Drama­ti­sches Zugun­glück bei Jerxheim

Die noch dampfende Lokomotive Hercynia ist entgleist. Bild eines unbekannten Malers. Archiv: IBR
Die noch dampfende Lokomotive Hercynia ist entgleist. Bild eines unbekannten Malers. Archiv: IBR

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 1: Ein unbekannter Maler hielt den Moment des Unfall mit einem Bild fest.

Braun­schweig und seine Region war bereits im 19. Jahrhun­dert in mehrfa­cher Hinsicht eine Verkehrs­kom­pe­tenz-Region. Am 1. Dezember 1838 wurde die Eisen­bahn­strecke von Braun­schweig nach Wolfen­büttel eröffnet. Dieses vorläu­fige Teilstück der späteren Strecke nach Neustadt (Bad Harzburg) war die erste Linie einer Staats­bahn in Deutsch­land. Mit ihr begann eine neue Epoche der Mobilität nicht nur im Herzogtum Braun­schweig, sondern in ganz Norddeutsch­land.

Neue Mobilität, techni­sche Innova­tion und wirtschaft­liche Expansion kennzeich­neten diese Entwick­lung, die rasch auf die benach­barten Länder Hannover und Preußen übergreifen sollte. Dieser Fortschritt lässt sich jedoch ohne den entschei­denden Impuls in Braun­schweig nicht denken. Zeitpunkt und techni­sche Möglich­keiten hatten sich hierbei ideal ergänzt, denn die Bahn förderte im Zuge der begin­nenden Indus­tria­li­sie­rung ganz entschieden die Entwick­lung der Wirtschaft im Herzogtum.

1843 erfolgte auch von Braun­schweig über Oschers­leben nach Magdeburg die Anbindung in Richtung Berlin und der wirtschaft­liche Aufschwung der Region Braun­schweig setzte sich fort. Geschwin­dig­keit, techni­scher Fortschritt und gesell­schaft­liche Vorbe­halte sind Momente dieser neuen Zeit, bei der mancher Beobachter Ängste vor dem Neuen entwi­ckelte. Selbst­ver­ständ­lich musste man mit Gefahren sowie Folgen von Unglücks­fällen rechnen und sie traten ein.

Es war der 9. September 1844, als in der Nähe von Jerxheim ein gewal­tiges Krachen die Menschen aufschreckte. Man brauchte nicht lange zu rätseln, was geschehen war, denn die Nachricht von dem Eisen­bahn­un­glück verbrei­tete sich wie ein Lauffeuer. Die Skeptiker und Technik­feinde sahen sich sogleich in ihrer Meinung bestätigt, wie gefähr­lich das neue – stinkende und lärmende – Ungeheuer tatsäch­lich ist. Die Bahnstrecke von Oschers­leben nach Braun­schweig, die ein Jahr zuvor eröffnet worden war, musste gesperrt werden, um die Spuren des Unglücks restlos zu besei­tigen. Zunächst jedoch galt es, die Verletzten – Männer, Frauen und Kinder – aus den Trümmern zu bergen.

Die drama­ti­schen Ereig­nisse dieses Unglücks hat ein unbekannter Maler auf einem eisernen Tablett im Bild festge­halten: Offenbar durch eine falsch gestellte Weiche entgleiste der Zug Oschers­leben – Braun­schweig. Neben der Böschung liegt die noch dampfende Lokomo­tive Hercynia – eine Anspie­lung im Namen auf den Harz -, wobei der Fahrer­stand zerstört ist und die beiden Lokführer verletzt auf den Schienen sitzen und um Hilfe rufen. Die ersten Waggons des Zuges sind überein­ander geschoben, von den Gleisen gekippt und erheblich zertrüm­mert. Verletzte Passa­giere befinden sich noch in den Trümmern, andere wurden heraus­ge­schleu­dert und liegen auf den Bahngleisen oder auch neben der Böschung. Links am Bildrand läuft eine Person eilig davon, mögli­cher­weise derjenige, der durch die falsche Bedienung der Weiche das Unglück verur­sacht hatte.

Im Vorder­grund des Bildes, unmit­telbar neben der Lok, stehen zwei Herren, die das Unglück offenbar ohne Schaden überstanden haben und das Geschehen lebhaft disku­tieren. Dabei handelt es sich um den Fabrik­be­sitzer Gill aus Halber­stadt und den Stadt­di­rektor von Braun­schweig, Wilhelm Bode. Diesem hatte Herr Gill auch das Gemälde »zum Andenken an die glücklich überstan­dene Gefahr« geschenkt. Auf diese Weise haben wir heute ein aktuelles Bild von einem der ersten größeren Zugun­glücke aus der Frühzeit der braun­schwei­gi­schen Eisenbahn, denn die Erste Deutsche Staats­ei­sen­bahn zwischen Braun­schweig und Wolfen­büttel war bekannt­lich erst sechs Jahre zuvor eröffnet worden.

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