Die fünf schönsten Fachwerk­häuser Braun­schweigs

Steht in Elmar Arnholds Liste der schönsten Braunschweiger Fachwerkbauten ganz oben: Der Ritter St. Georg, Alte Knochenhauerstraße 12. Foto: Elmar Arnhold

Elmar Arnhold hat ein neues Buch über die Fachwerk­ar­chi­tektur in Braun­schweig heraus­ge­bracht. Es ist mehr erhalten, als man denkt.

Rund 2000 Fachwerk­häuser besaß Braun­schweig noch zu Beginn des 20. Jahrhun­derts und war damit eine der größten deutschen Fachwerk­städte. Nach dem von den Nazis entfachten Zweiten Weltkrieg blieben nur noch 120 im Stadtkern erhalten, einige davon umgesetzt, mit mehr oder weniger Origi­nal­teilen wieder­auf­ge­baut.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 25.11.2024

Für Elmar Arnhold, Bauhis­to­riker und Lehrbe­auf­tragter für Bautech­nik­ge­schichte der TU Braun­schweig, genau der Grund, diese verblie­benen Schätze zu dokumen­tieren. Nachdem er in ähnlichem Format bereits die Braun­schweiger Brücken und Plätze erörtert hat, stellt der neue Band nun 46 Objekte in schönsten Farbbil­dern und kurzen Erklä­rungen vor. Spannend zu lesen ist aber auch sein einlei­tender Überblick über die Geschichte des Fachwerk­baus und seine Beson­der­heiten in Braun­schweig. Mit Beispiel­bil­dern und Glossar erschließt er so die Entwick­lung des Fachwerk­baus und seiner Zierformen über die Jahrhun­derte.

Für uns hat er seine fünf Favoriten zusam­men­ge­stellt:

1. Alte Knochen­hau­er­straße 12 (Ritter St. Georg)

In voller Fachwerk­schön­heit: Das Haus Alte Knochen­hau­er­straße 12, genannt Ritter St. Georg. Foto: Elmar Arnhold

Dieses bestens restau­rierte Fachwerk­haus ist heute unter dem Namen des dort betrie­benen Restau­rants Ritter St. Georg bekannt. Das Eckhaus wurde 1489 für den Schlachter Hans Haverland gebaut, die Schlachter – Knochen­hauer – waren in dieser Straße ansässig. Zur Straße hin ist die Dachseite (Traufe) des Hauses zu sehen, diese „trauf­stän­dige“ Anordnung ist typisch für Braun­schweig. In anderen norddeut­schen Städten wie z.B. Celle sind die Häuser mit dem Giebel zur Straße angeordnet. Der Giebel ist hier nur zu sehen, weil es sich um ein Eckhaus handelt. Sehr schön sind die vorkra­genden Stock­werke hervor­ge­hoben, die auf sogenannten Knaggen ruhen. Diese senkrechten Streben sind hier mit Heili­gen­fi­guren verziert. Darunter befinden sich St. Georg, der heilige Ritter, und an der Ecke St. Chris­to­phorus, der Chris­tus­träger: Er steht mit den Füßen in Wellen­li­nien, also im Wasser, über das er das Chris­tus­kind auf seinem Arm trägt. Am Balken­kopf darüber ist eine Fratze zu sehen, die das Böse abwenden soll. Zwischen den Fächern der Etagen­simse befindet sich ein Fries aus auf- und abfüh­renden Stufen, ein sogenannter Treppen­fries.

Die geschwun­genen, sogenannten Vorhang­fenster im Erdge­schoss sind aller­dings eine Zutat aus der ersten Sanierung im 19. Jahrhun­dert, als man gern histo­ri­sche Formen nachahmte. Die Epoche heißt daher Histo­rismus. Arnhold betont, dass erst in dieser Zeit ein Bewusst­sein für die histo­ri­sche Bausub­stanz entstand. Auch in Braun­schweig waren bis dahin viele Fachwerk­häuser abgerissen worden, um neuen Wohn‑, Geschäfts- und Verwal­tungs­ge­bäuden zu weichen. Beim Abriss des Hauses zum Stern am Kohlmarkt gab es aller­dings so viele Proteste, dass ein Umdenken einsetzte.

2. Hunebors­tel­sches Haus, heute Burgplatz 2a

Fachwerk am Burgplatz: Das Von Veltheim­sche Haus (links) steht hier original, das Hunebors­tel­sche Haus (rechts) wurde hierher vom Sack versetzt. Foto: Elmar Arnhold

Dieses für den Patrizier Friedrich Huneborstel 1525 am Sack 5 erbaute Fachwerk­haus verdankt seine Rettung dem neuen Geschichts­be­wusst­sein. Fassade und Dachkon­struk­tion wurden 1902 an den Burgplatz versetzt, wo sie den Neubau der Handels­kammer mit Origi­nal­teilen histo­risch erscheinen lassen. Als für Braun­schweig typisches Querdie­len­haus – in der Heide waren dagegen die Hallen­häuser mit Giebel zur Straße und Längs­diele üblich – zeigt es die Dachseite zum Platz und eine Diele, in die seitlich und überein­ander über die gesamte Dielen­höhe Kontor und Kammern eingebaut waren. Aus dem beheizten Kontor ließen Löcher Warmluft auch in die Kammern dringen. Die Etagen dienten als Waren­lager, nicht zum Wohnen. Das änderte sich erst im Barock.

