Braun­schweigs „Wasser­büffel-Kuschler“: Was genau dahinter steckt

Blindes Vertrauen: Die Braunschweigerin Julia Schmidt und die Hondelager Wasserbüffel-Kuh Koko pflegen eine ungewöhnliche Freundschaft. Foto: Jörn-Peter Meyer

Die innige Beziehung ist besonders: Drei Rinder­be­treuer, acht Wasser­büffel. Wir haben im Norden Braun­schweigs vorbei­ge­schaut. 

Mit behut­samen Bewegungen streicht Julia Schmidt über das borstige schwarze Fell von Manor. Es ist ein stiller Moment des Vertrauens. Fast so, als würde sie mit einem Haustier kuscheln. Doch als Haustier wird Manor in seinem Leben wohl keines­falls jemals bezeichnet werden. Und so wirkt es schon ein bisschen skurril, was Julia Schmidt da tut.
Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 4.9.2024

Sekunden vorher hat die 28-Jährige noch entspannt im Gras gelegen, ihre Gummi­stiefel fest im weichen Boden verankert. Neben ihr ragen die imposanten Gestalten von Manor und Lisbeth auf der Weide bei Dibbes­dorf im Norden Braun­schweigs ins Bild. Deren große, graue Hörner biegen sich elegant nach hinten, während die beiden noch nicht ganz ausge­wach­senen Büffel friedlich in der Morgen­sonne liegen und sich kraulen lassen. Die sanften Riesen wiegen jeweils mehr als 400 Kilogramm. Das kann für die zierliche Julia Schmidt ziemlich eng werden, aber sie genießt die Nähe zu den Tieren.

Wir haben Julia Schmidt, Jörn-Peter Meyer und Sergio Giordano bei ihrer Arbeit als ehren­amt­liche Rinder­be­treuer begleitet. Ein Alltag geprägt von einer Leiden­schaft zu Tieren und einer tiefen Verbun­den­heit zu den großen, schwarzen Wieder­käuern – mit einem ernsten Hinter­grund.

So sind sie zu ihrem ausge­fal­lenen Hobby gekommen

Insgesamt 14 Wasser­büffel leben auf einer Rinder­weide mit Flutmulden und angelegten Gewässern im Norden Braun­schweigs. Foto: Daniel Kalis

Seit 2020 kümmern sich Schmidt und ihr Freund Jörn-Peter Meyer um die Wasser­büffel des Förder­kreises Umwelt- und Natur­schutz (kurz: FUN) Hondelage. Sergio Giordano, ein gemein­samer Freund, stieß 2022 zu ihnen. Die drei sind die Gründer der Initia­tive „Langes Leben“, die im Oktober 2023 ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel: den Büffeln ein möglichst langes und würde­volles Leben zu ermög­li­chen, finan­ziert durch Spenden und Paten­schaften. Die Tiere dieser Initia­tive werden nicht mehr geschlachtet oder ander­weitig genutzt, die Nachzucht einge­stellt. Sie leben fortan in dauerhaft konstanten Gruppen in Dibbes­dorf und Hondelage zusammen. „Jedes Lebewesen sollte ein Recht auf Leben und Unver­sehrt­heit haben“, erklärt Schmidt zu den Beweg­gründen der Initia­tive.
14 Wasser­büffel leben auf den Weiden in Dibbes­dorf und Hondelage im Norden Braun­schweigs. Rinder­be­treuer Jörn-Peter Meyer hat seine Drohne aufsteigen lassen und zeigt uns tolle Einblicke.

