Der lange Weg bis zu „unserem“ Weihnachten

Das Bild zeigt die Familie von Kaiser Wilhem II. (1859-1941). In der Bildmitte Victoria Luise, spätere Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, mit einer Soldatenpuppe in der Hand. Repro: IBR

Die kultur­ge­schicht­liche Tradition des Weihnachts­festes reicht bis in das vierte Jahrhun­dert zurück.

Die Weihnachts­tage sind die jüngsten und umstrit­tensten, aber zugleich auch die histo­risch inter­es­san­testen sowie emotio­nalsten unter den christ­li­chen Feier­tagen. Weihnachten, das Fest des Friedens und der Liebe war nach Inhalt und Ausfüh­rung jahrhun­der­te­lang Gegen­stand theolo­gi­scher und ideolo­gi­scher Kontro­versen. Anders etwa als das Osterfest. Dieses wurde als Gedenken an Jesu Aufer­ste­hung schon im Urchris­tentum begangen. Das kirch­liche Geburts­fest Jesu Christi am 25. Dezember ist im späteren 4. Jahrhun­dert zunächst in Rom begangen worden und hat sich nur sehr langsam durch­ge­setzt.

Der deutsch­stäm­mige Karika­tu­rist Thomas Nast zeichnete den „Santa Claus“ 1863 für das Wochen­ma­gazin „Harper’s Weekly“. Foto: gemein­frei

Die kultur­ge­schicht­liche Tradition des Weihnachts­festes in Braun­schweig bewegt sich im Rahmen der deutschen Weihnachts­ge­schichte. In der Frühzeit des Festes blieben die Gaben­ti­sche der Kinder noch recht bescheiden: Äpfel, Nüsse, Pfeffer­nüsse und die begehrten Bratjen­kerls. Das waren Figuren aus Dörrobst, die eine Braun­schweiger Spezia­lität darstellten und vielfach auch den Weihnachts­baum schmückten. Und es gab natürlich den berühmten Honig­ku­chen. Schon 1617 bestand in Braun­schweig eine Honig­ku­chen­bä­ckerei. Bei den Spiel­sa­chen handelte es sich im 19. Jahrhun­dert oft um selbst­ge­bas­teltes Spielzeug, obwohl in Braun­schweig nachweis­lich auch schon 1806 Spielzeug in Anzeigen zum Kauf angeboten worden waren.

Erste Weihnachts­ge­schenke vom Herzog

Von Herzog Ludwig Rudolf wissen wir aus Tagebuch­auf­zeich­nungen aus dem Jahr 1701 von ersten Weihnachts­ge­schenken. Auch dürfte der geschmückte und mit Kerzen erleuch­tete Weihnachts­baum noch gefehlt haben. In der Stadt Braun­schweig ist der tradi­tio­nelle Weihnachts­baum erstmals 1810 nachweisbar, jedoch liefern die Braun­schwei­gi­schen Anzeigen bereits Anfang Dezember 1790 erste Hinweise auf diesen Brauch. In einer Anzeige wurden damals „einige Kiepen Hohen Buchsbaum zu Weihnachts­bäumen für Kinder zu gebrau­chen“ angeboten.

lm deutschen Sprach­raum wurde erst im Jahr 813, durch eine Mainzer Synode die Feier von Christi Geburt am 25. Dezember zum allge­meinen kirch­li­chen Feiertag erklärt. Krippen­spiele und vielfäl­tige Darstel­lungen in der Kunst haben in den folgenden Jahrhun­derten schließ­lich zu einer Popula­ri­sie­rung des Weihnachts­festes beigetragen, das jedoch bis zum 15. Jahrhun­dert kaum über die enge kirch­liche Bindung hinauskam. Die uns heute geläufige häusliche Weihnachts­feier mit dem Mittel­punkt der Besche­rung der Kinder hat ihre Wurzeln schließ­lich im 16. Jahrhun­dert, nicht zuletzt als Folge der Refor­ma­tion.

„Wilde“ Weihnachten

Blickt man über das Braun­schweiger Land hinaus, so stellt man fest, dass es um Weihnachten vielfäl­tige Brauch­tums- und Festformen gab. Zunächst ist Weihnachten vor allem in Quellen überlie­fert, die sich kritisch äußerten: Herrschaft­liche Edikte oder Kampf­schriften gegen den Aberglauben beschrieben dabei Festbräuche, die abgeschafft werden sollen. Das Volk pflegte nämlich zunächst eher ausge­las­sene Feste und wilde Masken­bräuche. Die Obrigkeit betrach­tete dies Treiben und befürch­tete Ausschrei­tungen unter dem Deckmantel des Volks­brau­ches.

