „mit furcht“. Herge­stellt wurde der Pokal in der ersten welfi­schen Glashütte im nieder­säch­si­schen Osterwald.

Ein Fest für die Sinne

Das Welfen­ross, auch Sachsen­ross genannt, zierte als einzelnes Wappen­symbol nicht nur Gläser, sondern ist auch auf Keramiken, Siegeln oder Talern zu finden. Kristall­gläser dieser Art waren ein unver­zicht­barer Bestand­teil höfischen Lebens. Sie verfei­nerten den Genuss des Weines, indem sie mehrere Sinne gleich­zeitig anspra­chen: Ein wohlge­formter Schaft appel­lierte an den Tastsinn, die Farbig­keit des Weines, ob hell oder dunkel, umschmei­chelte das Auge, der Gläser­klang beim Anstoßen das Ohr. Darstel­lungen auf der Wandung des Kelches, der sogenannten Kuppa, sorgten häufig für Gesprächs­stoff und geistige Anregungen. Neben Wappen­mo­tiven waren unter anderem auch mytho­lo­gi­sche oder biblische Themen sowie Alltags­szenen gern genutzte Dekora­tionen. Häufig wurden diese durch eingra­vierte Inschriften ergänzt, die als Träger von Botschaften und Segens­wün­schen dienten.

Lauen­steiner Gläser – berühmt und begehrt

Glas gehört zu den ältesten Werkstoffen der Mensch­heit. Seine Grund­be­stand­teile sind – kurzge­fasst – Kiesel­erde in Form von Sand oder Quarz, Soda oder Pottasche und Kalk als Stabi­li­sator. Ausgehend von Italien wurden seit dem Mittel­alter in nahezu ganz Europa Glashütten gegründet, in denen die unter­schied­lichsten Erzeug­nisse produ­ziert wurden. Im Laufe der Zeit entwi­ckelten die meisten Hütten ihre eigenen Schwer­punkte in der Glasher­stel­lung, wodurch einige Glasma­cher und ‑schneider große Berühmt­heit erlangten. Hierzu gehörte u.a. auch Johann Heinrich Balthasar Sang, der ab 1747 als Hofglas­schneider für den Braun­schweiger Herzog Carl I. tätig war.

Glaspokal mit Sachsenross, Lauensteiner Glas
Der Glaspokal ist nur 16 Zenti­meter hoch. Foto: Richard Borek Stiftung.

Eine der bekann­testen Glashütten des 18. Jahrhun­derts war die im Jahr 1701 gegrün­dete Oster­walder Glashütte im Weser­berg­land nahe Hameln, im ehema­ligen Amt Lauen­stein. Hier wurden neben diversen Trink­glä­sern Karaffen, Gelee- und Konfekt­schalen, Öl- und Essig­gläser sowie Leuchter in teils vergol­deter Ausfüh­rung produ­ziert. Überre­gio­nale Bedeutung erlangte die Hütte durch die Produk­tion einer exklu­siven Glasmasse für besonders feines und klares Kristall­glas, weshalb sie in den histo­ri­schen Quellen auch als „Weiße Feinglas­hütte“ bezeichnet wird.

Die wichtigste Aufgabe der Lauen­steiner Glashütte bestand seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun­derts in der Herstel­lung von Rokoko-Pokalen, vornehm­lich für den englisch-hanno­ver­schen Hof und das Kurfürs­tentum Hannover. Ein hervor­ste­chendes Merkmal der Pokale sind neben dem hohen, glocken­för­migen Fuß die in den Schaft oder in den massiven Kuppaboden einge­schlos­senen Luftblasen, die wie durch­sich­tige Perlen wirken.

Die zwischen 1768 und 1827 in Lauen­stein herge­stellten Gläser haben unter dem Standfuß eine gravierte Löwen­marke und, wenn sie aus Kristall­glas sind, zusätz­lich ein „C“. In dieser Zeit war die Hütte im kurfürst­lich-hanno­ver­schen Besitz. Da der Pokal keine Marke aufweist, ist davon auszu­gehen, dass das Glas vor 1768 herge­stellt wurde.

Ab 1827 existierte die Hütte unter verschie­denen Unter­nehmen weiter bis 1887. Im Jahr 1837 wurde die Fabri­ka­tion von farblosem Glas aufge­geben und die Produk­tion auf Flaschen beschränkt. Bis heute zählen Lauen­steiner Gläser zu den belieb­testen Glashüt­ten­er­zeug­nissen des 18. Jahrhun­derts und sind in vielen bedeu­tenden Glassamm­lungen in ganz Europa vertreten.

Der Pokal aus der Sammlung der Richard Borek Stiftung kann bis zum 31. August 2025 in der Sonder­aus­stel­lung „Residenz­Wechsel“ im Weißen Saal des Schloss­mu­seums Braun­schweig betrachtet werden.

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