Heinrichs 850. Hochzeitstag

Heinrich der Löwe und Mathilde beim Festumzug anlässlich der Heinrich-Festspiele. Foto: Heinrich- Festspiele
Heinrich der Löwe und Mathilde beim Festumzug anlässlich der Heinrich-Festspiele. Foto: Heinrich- Festspiele

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 35: Hochzeit mit Mathilde fand in Minden statt, weil keine Kirche in Braun­schweig groß genug war.

Am 1. Februar 1168 heiratete Heinrich der Löwe die erst zwölf­jäh­rige Mathilde, Tochter von Heinrich II. von England und Eleonore von Aquita­nien, Schwester der Könige Richard Löwenherz und John ohne Land. Es war ein sehr großes gesell­schaft­li­ches Ereignis, für das es in Braun­schweig seiner­zeit keine angemes­sene Kirche gab. Der Dom war zu der Zeit noch nicht mal in Bau. Kurz vor dem 850. Hochzeitstag der beiden erinnern wir an die damaligen Ereig­nisse.

Um gute Bezie­hungen ging es damals im 12. Jahrhun­dert, als der König von England und der deutsche Kaiser Friedrich Barba­rossa nach geeig­neten Heirats­kan­di­daten für ihre Kinder suchten. Dabei fiel die Wahl auch auf Heinrich den Löwen, den mächtigsten Fürst an der Seite des deutschen Kaisers. Heinrich ließ sich auf Wunsch des Kaisers 1162 von seiner Frau Clementia von Zähringen scheiden, vermut­lich, weil aus dieser Verbin­dung keine männli­chen Erben hervor­ge­gangen waren. Der Papst konnte die Ehe aufheben, wenn man nachwies, dass die verwandt­schaft­li­chen Bezie­hungen der Eheleute zu nahe waren – ein beliebter Trick beim Adel, eine Scheidung zu beantragen.

Bei der Verlobung im Jahre 1165 war Mathilde (eigent­lich „Matilda“) Planta­genet etwa neun Jahre alt, bei der Hochzeit im Jahre 1168 vermut­lich zwölf. Es gibt kein überlie­fertes Geburts­datum, ebenso wie auch bei Heinrich selbst, weil man häufig solche Daten nicht festhielt, sondern die Kinder erst erwähnte, wenn sie das „Kindes­alter“ überlebt hatten. Mathilde jeden­falls war mit zwölf Jahren kein Kind mehr in unserem heutigen Sinne, sondern eine erwach­sene, junge Frau.

Sie brach zu den Hochzeits­fei­er­lich­keiten Ende September 1167 mit einem großen Gefolge auf. Ihre weit über die Grenzen Englands bekannte Mutter, Eleonore von Aquita­nien, beglei­tete sie bis in die Normandie. Dazu muss auch daran erinnert werden, dass der englische Hof sich damals überwie­gend in Frank­reich aufhielt und beinahe das ganze Land besetzt hatte.

Aller­dings war guter Rat für das ungleiche Hochzeits­paar – Heinrich war etwa dreißig Jahre älter – teuer. Wo sollte die Hochzeit zelebriert werden? Der mächtigste deutsche Fürst heiratete eine englische Prinzessin (was sich im 18. Jahrhun­dert übrigens mit Carl Wilhelm Ferdinand und Prinzessin Augusta wieder­holen sollte), aber eine ausrei­chend  große Kirche gab es in Braun­schweig nicht.

Heinrich hatte die vorhan­dene Burg (1134 als castrum Tanquar­de­roth erstmals erwähnt) zu seiner Pfalz und Residenz ausbauen lassen. Die um 1030 gegrün­dete Doppel­ka­pelle oder Stifts­kirche, die den Heiligen St. Peter und St. Paul geweiht wurde, diente dem Herzog und seinen Rittern als Kirche (vgl. auch Folge 4).

Als das Hochzeits­datum festge­legt wurde, suchten die Minis­te­rialen in Braun­schweig – also die höfischen Beamten – nach einer Kirche, die in der Lage war, die zu erwar­tende Gäste­schar auch aufzu­nehmen. Da kam die kleine Kirche neben der Burg aufgrund ihrer Größe für eine derartig wichtige Hochzeit nicht in Frage. Und die Kirche, die wir heute als den „Braun­schweiger Dom“ kennen, die „Stifts­kirche St. Blasius“? Deren Bau war noch nicht einmal begonnen worden.

Erst nach Heinrichs Rückkehr von seiner einjäh­rigen Pilger­reise nach Jerusalem begann man im Jahre 1173 mit dem Bau. Dabei wurde die kleine Burg-Kirche abgerissen und die Steine beim Neubau verwendet. Einer von diesen alten, dunklen Steinen, befindet sich links vom Portal mit den „Kratz­spuren“ (vgl. dazu auch Folge 3).

So fiel die Wahl der Minis­te­rialen schließ­lich auf den Dom von Minden. Heinrich der Löwe verfügte über Besitz im Bistum des Doms, und man begann mit der Planung dieses gewal­tigen Ereig­nisses. Vor rund 850 Jahren, am 1. Februar 1168, nahm Bischof Werner von Bückeburg die Trauung vor. Heinrich der Löwe bedankte sich dafür mit einer Landschen­kung im Bereich von Lahde an der Weser.

Die eigent­liche Hochzeits­feier richtete man dann in der Burg Dankwar­derode aus.

Aber wie mag die junge Mathilde, die in England liebevoll „Maud“ genannt wurde, dieses Braun­schweig bei ihrem Eintreffen wohl erlebt und empfunden haben? Von den Höfen in Frank­reich, an denen die Trouba­doure das hohe Lied ihrer Eltern sangen, an denen Kunst und Literatur durch Eleonore von Aquita­nien gefördert wurden, jetzt auf die Okerinsel in eine wohl eher beschei­dene, kleine Burg versetzt?

Heute weiß die Forschung, dass mit Mathilde Planta­genet in Braun­schweig ein „Hauch von Poitiers“ einzog, sie verwirk­lichte nach und nach einiges von dem, das sie in ihrer Heimat kennen und lieben gelernt hatte. Das höfische Leben mit Kunst und Kultur zog am Braun­schweiger Hof ein, man nimmt an, dass auf Anregung Mathildes auch der Pfaffe Konrad die deutsche Fassung des Roland­liedes schuf, und vermut­lich geht auch Eilhart von Obergs Fassung von „Tristant und Isalde“ auf ihr Einwirken zurück.

Im neuen Theater­stück der Heinrich-Saga, Teil 4, mit dem Titel „Der Löwe heiratet“ wird die Ankunft der jungen Mathilde in Braun­schweig darge­stellt. Die erst achtzehn­jäh­rige Lena Ahrens spielt Mathildes Ankunft sehr überzeu­gend – man fühlt sich in die damalige Zeit versetzt und leidet mit der jungen Prinzessin. Eine Auffüh­rung des aktuellen Stückes gibt es am Sonntag, 17.Dezember, also am 3. Advent, im histo­ri­schen Maschi­nen­saal des Steigen­berger Parkho­tels in Braun­schweig. Karten sind in der Tourist­Info und im Hotel erhält­lich.

Mathilde Planta­genet kommt sowohl in der Literatur als auch in ihrer Wahrneh­mung viel zu kurz. Neben dem Bühnen­stück wird Mathilde hierzu­lande noch auch auf eine andere besondere Weise geehrt: Von sofort an  gibt es ein Bier mit dem Namen „Mathildes Hochzeits­bier“, das als Sonder­ab­fül­lung in der Tourist­Info und bei der Buchhand­lung Graff erhält­lich ist.

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