Empfind­liche Eingriffe rund um das Rathaus

Der Platz der Deutschen Einheit mit Domplatz (links). Foto: Hajo Dietz, Luftbild Nürnberg

Braun­schweigs Plätze, Folge 15: Der heutige Platz der Deutschen Einheit verlor in den Nachkriegs­jahr­zehnten wertvolle histo­ri­sche Bausub­stanz.

Das Rathaus um 1910 mit dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Giebel über dem Sitzungs­saal. Foto: Archiv Elmar Arnhold

Der Platz der Deutschen Einheit ist ein zentraler Knoten­punkt auf dem von Stadt­planer Walter Ackers so genannten „Weg der schönen Plätze“ durch Braun­schweig, der vom Altstadt­markt bis zum Herzog Anton Ulrich-Museum führt. Unver­gessen sind die histo­ri­schen Bilder nach dem Mauerfall am 10. November 1989, als dort noch unzählige Trabis parken durften und unzählige DDR-Bürger ihr Begrü­ßungs­geld im Rathaus empfangen wollten. Seither hat sich dort viel verändert: Der Platz wurde umbenannt in Platz der Deutschen Einheit, ein Stück der ehema­ligen Berliner Mauer wurde zur Erinne­rung an die deutsche Teilung aufge­stellt und 1999 gelang eine erheb­liche städte­bau­liche Aufwer­tung mit neuer Pflas­te­rung und Wasser­spielen. Geblieben ist aber natürlich das wunder­schöne Portal des Rathauses, das immer wieder Kulisse für Hochzeits­fotos ist. Schöner geht es ja kaum.

Sensi­bi­lität für Denkmal­schutz fehlte

Das ehemalige Dompfarr­haus, um 1900. Foto: Archiv Elmar Arnhold

Der Platz könnte natürlich noch viel präch­tiger sein, wenn die Sensi­bi­lität für Denkmal­schutz schon in den Jahren nach dem Krieg einen so erfreu­li­chen Stellen­wert wie heute gehabt hätte. „In den Nachkriegs­jahr­zehnten kam es zum Abbruch histo­ri­scher Bausub­stanz am Domplatz und am Langen Hof. Für eine Erwei­te­rung des Landge­richts (1956) wurde ein 1717 errich­teter Fachwerkbau beseitigt, während das markante Dompfarr­haus und die anschlie­ßende Bebauung 1967 für den Bau des Centrums am Dom weichen musste. Damit kam es zu empfind­li­chen Eingriffen in dieses weitge­hend von Kriegs­er­eig­nissen verschonte Quartier mit seinem bedeu­tenden Ensemble der Archi­tektur des 19. Jahrhun­derts“, schreibt Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Elmar Arnhold in seinem Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“, das die Basis für diese Löwen-Serie bildet.

Aufstieg empfeh­lens­wert

Beherr­schendes Bauwerk auf dem Platz der Deutschen Einheit ist das nach Entwürfen des Stadt­bau­rats Winter errich­tete neugo­ti­sche Rathaus (1900). „Sein nach Vorbil­dern flämischer Bauten des Spätmit­tel­al­ters gestal­teter Turm markiert den Stadt­mit­tel­punkt und ist eine Dominante, die in den Burgplatz, den Ruhäut­chen­platz sowie in die Münzstraße wirkt“, erläutert Arnhold. Für das Rathaus mussten der seiner­zei­tige Kleine Mosthof weichen. Vor der Haupt­front des Rathauses entstand so die platz­ar­tige Aufwei­tung des Langen Hofes, dem heutigen Platz der Deutschen Einheit. Der Aufstieg auf den 61 Meter hohen Turm mit 161 Stufen ist übrigens von montags bis freitags von 9–15 Uhr möglich und außer­or­dent­lich empfeh­lens­wert.

Der spätmit­tel­al­ter­liche Fachwerkbau an dessen Stelle heute Borek am Dom steht. Foto: Nds. Landesamt für Denkmal­pflege

Das Rathaus ist das sichtbare Zeichen städti­scher Selbst­ver­wal­tung und in diesem Sinne für die Altstadt urkund­lich schon vor 1253 belegt. Der neugo­ti­sche Bau wurde 1900 fertig­ge­stellt. Der bis zum Krieg giebel­ge­krönte Eingangs­teil ist mit reichen Maßwerk­fens­tern geziert. Die vier die großen Fenster umrah­menden Figuren stellen die Bereiche Wissen­schaft, Kunst, Handwerk und Handel dar.

Neues Stadtbild nach 1870

In den späten 1870er Jahren war mit dem Durch­bruch der Münzstraße ein völlig neues Stadtbild entstanden. Der neue Straßenzug mündete vor der Front der ehema­ligen Dompropstei auf den Wilhelm­platz und erhielt eine Fortset­zung in Richtung Ruhfäut­chen­platz. Nach Abbruch der Propstei im Jahr 1879 entstanden an ihrer Stelle die Polizei­di­rek­tion und das Landge­richt im Stil der Neore­nais­sance.

Eckhaus Langer Hof von 1772, um 1880. Heute steht dort das Centrum am Dom. Foto: Archiv Elmar Arnhold

Der Wilhelm­platz wurde 1956 in Domplatz umbenannt. Der Vorplatz des Erwei­te­rungs­baus des Landge­richts heißt seit 2012 Fritz-Bauer-Platz. Er ist dem Juristen gewidmet, der als hessi­scher General­staats­an­walt vehement dafür kämpfte, Nazi-Verbre­cher aufzu­spüren, um ihnen den Prozess zu machen. Einer seiner ersten Fälle als General­staats­an­walt in Braun­schweig machte ihn auch außerhalb Deutsch­lands bekannt: 1952 war er der Ankläger im sogenannten Remer-Prozess.

Fakten:

Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12,90 Euro

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