Der Weg in den Ersten Weltkrieg

Übergabe des 1000. Büssing-Fahrzeuges an die Heeresverwaltung. Foto: Archiv E.-J. Zauner
Übergabe des 1000. Büssing-Fahrzeuges an die Heeresverwaltung. Foto: Archiv E.-J. Zauner

Serie zu den Ereig­nissen im Braun­schweiger Land und den Kriegs­schau­plätzen von 1914–1918.

Nicht nur in Braun­schweig, sondern bundes­weit stand im Zentrum des Erinne­rungs­jahres 1913 die Hochzeit von Prinz Ernst August III. von Hannover und Prinzessin Viktoria Luise Adelheid Mathilde Charlotte von Preußen. Die Ehe versöhnte vor 100 Jahren die Welfen mit den Preußen, die das König­reich Hannover 1866 annek­tiert hatten.

Die glanz­volle Hochzeit im Berliner Schloss am 24. Mai 1913 war ein heraus­ra­gendes gesell­schaft­li­ches Ereignis, das den europäi­schen Hochadel am “Vorabend” der Katastrophe von 1914, dem Beginn Ersten Weltkriegs, noch einmal zusam­men­führte. Die Teilnahme des russi­schen Zaren Nikolaus II. sowie des engli­schen Königs Georg V. verlieh der Hochzeits­feier politi­sche Signal­wir­kung: Trotz des Rüstungs­wett­laufs der europäi­schen Mächte, schien Frieden möglich zu sein.

Als das Herzogs­paar im November 1913 unter dem Jubel großer Teile der Bevöl­ke­rung der Stadt und des Landes in das Braun­schweiger Schloss einzog, befand sich das Land in einer Phase des wirtschaft­li­chen Aufschwungs. Zu den Säulen der Indus­tria­li­sie­rung gehörten die Konser­ven­in­dus­trie, der Anlagenbau für Mühlen und Konser­ven­fa­briken, die Jutespin­ne­reien, die Bürotechnik und – wie man heute sagen würde, die Mobili­täts­technik – mit Signalbau sowie Fahrzeugbau und hier besonders den Büssing-Werken.

Die Menschen blickten optimis­tisch ins neue Jahr 1914, auch wenn das Pulver­fass am Balkan leicht entzündbar war, und die Rüstungs­po­litik die Kriegs­ge­fahr steigerte. Am 18. März 1914 gab es erst noch einmal Grund zur Freude bei den herzogs­treuen Braun­schwei­gern im Land: Der Thron­folger Prinz Ernst August wurde geboren. Die Taufe am 9. Mai 1914 im Braun­schweiger Dom wurde zum letzten glanz­vollen Fürsten­fest vor dem Krieg im Braun­schweiger Land, an dem mit Wilhelm II. und Auguste Viktoria auch das Kaiser­paar teilnahm.

Nach Empfängen und Festen im Braun­schweiger Land, die sich über Wochen hinzogen, nahm die Feier­stim­mung ein jähes Ende. Am 28. Juni 1914 waren der öster­rei­chi­sche Thron­folger Franz Ferdinand und seine Frau in Sarajewo von einem Atten­täter erschossen worden. Für Öster­reich bot sich die Gelegen­heit, den lange schwe­lenden Konflikt mit Serbien eskalieren zu lassen. Am 24. Juli 1914 schrieb der „Allge­meine Anzeiger – Verbrei­te­teste Braun­schweiger Zeitung” unter der Überschrift “Bitter­ernste Stunden – Öster­reich stellt scharfe Forde­rungen an Serbien – Antwort bis Sonnabend 6 Uhr – Der Krieg steht vor der Tür”. Am 28. Juli 1914 erklärte Öster­reich Serbien den Krieg.

„Am 31. Juli 1914 war’s nicht nur heißes Wetter, sondern auch schwüle Stimmung in allen Herzen. Krieg? Gibt es Krieg? Dann geschah es, daß zwischen 5 und 6 Uhr ein Trupp Husaren mit einem Leutnant und einem Trompeter durch die Straßen ritt. An den Ecken und auf den Plätzen machten sie Halt. Vom Kohlmarkt aus marschierte in festem Schritt ein Halbzug vom Infan­terie-Regiment Nr. 92, geführt von einem Leutnant. Auch sie machten an den Straßen­kreu­zungen Halt, traten um ihren Offizier, kurzer Trommel­wirbel, und dieselben Worte ertönen: Erklärung des Kriegs­zu­standes”, ist im Sammel­band „Die Braun­schweiger im Weltkrieg 1914 – 1918” zu lesen, eine Sammlung von Kriegs- und Erleb­nis­be­richten, die vom Braun­schwei­gi­schen Landes­verein für Heimat­schutz im Herzogtum Braun­schweig heraus­ge­geben worden war.

Am folgenden Tag, dem 1. August, erschien eine Sonder­aus­gabe der Braun­schwei­gi­schen Anzeigen mit nur einer Nachricht in riesigen Lettern: “Deutsch­land macht mobil. Die Mobil­ma­chung ist ausge­spro­chen, der erste Mobil­ma­chungstag ist der 2. August 1914.

Dann ging es „Schlag auf Schlag”. Am 1. August erklärte Deutsch­land, mit Öster­reich verbündet, Russland den Krieg, am 3. August Frank­reich. England hielt sich erst einmal zurück, doch als deutsche Truppen am 4. August 1914 völker­rechts­widrig in das neutrale Belgien einmar­schierten, trat auch England in den Krieg ein. Der europäi­sche Kontinent „brannte”.

