Landschaften auf Porzellan

Teller mit dem „Prospect von Braunschweig auf dem Fussteige nach Breitzen zu sehn“, Ausschnitt, Fürstenberg 1763-1768, Herzog Anton Ulrich-Museum (Dauerleihgabe der Richard Borek Stiftung). Foto: Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Marc Stantien

Objekt des Monats, Folge 6: Das große Tafel­ser­vice von Pascha Weitsch

Die Porzel­lan­ma­lerei mit dem „Prospect von Braun­schweig auf dem Fussteige nach Breitzen zu sehen“ steht als pars pro toto für ein einzig­ar­tiges Tafel­ser­vices, das der Landschafts­maler Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723–1803) zwischen 1763 und 1768 schuf.

Pascha Weitsch stammte aus einer Handwer­ker­fa­milie im Harzvor­land. Dank glück­li­cher Zufälle konnte sich das Talent des jungen Mannes entfalten. Autodi­dak­tisch und mit enormer Energie erarbei­tete sich Weitsch die Fähig­keiten eines profes­sio­nellen Künstlers, unter­stützt durch die Braun­schweiger Herzöge.

Nachdem er zunächst eine militä­ri­sche Laufbahn einge­schlagen hatte, stellte ihn Herzog Carl I. im Frühjahr 1757 vom Militär­dienst frei. Die außer­ge­wöhn­liche künst­le­ri­sche Begabung des Soldaten sollte für die noch junge herzog­liche Porzel­lan­ma­nu­faktur Fürsten­berg fruchtbar gemacht werden. Ein Zweig­be­trieb der Buntma­lerei hatte sich in der neuen Residenz­stadt Braun­schweig etabliert. Hier nahm Weitsch seine Tätigkeit auf und bezog bis 1774 ein Gehalt. Er machte sich auch in der Lehrlings­aus­bil­dung unent­behr­lich und wurde für seine Urteils­fä­hig­keit geschätzt.

Terrine und Unter­schale mit der „Kirche zu Küssen­brück“, Fürsten­berg 1763–1768, Herzog Anton Ulrich-Museum (Dauer­leih­gabe der Hans und Helga Eckens­berger Stiftung). Foto: Herzog Anton Ulrich-Museum Braun­schweig, Marc Stantien

Dem Zeitge­schmack entspre­chend

Bereits in den frühsten Arbeiten trat Weitsch als Landschafts­maler hervor. Er schuf, dem Zeitge­schmack entspre­chend, ideale Landschaften – sei es in der Tradition sogenannter Weltland­schaften oder in Form von arkadi­schen Szenen. Ein häufiges Motiv waren Schäfer­idyllen mit Hirten und verschie­denen Herden­tieren.

Als Porzel­lan­maler griff Weitsch auf ein reiches Reper­toire an druck­gra­phi­schen Vorlagen zurück. Neben diesen Inspi­ra­ti­ons­quellen gewann für ihn das Natur­stu­dium an Bedeutung – nicht zuletzt aufgrund seiner Neigung zur Schwermut, die er auf Empfeh­lung des herzog­li­chen Leibarztes Urban Brückmann durch Streif­züge in die Natur linderte.

Nach dem Ende des Sieben­jäh­rigen Krieges im Jahr 1763 gab Herzog Carl I. ein großes Tafel­ser­vice in der Fürsten­berger Manufaktur in Auftrag, für das auch Pascha Weitsch einen Probeteller ablie­ferte und daraufhin mit der Bemalung des gesamten Geschirrs betraut wurde. Statt zeitty­pi­scher Ideal­land­schaften gestal­tete er einen Dekor „mit den Städten, Pflecken, Ämtern und Dörfern des Braun­schwei­gi­schen Landes“. Dieser zeigt verschie­dene Gegenden mit charak­te­ris­ti­schen Gebäuden und Landschafts­pro­spekten, wie Braun­schweig, Wolfen­büttel mit der Silhou­ette des Brockens oder auch die Kirche zu Kissen­brück.

Die gedeckte Tafel bot ein zusam­men­hän­gendes Bild des Herzog­tums in seiner geogra­phi­schen Ausdeh­nung und landschaft­li­chen Ausprä­gung. Die heimi­schen Landschaften werden von Büschen und Bäumen, Erdschollen und Wurzel­werk sowie Wolken­for­ma­tionen umrahmt und dabei vor dem weiß schim­mernden Porzel­lan­grund wirkungs­voll in Szene gesetzt. Häufig sind Figuren in Rücken­an­sicht darge­stellt, um dem Betrachter den Bildraum zu erschließen und ihn am Natur­er­lebnis teilhaben zu lassen.

In der Vorbe­rei­tung wanderte Pascha Weitsch zwei Jahre lang durch das Land. Er fertigte Skizzen nach der Natur, von denen sich zahlreiche Blätter im Kupfer­stich­ka­bi­nett des Herzog Anton Ulrich-Museums erhalten haben. Im Werk des Porzel­lan­ma­lers Pascha Weitsch bildet das große Tafel­ser­vice den Höhepunkt.

Statt eines Bildes

Im Jahr 1794 schenkte Herzogin Auguste von Braun­schweig-Lüneburg, die Schwie­ger­tochter Carls I., umfang­reiche Teile des Geschirrs an ihren Neffen, zugleich ihren zukünf­tigen Schwie­ger­sohn, der als König George IV. den briti­schen Thron besteigen sollte. Auguste hatte dieses Geschenk ausge­wählt, damit ihre Tochter Caroline die Heimat nicht vergessen möge. Davon haben sich 39 Teller und 34 Suppen­teller sowie zahlreiche Terrinen, Platten, Schüsseln und Saucieren in Windsor Castle erhalten. Teile des übrigen Services gelangten später in den Kunst­handel. Dank des Engage­ments der Hans und Helga Eckens­berger Stiftung sowie insbe­son­dere der Richard Borek Stiftung konnte eine größere Stückzahl für Braun­schweig zurück­er­worben werden.

Dr. Martina Minning leitet die Abteilung Angewandte Kunst im Herzog Anton Ulrich-Museum.                                                                                                

 

 

 

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