Mit Wasser­büf­feln kuscheln: So läuft der Alltag der ehren­amt­li­chen Betreuer

30 ehren­amt­liche Betreu­ende engagieren sich auf den Weiden rund um Hondelage um die in artge­rechter Haltung im Freien lebenden Wasser­büffel. Der Alltag als Rinder­be­treuer beginnt oft mit einem Rundgang über die weitläu­fige 21 Hektar große Weide bei Dibbes­dorf. „Wir überprüfen, ob alle Büffel da sind, lassen die Tiere auf uns zukommen und begrüßen sie dann“, erklärt Jörn-Peter Meyer im Gespräch mit unserer Zeitung.
Anschlie­ßend beginnt die Kuschel­ein­heit. Koko, eine vierjäh­rige Wasser­büffel-Kuh erkundet aufge­weckt und neugierig die Umgebung. Sie war der erste Büffel, der von der Initia­tive übernommen wurde. Mehrmals schnup­pert sie an den drei Gründern und leckt mit ihrer rauen Zunge an deren Händen.
Kurze Zeit später liegen mehr als 500 Kilo auf dem Weide­boden und der Kopf ist zwischen Julia Schmidts Schoß gesenkt – ein skurriler Anblick. „Das Verhältnis zu Koko ist sehr wertvoll. Dieses Vertrauen und die Nähe zum Menschen sind jedes Mal beein­dru­ckend“, schwärmt Schmidt, während sie die linke Wange von Koko massiert.

Julia Schmidt (links), Jörn-Peter Meyer (rechts) und Sergio Giordano (mittig) kümmern sich auf einer Rinder­weide bei Dibbes­dorf um Wasser­büffel. Foto: Daniel Kalis

Weshalb Wasser­büffel wertvolle Landschafts­pfleger sind

Die Wasser­büffel sind nicht nur imposante Tiere, sondern auch wertvolle Landschafts­pfleger. Die sanften Riesen können bis zu 30 Jahre alt werden. Nach einem spezi­ellen Bewei­dungs­kon­zept sorgen sie dafür, dass die Flächen bei Dibbes­dorf naturnah und vielfältig bleiben. Ihre selektive Art zu fressen hilft dabei, die Vegeta­tion auf den großen Flächen in Balance zu halten. Damit die Tiere sich wohlfühlen, wurden Flutmulden und kleine Gewässer angelegt, in denen sie sich im Sommer abkühlen können. Sie grasen am Flussufer, suhlen sich in Tümpeln, trampeln auf Pfaden über Wiesen – und helfen damit, Biotope zu erhalten.
Doch trotz aller Faszi­na­tion wissen die Betreuer, dass diese Tiere keine Kuschel­tiere sind. „Man muss ihnen mit Respekt begegnen und sollte keine schnellen, hekti­schen Bewegungen machen“, warnt Sergio. Wenn Kälber im Spiel sind, müsse man erst recht aufpassen. Koko mit ihrem Vertrauen zum Menschen könne aber ein Vorbild für die anderen Herden-Mitglieder sein. Schließ­lich gebe es Situa­tionen, in denen es wichtig sei, dass die Tiere Kontakt zu Menschen zulassen. Zum Beispiel, wenn ein Tierarzt gebraucht wird. „Ich finde Rinder faszi­nie­rend, vor allem die Ruhe, die sie ausstrahlen, beein­druckt mich. Sie wirken so dominant und majes­tä­tisch, und doch sind sie so sanft – wenn man ihnen richtig begegnet“, erklärt Schmidt weiter.

Fortwäh­rende Kritik: Wasser­büffel sind keine Haus- oder Kuschel­tiere

Die Initia­tive „Langes Leben“ sieht sich auch mit Kritik konfron­tiert. Einige werfen den Gründern vor, die Büffel zu vermensch­li­chen. „Es gibt immer wieder die Kritik, dass Büffel keine Haustiere, sondern Nutztiere sind“, berichtet Schmidt. Andere hingegen zeigen sich verärgert, da nach jahre­langem Genuss das Kaufen von teurem Büffel­fleisch nicht mehr möglich ist. Trotz dieser Kritik halten die drei Gründer an ihrem Projekt fest und betonen, dass sie den besten Kompro­miss für die Tiere bieten. Für die Zukunft der Wasser­büffel suchen die Betreuer noch weitere Paten. Inter­es­sierte können sich auf der Website des Vereins über Unter­stüt­zungs­mög­lich­keiten infor­mieren.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 4.9.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/braunschweig/article407015158/skurriles-hobby-diese-braunschweiger-kuscheln-mit-wasserbueffeln.html

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