Deutsch­land stand zusammen mit den Öster­rei­chern gegen die Dreier­ko­ali­tion Russland, Frank­reich und England in einem Krieg, für den sich alle Mächte aufge­rüstet hatten. In Deutsch­land hatten selbst die Sekttrinker durch eine Steuer über Jahre zum Aufbau der kaiser­li­chen Flotte ihren Anteil geleistet, die die Seeherr­schaft des Reichs gewähr­leisten sollten. Eine Steuer, die wir heute noch zahlen, obwohl die kaiser­liche Marine längst auf dem Schrott­haufen der Geschichte gelandet ist.

Die Kriegs­be­geis­te­rung ergriff den größten Teil der Bevöl­ke­rung, der von der „gerechten Sache” überzeugt war. Reser­visten wurden einge­zogen. Die Kriegs­frei­wil­ligen stürmten die Melde­stellen. In einem zeitge­nös­si­schen Bericht ist zu lesen: „Es gab ein lebens­ge­fähr­li­ches Gedränge vor den Kaser­nen­toren. Am Fallers­le­ber­tore und in der Korfes­straße gab’s in manchen Stunden kein Durch­kommen.”

Der Kaiser erklärte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!” und die Soldaten, die in den Kampf zogen, schworen: „Mit Herz und Hand für’s Vaterland.” An den Stand­orten im Braun­schweiger Land wurden – wie in ganz Deutsch­land – die Truppen verladen, um sie an die Front zu bringen. Das Braun­schweiger Infan­te­rie­re­gi­ment 92 sowie der Stab und die 3. Eskadron der Braun­schweiger Husaren Nr. 17 bildeten zusammen mit dem 2. Hanno­ver­schen Infan­te­rie­re­gi­ment Nr. 77 (Standort Celle) die 40. Infan­terie-Brigade, die zu Kriegs­be­ginn an der Westfront einge­setzt wurde.

Daheim ließ Herzog Ernst August am 6. August 1914 durch Extra­blatt der Neuesten Nachrichten das Volk wissen, dass er für die Zeit seiner Abwesen­heit die Amtsge­schäfte der Herzogin übertrug: „Von Gottes Gnaden, Wir, Ernst August, Herzog zu Braun­schweig und Lüneburg usw., fügen hiermit zu wissen, daß wir uns bewogen gefunden haben, für die Zeit Unserer Abwesen­heit im Kriegs­falle oder sonstiger Behin­de­rung Unsere vielge­liebte Gemahlin Viktoria Luise, Herzogin zu Braun­schweig und Lüneburg, Prinzessin von Preußen, König­liche Hoheit, zu Unserem Stell­ver­treter der Regierung des Herzog­tums zu ernennen?”

Während in der Heimat die Zeitungen Sieges­mel­dungen verkün­deten, begann an der Front das große Sterben. Der erste gefallene Braun­schweiger war Leutnant Diekmann, so berichtet „Die Braun­schweiger im Weltkrieg 1914 – 1918”. Er diente im 14. Ulanen­re­gi­ment. Auf Patrouille bei Réméré­ville traf ein tödlicher Säbelhieb eines Franzosen ihn in den Hals.

In die erste große Schlacht, so schrieb ein Braun­schweiger Soldat in seinem Tagebuch, sei seine Einheit bei Roselies in Belgien verwi­ckelt worden: 40 Offiziere und 100 Soldaten starben. „Furchtbar war die Nacht. Nun kam der Tag. Wir haben auch Verluste. Wilhelm Becker ist drei Mal verwundet worden, hofft aber, daß er durch­kommt. Hier sieht es furchtbar aus.”

Und im Brief eines jungen Braun­schweiger Kriegs­frei­wil­ligen vom 14. November 1914 heißt es: „Vorges­tern früh um 4 Uhr begann ein furcht­barer Kanonen­donner. 128 Geschütze standen uns gegenüber … unzählige Granaten platzten neben mir. Den ganzen Tag ging es so weiter. Tote und Verwun­dete wurden gebracht. Die Gräben waren alle zerschossen. Die ganze Nacht durch währte der Kampf. Immer kam neue Munition. Wir erkannten im Hinter­grund dunkle Gestalten. Gruppen­weise wie sie kamen, fielen sie. Die ganze Fläche war mit Haufen von Toten bedeckt. Während des Kampfes drohte ein Franzose, weil ich so hoch saß, mit dem Gewehr. Er wollte schießen , aber meine Kugel traf ihn mitten ins Gesicht. Nachher kam ein Unter­of­fi­zier zu mir, dem zeigte ich unsere Arbeit.”

Die Folgen des Krieges wurden auch in der Heimat immer deutli­cher spürbar. In den Zeitungen häuften sich die Todes­an­zeigen mit dem Eisernen Kreuz und fast immer mit dem einlei­tenden Satz: „Den Heldentod für das Vaterland …”.

Die Zivil­be­völ­ke­rung litt unter einem allge­meinen Mangel. Lebens­mittel und Kleidung beispiels­wiese gab es nur noch gegen Bezugs­scheine und Marken. In den Fabriken und im öffent­li­chen Leben nahmen Frauen die Stellen der Männer ein, die sich an der Front befanden. Gut 400 Betriebe im Braun­schweiger Land hatten auf Kriegs­pro­duk­tion umgestellt. Büssing lieferte nicht nur Lastwagen, sondern auch schwere Zugma­schinen und Panzer­wagen an die Front. Wird fortge­setzt

Ausstel­lung
Zur Erinne­rung an die Taufe des Thron­fol­gers Ernst August zeigt das Schloss­mu­seum vom 10. Mai 2014 bis zum 4. Januar 2015 die Sonder­aus­stel­lung “Fürsten­taufe – Famili­en­tra­di­tion”, die auch die Taufge­schichten anderer Braun­schweiger Familien aufzeigt. Öffnungs­zeiten Dienstag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr, montags geschlossen.

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