An Hochmut und Selbst­über­schät­zung geschei­tert

Heinrich der Löwe. Foto: Der Löwe
Heinrich der Löwe. Foto: Der Löwe

Heute vor 825 Jahren starb der einst so mächtige Heinrich der Löwe als nach einem Streit mit Kaiser Barba­rossa entmach­teter Herzog von Sachsen und Bayern.

Landes­ver­räter, rücksichts­loser Macht­po­li­tiker, Herzog mit fast königs­glei­chem An-sehen und dazu geprägt von Hochmut, Habgier, Geiz und Selbst­über­schät­zung. All diese Bezeich­nungen begegnen uns bei der Beschäf­ti­gung mit der Person von Heinrich dem Löwen. Trotz dieser vielfäl­tigen negativen Charak­te­ri­sie­rung seiner Person, handelte es sich bei Heinrich dem Löwen zweifellos um eine der auffäl­ligsten, aber auch umstrit­tensten europäi­schen Herrscher­per­sön­lich­keiten des Mittel­al­ters. Am 6. August 1195, heute vor 825 Jahren, verstarb Heinrich der Löwe und wurde in Braun­schweig in der Stifts­kirche St. Blasius, dem Braun­schweiger Dom, neben seiner Gemahlin Mathilde beigesetzt.

Von der Erblast zur Residenz­stadt

Über die Kindheit und Jugend Heinrichs vermut­lich in Altdorf am Bodensee ist wenig bekannt. Selbst sein Geburts­jahr um 1129/30 ist nur eine Vermutung. Unbestritten ist jedoch, dass die Jugend­zeit Heinrichs durch den staufisch-welfi­schen Konflikt bestimmt war. Als Heinrichs Vater am 20. Oktober 1139 starb, übernahm Heinrich Braun­schweig als Erblast und machte es zu seiner Residenz­stadt. Erst als seine Großmutter Richenza, die Witwe von Kaiser Lothar III., 1141 starb, gab es eine Chance auf einen Ausgleich der Inter­essen zwischen Staufern und Welfen, an dem auch der König inter­es­siert war.

Auf dem Reichstag 1142 in Frankfurt wurde Heinrich als Herzog von Sachsen anerkannt. Als am 4. März 1152 in Frankfurt Friedrich I. Barba­rossa zum Nachfolger Konrads gewählt wurde, begann für mehr als zwei Jahrzehnte eine Phase der fried­li­chen Koexis­tenz von Staufern und Welfen. Noch im Frühjahr 1152 erhielt Heinrich der Löwe von seinem Vetter die Reichs­vogtei Goslar als Lehen, eine Entschei­dung von weitrei­chender Bedeutung, denn damit waren auch die reichen Silber­vor­kommen des Rammels­bergs verbunden. Auf dem Reichstag im Juni 1154 in Goslar wurde Heinrich dem Löwen schließ­lich auch das Herzogtum Bayern zugespro­chen.

Römischen Aufstand nieder­ge­schlagen

Das Grabmal im Dom. Foto: Der Löwe
Das Grabmal im Dom. Foto: Der Löwe

Die Gemein­sam­keit von Friedrich I. und Heinrich dem Löwen beein­flusste die Reichs­ge­schichte entschei­dend. Dies zeigte sich bereits im Oktober 1154, als Heinrich der Löwe den König auf dessen ersten Itali­enzug beglei­tete und bei der Kaiser­krö­nung durch Papst Hadrian am 18. Juni mit seinen sächsi­schen Rittern einen Aufstand der Römer gegen den Kaiser nieder­schlug.

Heinrich der Löwe setzte seine Macht­an­sprüche in Sachsen und Bayern rigoros durch, wie sich bei der Gründung Münchens zeigte: Im Herbst 1157 hob Heinrich der Löwe die Markt- und Zollstätte an der Isar bei Föhring auf und zerstörte die dort bestehende Brücke. Statt­dessen ließ er in unmit­tel­barer Nähe einer alten Mönchs­sied­lung mit der Bezeich­nung Munichen eine neue Brücke anlegen, um an diesem Ort Markt, Münze und Zoll selbst einzu­richten. Damit wurde der Grund­stock für die heutige Stadt München gelegt, jedoch nicht weil Heinrich als Städte­gründer aktiv sein wollte, sondern weil er sich Einnahmen sichern wollte. Die zahlrei­chen Zugeständ­nisse des Kaisers an den zu dieser Zeit mächtigsten deutschen Fürsten hatten jedoch die Unter­stüt­zung durch den Herzog zur notwen­digen Voraus­set­zung.