Neben den „wilden“ Weihnachts­spielen auf der Straße gab es zunehmend die häusliche Weihnacht mit Kinder­be­sche­rung. Mythen, aber auch die äußeren Zeichen des uns vertrauten Weihnachts­festes haben erst seit dem Ende des 18. Jahrhun­dert ihre Ausprä­gung erhalten. Die Entwick­lungen, die seit dem Beginn des 19. Jahrhun­derts vom städti­schen Bürgertum ausgingen, setzten sich Jahrzehnte später allgemein in der Gesell­schaft durch.

Die Geschenke in der modernen Famili­en­weih­nachts­stube des 19. Jahrhun­derts sollten vor allem „nützlich“ sein. Dazu zählten vor allem Kleidung und Gegen­stände, die etwas zur Vorbe­rei­tung der Kinder auf das Erwach­se­nen­leben beitrugen. Dies wurde in einem Beitrag der „Illus­trierten Zeitung“ zu Weihnachten 1846 deutlich: „Recht sehr zeigt sich die Verschie­den­heit der Geschlechter in der Wahl des Spiel­zeugs. Alles, was auf das Militär Bezug hat, gefällt Jungen, daher dürfen weder Flinte, noch Säbel, noch Patro­nen­ta­sche oder Trommel bei einer Besche­rung für jüngere Knaben fehlen. Der Mädchen Lieblings­spiel­zeug ist die Puppe und alles, was auf das weibliche Leben Bezug hat, daher Küchen- und Hausge­räte in verjüngtem Maßstabe.“

Victoria Luise mochte Jungen­spiel­zeug

Anders war es unter dem Weihnachts­baum in der Familie von Kaiser Wilhelm ll. (1859 – 1941). Victoria Luise, Prinzessin von Preußen (1892 – 1980), die spätere Herzogin von Braun­schweig-Lüneburg, bekam eher Jungen­spiel­zeug. Ihre Vorliebe galt Solda­ten­fi­guren, die ihr lieber waren als alle Puppen. Schon als Kind hatte Victoria Luise immer wieder bedauert, kein Junge zu sein.

Die tradi­tio­nelle Gestalt des Weihnachts­mannes stammt ebenfalls aus dem 19. Jahrhun­dert. Sie verdankt ihren Ursprung dem Maler Moritz von Schwind (1804 – 1871). lm Jahr 1847 zeichnete er für eine Bilder­folge der „Münchener Bilder­bogen“ einen „Herrn Winter“. Diese Darstel­lung, die bald ihren Siegeszug durch ganz Deutsch­land und große Teile Europas antrat, gilt als erste bildhafte Darstel­lung des Weihnachts­mannes.

Eine deutsche „Erfindung“

Bis der Kinder­freund und Gaben­bringer sein endgül­tiges Aussehen angenommen hatte, machte er den Umweg über Amerika. Entschei­dend für die weitere Tradition wurde dann der deutsch­stäm­mige Karika­tu­rist Thomas Nast, der im Jahr 1863 „Santa Claus“ für das Wochen­ma­gazin „Harper’s Weekly“ zeichnete und zwar als drollig-dicken und rundli­chen Mann mit langem Rausche­bart. Nast wählte als Heimat seines „Santa Claus“ den Nordpol, wo er Spielzeug für Kinder herstellte. In einigen kolorierten Beispielen nutzte Nast schließ­lich die Farben rot und weiß für den Weihnachts­mann, wie sie dann schon auf Postkarten und anderen Bildvor­lagen aus dem Ende des 19. Jahrhun­derts allgemein belegt sind.

Als der Werbe­gra­fiker Haddon Sundblom 1931 den „Coca-Cola-Weihnachts­mann“ schuf, war er keines­wegs dessen „Erfinder“, sondern konnte auf bereits existie­rende Vorlagen zurück­greifen, die längst das Bild des Weihnachts­mannes in der uns heute so bekannten und beliebten Form überlie­ferten. Seine Tradition und sein Aussehen sind älter und keines­wegs das Ergebnis einer erfolg­rei­chen Werbe­kam­pagne.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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