Die während des Zweiten Weltkriegs ausge­la­gerte Fassade ist mit Darstel­lungen der Plane­ten­götter verziert. In der Ecke der zweiten Etage ist ein dudel­sack­spie­lender Affe versteckt, der mit einer verblassten nieder­deut­schen Inschrift in Verbin­dung steht und den Betrachter verhöhnt: Während er Affe sitze und gaffe, könnte der andere weiter­gehen, womit ihn der Affe quasi zum Mitaffen macht.

3. Ackerhof 2

Jüngstes Sanie­rungs­bei­spiel: Das Fachwerk­haus Ackerhof 2.
Foto: Elmar Arnhold

Gerade erst fertig geworden ist die Restau­rie­rung des Fachwerk­kom­plexes Ackerhof 2 mit Anbauten in der Lange­damm­straße und am Ölschlä­gern. Arnhold, der als Bauhis­to­riker auch für den Denkmal­schutz und private Sanierer Gutachten erstellt, hat hier die histo­ri­schen Bauphasen und Verän­de­rungen dokumen­tiert. Finan­ziert von der Richard-Borek-Stiftung konnte hier ein Fachwerk­haus mit der ältesten bekannten inschrift­li­chen Fachwerk­da­tie­rung gerettet werden. Die Inschrift von 1432 ist nach histo­ri­schem Befund wieder mit Blattgold hervor­ge­hoben. Im Erdge­schoss befand sich zuletzt die Zoohand­lung Adam, schon länger hatten dort Schau­fenster die alte Substanz zerstört.

Auf Arnholds Anraten musste entschieden werden, welcher histo­ri­sche Zustand rekon­stru­iert werden sollte. Für die Haupt­front zum Ackerhof wurde die barocke Überar­bei­tung zum Maßstab genommen, als die Vorkra­gungen zurück­ge­baut, die Knaggen und Verzie­rung abgetragen waren, um eine symme­tri­sche, plane Erschei­nung zu erzielen. Damals waren Gebälk und Füllungen einheit­lich übermalt, so dass der Eindruck eines Stein­hauses erzeugt wurde. Am Neben­ge­bäude soll es sogar einen Marmor imitie­renden Putz gegeben haben. Jetzt ist das Holz am Ackerhof wieder rotbraun abgesetzt. Im Anbau Lange­damm­straße wurde eine Wandma­lerei aus der Spätre­nais­sance freige­legt, sie zeigt einen Mann, der einen Fisch in einen Topf legt.

4. Gülden­straße 7 (Haus zur Hanse)

Im Haus Gülden­straße 7 wurde die Wolters-Brauerei gegründet. Foto: Elmar Arnhold

Nach dem hier lange Zeit ansäs­sigen Restau­rant wird das Gebäude bis heute oft Haus zur Hanse genannt. Es wurde 1567 für den Knochen­hauer Cyriakus Haverland gebaut und ist eines der größten Fachwerk­häuser Braun­schweigs. Deutlich zu sehen ist die Vorkra­gung des obersten Stocks, die als Konsolen gearbei­teten Knaggen als Stützen und der Ketten­fries, der sich als Band ovaler Glieder darüber­hin­zieht. In dem Haus betrieb die Familie Wolters seit 1739 eine Brauerei, die später zum Hofbrau­haus ernannt wurde und an die Wolfen­büt­teler Straße zog, wo sie bis heute besteht. Arnhold nennt das Haus aber auch als Beispiel früher Restau­rie­rung. Schon 1869 wurde es saniert, aber auch histo­ri­sie­rend überar­beitet. So gehen die Brüstungen mit den Löwen­köpfen im ersten Stock und der Eingang sowie die Gauben und das Zwerch­haus im Dach erst auf diese Zeit zurück.

5. Damm 4

Das unmit­telbar am Katzen­brunnen gelegene Fachwerk­haus von 1522 zeigt noch sehr schön die vorkra­genden Stock­werke. Auch sind an den Knaggen zum ersten Stock noch die geschnitzten Heili­gen­fi­guren erhalten. Dagegen wurden die Schnit­ze­reien an den Querbalken, Gesimsen und den Fächern abgeschlagen, um glatte Oberflä­chen zu schaffen, als das Fachwerk im Bieder­meier verputzt wurde. Entspre­chend poliert sehen die jetzt wieder freige­legten Balken aus. Die Lüftungs­gitter vor den Fenstern im letzten Geschoss erinnern an die ursprüng­liche Funktion als Speicher. Dort, wo die Dreiecke unter den Gittern fehlen, befand sich einst eine Ladeluke, erläutert Arnhold.

An diesem Fachwerk­haus am Damm 4 sind die Heili­gen­fi­guren an den stützenden Knaggen noch erhalten, der andere Ornament- und Figuren­schmuck wurde im Bieder­meier abgeschlagen, als das Haus verputzt wurde.
Foto: Elmar Arnhold

Heute formu­liert Elmar Arnhold unmiss­ver­ständ­lich: „Braun­schweig kann sich keine Verluste mehr leisten!“ Die erhal­tenen Häuser ermutigen ihn aber zu der Aussage: „Fachwerk trägt noch immer zur unver­wech­sel­baren Identität unserer Stadt bei.“ Wie schön die meisten Häuser inzwi­schen restau­riert sind, zeigen die Fotos der 46 ausge­wählten Vorzei­ge­ob­jekte. Am besten mit dem Buch in der Hand an einem Sonnentag einmal die Häuser abgehen, sie liegen fast alle geballt auf den Tradi­ti­ons­in­seln um St. Michaelis, Kohlmarkt, Vor der Burg und im Magni­viertel.

Elmar Arnhold: „Fachwerk­häuser in Braun­schweig“, Richard-Borek-Stiftung, 128 Seiten, 255 Farbbilder, 12,90 Euro.

 

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