Gebäude mit großer Tradition und ungewisser Zukunft

Das Große Weghaus in Stöckheim, Nordseite. Foto: Michael Schmidt
Das Große Weghaus in Stöckheim, Nordseite. Foto: Michael Schmidt

Geschichte(n) von nebenan, Folge 3: Das Große Weghaus in Braun­schweig-Stöckheim.

Am ehema­ligen herrschaft­li­chen Weg liegt das Große Weghaus in Stöckheim. Der Ort war durch seine Lage auf halber Strecke zwischen den Residenzen der Braun­schweiger Herzöge in Braun­schweig und Wolfen­büttel ein idealer Standort für den Bau eines Gasthauses, um den Reisenden einen Zwischen­halt zu bieten. Zwischen 1691 und 1693 errich­tete der Kammer­se­kretär Johann Urban Müller mit höchs­t­her­zog­li­cher Bewil­li­gung das Gasthaus, das in seiner Geschichte Herberge für viele bekannte Persön­lich­keiten wurde. Jetzt steht es zum Verkauf.

Wirtshaus am herrschaft­li­chen Weg

Den herrschaft­li­chen Weg ließen einst die Braun­schweiger Herzöge anlegen, um eine schnelle Verbin­dung zwischen ihren Residenzen in Braun­schweig und Wolfen­büttel zu schaffen. Davor mussten sie sich den alten Heerweg mit den Ochsen­karren von Bauern und Händlern teilen. Quasi eine Schnell­straße ausschließ­lich für die Herzöge und ihr Gefolge. Die Benutzung war streng regle­men­tiert und seine Nutzung wurde als Privileg an hochste­hende Persön­lich­keiten vergeben.

Das Große Weghaus in Stöckheim, Südseite. Foto: Michael Schmidt
Das Große Weghaus in Stöckheim, Südseite. Foto: Michael Schmidt

Findige Bürger, aber auch Händler fanden jedoch Mittel und Wege sich Zugang zu diesem Privileg zu verschaffen. Die Verlegung der herzog­li­chen Residenz nach Braun­schweig bewog die Herzöge dann doch, den herrschaft­li­chen Weg allgemein zu öffnen, aller­dings gegen Gebühr. Im Stöck­heimer Weghaus wurde zu diesem Zweck eine Mautsta­tion einge­richtet.

Der Wegezoll entfiel erst 1868, nachdem die 1. Staats­ei­sen­bahn zwischen Braun­schweig und Wolfen­büttel sowie die Einrich­tung eines Postkut­schen­dienstes, die Wegezoll-Einnahmen rapide sinken ließen. Die Bedeutung des Großen Weghauses als Wirtshaus blieb aller­dings bestehen, nahm nach der Einrich­tung der Straßen­bahn­linie zwischen Braun­schweig und Wolfen­büttel sogar nochmals zu. Das Gasthaus wurde zum Ausflugs­ziel.

Das Großes Weghaus in Stöckheim, um 1840, Lithografie W. Pinx. Foto: gemeinfrei
Das Großes Weghaus in Stöckheim, um 1840, Litho­grafie W. Pinx. Foto: gemein­frei

Berühmte Gäste im Großen Weghaus

In seiner Geschichte stellten sich im Großen Weghaus illustre Gäste ein. Gotthold Ephraim Lessing gehörte dazu, der zwischen Braun­schweig und Wolfen­büttel, seinem Arbeitsort, häufig pendelte. Später gehörte Wilhelm Raabe und die Gesell­schaft der „Kleider­seller“ zu den häufigen Gästen dort. In Raabes Roman „Wunnigel“ erwähnt er ein Gasthaus „Riedhorn“ dessen Vorlage das Große Weghaus war.

Das barocke Große Weghaus steht mitten auf dem herrschaft­li­chen Weg. Es erhielt daher in der Mitte des Hauses eine Durch­fahrt, die es den herrschaft­li­chen Gästen erlaubte, mit ihren Kutschen hinein­zu­fahren und trockenen Fußes in die Gasträume zu gelangen. Diese Durch­fahrt ist auch heute noch deutlich durch die großen Türen zwischen den toska­ni­schen Doppel­säulen zu erkennen. Äußerlich hat sich das barocke Erschei­nungs­bild erhalten, im Inneren haben zahlreiche Umbauten die ursprüng­liche Ausstat­tung verdrängt. Auch der barocke Lustgarten, der sich östlich anschloss, ist bis auf eine kleine parkähn­liche Grünfläche verschwunden.

Hinweistafel auf die prominenten Gäste Lessing und Raabe. Foto: Michael Schmidt
Hinweis­tafel auf die promi­nenten Gäste Lessing und Raabe. Foto: Michael Schmidt

Die ungewisse Zukunft eines histo­ri­schen Gebäudes

2014 wurde das Gebäude nochmals teilsa­niert, um zeitge­mäßen Nutzungen zu ermög­li­chen. Es beher­bergte in der Folgezeit, eine türkische Gaststätte, im ersten Oberge­schoß Agentur­räume und im zweiten Oberge­schoß eine Privat­woh­nung. Der jetzige Eigen­tümer bietet es nun für 1,9 Millionen Euro zum Verkauf an.

Viele Stöck­heimer Bürger würden sich in dem denkmal­ge­schützten Gebäude eine öffent­liche Nutzung als Kultur- und Gemein­de­zen­trum wünschen, was aller­dings angesichts knapper öffent­li­cher Kassen ein frommer Wunsch bleiben wird. Es bleibt zu hoffen, dass ein neuer Eigen­tümer und die zukünf­tige Nutzung der histo­ri­schen Bedeutung des Gebäudes für die Braun­schweiger Geschichte gerecht werden.

Michael Schmidt ist Stadt­teil­hei­mat­pfleger für Stöckheim.

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