Rettung für Braun­schweigs ältesten Baum naht

Die Krone des 560 Jahre alte Winterlinde im Klostergarten (rechts) muss stark gekürzt werden. Die nebenstehende Winterlinde ist ebenfalls bereits älter als 300 Jahre. Foto: Der Löwe

560 Jahre alte Winter­linde im Kloster­garten Riddags­hausen benötigt eine Kronen­kür­zung, um langfristig zu überleben.

Die alte Winter­linde (Tila cordata) direkt am Siechen­haus neben der Kloster­kirche in Riddags­hausen gilt als ältester Baum Braun­schweigs und ist in Gefahr. Die von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz beauf­tragte Unter­su­chung ergab, dass die Verkehrs­si­cher­heit nicht mehr gegeben ist. Eine Kronen­kür­zung und weitere Arbeiten wie die Tothol­zent­fer­nung sind erfor­der­lich, um Gefähr­dungen auszu­schließen. Die Maßnahmen sollen zudem dazu beitragen, das Natur­denkmal langfristig vital zu erhalten. Das Unter­nehmen Giardino Baumpflege wird am 3. Juli mit einem Hubsteiger vor Ort sein, um den Baum zu beschneiden.

Der Stamm von Braun­schweigs ältestem Baum ist beein­dru­ckend. Foto: Der Löwe

Die aktuelle Berech­nung des Gutach­ters Christian Böhme hat nach einem anerkannten Verfahren zur Alters­be­stim­mung ein Baumalter von etwa 560 Jahren ermittelt. Demnach ist der Baum 1463 gepflanzt worden, also gut ein Jahrhun­dert vor der Refor­ma­tion in der Kloster­kirche. Die Baumart kann durchaus 1000 Jahre und älter werden.

„Der Baum ist sehr eindrucks­voll mit seinem Stamm­durch­messer von 218 Zenti­me­tern. Er ist vergessen dort in seiner Ecke, dabei ist es ein auch überre­gional ein bemer­kens­wertes Exemplar. Im Gegensatz zu anderen Bäumen, oft jüngeren, ist er wenig bekannt und taucht in keiner einschlä­gigen Liste auf. Dabei hätte er es mehr als verdient“, sagt Florian König, Inhaber von Giardino Baumpflege. Gemeinsam mit Gutachter Böhme hatte er sich eindring­lich gegen das Fällen der Winter­linde stark gemacht. Beiden ist kein älterer Baum in Braun­schweig bekannt.

Um neun Meter einkürzen

„Sowohl gestal­te­risch als auch histo­risch hat der Baum einen sehr hohen Wert und ist ein Sinnbild unserer Kultur‑, und Parkland­schaft. Der Baum ist es, auch mit den genannten Einschrän­kungen und beschrie­benen Defekten, wert, weitere Inves­ti­tionen zu tätigen“, formu­lierte Böhme in seinem Gutachten und überzeugte damit die Stiftung. Außerdem ist die Winter­linde ein idealer Habitat­baum für Fleder­mäuse und Insekten. Der Baum ist aktuell knapp 26 Meter hoch, wird aber in der Krone um rund neun Meter gekürzt. In fünf Jahren soll dann ein weiterer Korrek­tur­schnitt erfolgen.

Zur Stabi­li­sie­rung des ausge­hölten Stamms dienen Gewin­de­stangen. Foto: Der Löwe

„Das Gutachten hatten wir in Auftrag gegeben, um die Verkehrs­si­cher­heit im Kloster­garten zu überprüfen. Aufgrund der hohen Besucher­zahlen liegt es ist in unserer Verant­wor­tung, Gefähr­dungen so weit wie möglich auszu­schließen“, erläutert Manuela Knoke, beim Gebäu­de­ma­nage­ment der Stiftung für das Kloster Riddags­hausen zuständig. Im Zuge der Arbeiten wird auch die Robinie (Robinia pseudo­a­cacia) an der Südseite behandelt. Sie ist etwa 180 Jahre alt und hat im Gegensatz zur Winter­linde eine stark begrenzte Lebens­zeit von vielleicht noch 20 Jahren.

In Schenk­lengs­feld (Hessen) findet sich der älteste Baum Deutsch­lands. Es ist eine Sommer­linde (Tilia platy­phyllos), die 1255 Jahre alt sein soll. Nur etwas jünger ist der älteste Baum Nieder­sach­sens. Die Friede­riken-Eiche im Hasbruch westlich von Bremen steht seit rund 1200 Jahren. Im Braun­schwei­gi­schen ist die Kaiser-Lothar-Linde mit einem Alter von 900 Jahre am ältesten. Der Old Tjikko im schwe­di­schen Natio­nal­park Fulujället wird weltweit als ältester Baum einge­stuft. Das Wurzel­system der Gemeinen Fichte (Picea abies) ist rund 9550 Jahre alt und hat beim Absterben einen neuen Stamm gebildet.

Zustand: stark geschä­digt

Den Allge­mein­zu­stand der Winter­linde im Kloster­garten bezeichnet Gutachter Christian Böhme als „stark geschä­digt“. Die Verkehrs­si­cher­heit war zum Unter­su­chungs­zeit­punkt nicht gegeben. Der sich in der Alterungs­phase befindende Baum weise einen starken Vitali­täts­ver­lust in der Oberkrone auf. Durch den nachweis­li­chen Befall mit dem Moder­fäule verur­sa­chenden Pilz Brand­kruste sei der Nährmit­tel­aus­tausch zwischen Oberkrone und Wurzeln gestört, heißt es.

Gemäß der Gutach­ter­emp­feh­lungen wird Giardino Baumpflege tätig: Kronen­si­che­rungs­schnitt in Nachah­mung eines natür­li­chen Zerfall-Prozesses eines „Baumve­te­ranen“. Das sei im Hinblick auf das hohe Regene­ra­ti­ons­ver­mögen der Baumart möglich. Es werde dabei dem natür­li­chen Zurücksterben der Oberkrone durch Schnitt vorge­griffen. In diesem Fall sei es wegen der Ausbruch­ge­fähr­dung durch geringe Restwand­stärken bis in den oberen Kronen­be­reich, auch angeraten. Die Winter­linde ist artty­pisch im Kern stark ausge­höhlt und wird bereits mit Gewin­de­stangen stabi­li­siert.

Die Robinie ist zurzeit nicht verkehrs­si­cher und muss in der Krone gekürzt werden. Foto: Der Löwe

Die knapp 22 Meter hohe Robinie ist laut Gutachten im Allge­mein­zu­stand ebenfalls stark geschä­digt. Sie wird als „gestal­te­risch prägender Altbaum mit homogenem Kronen­aufbau“ beschrieben und auch als derzeit nicht verkehrs­si­cher einge­stuft. Die Robinie wird um drei Meter gekürzt, damit das Kronen­segel verrin­gert und die Biege­mo­mente reduziert werden. Zusätz­lich wird eine Kronen­si­che­rung durch Kunst­stoff­seile instal­liert.

Der gesamte Baumbe­stand des idylli­schen Kloster­gar­tens umfasst 37 Bäume. Neben Winter­linden und Robinien sind Eschen, Eichen und Rosskas­ta­nien zu finden. Die Bäume werden in einem regel­mä­ßigen Turnus auf Verkehrs­si­cher­heit und Stand­fes­tig­keit überprüft.

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