Bedeu­tungs­zu­wachs dank Mathilde

So hatte er sich aktiv auch am zweiten Itali­enzug des Kaisers beteiligt, nahm am Feldzug gegen Polen 1157 teil, vermit­telte mehrfach zwischen Friedrich und dem Papst und war häufig in politi­schen Missionen zugunsten und im Auftrag Fried­richs I. unterwegs. Wie weit er sich in die innen- und außen­po­li­ti­schen Ziele des Kaisers einbinden ließ, wie groß seine persön­liche Bedeutung tatsäch­lich war und wie eng zu dieser Zeit immer noch das Bündnis zwischen Welfen und Staufern war, zeigte das Jahr 1168. Heinrich der Löwe heiratete auf Vorschlag des kaiser­li­chen Hofes in zweiter Ehe Mathilde, die Tochter des engli­schen Königs Heinrich II., was erheb­li­chen Bedeu­tungs­zu­wachs bewirkte.

Um 1170 war Heinrich der Löwe auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt. Seine Terri­to­ri­al­po­litik hatte zu einer fast geschlos­senen Einheit seines Landes geführt und sein inter­na­tio­nales Ansehen hatte durch die Hochzeit mit Mathilde in größt­mög­li­chem Maße gewonnen. Ausdruck dieser Stellung des Herzogs wurde seine Pilger­fahrt ins Heilige Land im Jahre 1172. In Byzanz und Jerusalem wurde Heinrich der Löwe mit Ehren empfangen, wie sie sonst nur bei einem König üblich waren. Zu dieser Zeit hatte sich jedoch in Sachsen eine politi­sche Opposi­tion gegen den Welfen­herzog gebildet. Noch handelte dieser jedoch im Einver­nehmen und mit Unter­stüt­zung des Kaisers.

Der Burglöwe als Zeichen der Macht

Der Burglöwe. Foto: Der Löwe/Peter Sierigk
Der Burglöwe. Foto: Der Löwe/Peter Sierigk

Zentrum der Macht und der Reprä­sen­ta­tion war für Heinrich der Löwe Braun­schweig. Er entfal­tete nach dem Pilgerzug eine rege Bautä­tig­keit. Die nach dem Vorbild der Königs­pfalzen ausge­baute Burg Dankwar­derode, die größer war als alle von Friedrich I. errich­teten Pfalzen, erfuhr mit dem Bau der neuen Stifts­kirche seit 1173 eine zentrale Ergänzung des Burgbe­zirkes. Schon die 1166 aufge­stellte Löwen­figur war sicht­bares Zeugnis der Macht und Reprä­sen­ta­tion des Herzogs.

Doch die Zeiten wandelten sich, der Einfluss der Opposi­tion wurde größer und Heinrich der Löwe setzte das notwen­dige Einver­nehmen mit dem Kaiser aufs Spiel. Dies wurde bei Fried­richs I. fünftem Itali­enzug deutlich, an dem sich Heinrich der Löwe nicht mehr betei­ligte. Als der Kaiser in eine militä­risch bedroh­liche Lage geriet, suchte er Hilfe bei Heinrich dem Löwen, mit dem er sich 1176 in Chiavenna nördlich des Comer Sees traf. Barba­rossa bat Heinrich, um Hilfe, doch der verwei­gerte sie.

Sturz im Jahr 1180

Diese Undank­bar­keit des Herzogs und die Verken­nung der Tatsache, dass letztlich nur die Hilfe des Kaisers den Ausbau der herzog­li­chen Macht in Sachsen ermög­licht hatte, wurden zum entschei­denden Fehler der Politik Heinrichs des Löwen und führte zu seinem Sturz im Jahr 1180. Es sollte zu Lebzeiten Barba­rossas zu keiner Aussöh­nung zwischen Staufern und Welfen mehr kommen. Heinrich der Löwe lebte isoliert in Braun­schweig, dessen Burgbe­zirk er syste­ma­tisch zu einer der ersten festen Herrscher­re­si­denzen des Mittel­al­ters ausbaute.

Inschrift des Grabmals im Dom. Foto: Der Löwe
Inschrift des Grabmals im Dom. Foto: Der Löwe

Eine letzte Wende im Verhältnis zwischen Staufern und Welfen bedeutete Ende des Jahres 1193 die Ehe von Heinrichs des Löwen Sohn, Heinrich, mit der staufi­schen Prinzessin Agnes, wodurch eine Verstän­di­gung zwischen Kaiser Heinrich VI. und Heinrich dem Löwen in Gang kommen konnte. Auf dem Weg zu einem Treffen stürzte Heinrich der Löwe vom Pferd und verletzte sich schwer. Dennoch kam es im März 1194 in der Pfalz Tilleda am Kyffhäuser zur Aussöh­nung zwischen Staufer­kaiser und Welfen­herzog.

Der Sohn von Heinrich und Mathilde, Otto IV. von Braun­schweig (1175 ‑1218), war von 1209 bis 1218 Kaiser des römisch-deutschen Reiches.

Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig

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