Sechs Zeilen als Wertschät­zung

Mit diesem Brief wurde Irma Dziomba zur Gründung des VfL Wolfsburg eingeladen. Foto: VfL Wolfsburg
Mit diesem Brief wurde Irma Dziomba zur Gründung des VfL Wolfsburg eingeladen. Foto: VfL Wolfsburg

Große Sport­per­sön­lich­keiten, Folge 4: Irma Dziomba trieb 1945 die Gründung des Vereins für Leibes­übungen Volks­wa­gen­werk als einzige Frau mit voran.

Wir schreiben das Jahr 1945. Das Land liegt in Trümmern. Auch das Volks­wa­gen­werk ist zu zwei Dritteln zerstört. Die Ansied­lung drumherum hat kaum mehr als 2500 Einwohner. Mit der Bezeich­nung „Stadt des KdF-Wagens bei Fallers­leben“ wollen die aber nichts mehr zu tun haben. Wolfsburg, benannt nach dem Schloss an der Aller, soll die Stadt künftig heißen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird ein neues Kapitel aufge­schlagen. Die Menschen wollen nach Nazi-Terror und Bomben­hagel den Neuanfang: Dazu gehört auch der Sport.

Die Kraft des Sports

Irma Dziomba und ihre Mitgründer des VfL Wolfsburg: Foto: VfL Wolfsburg
Irma Dziomba und ihre Mitgründer des VfL Wolfsburg: Foto: VfL Wolfsburg

1945 ist auch das Geburts­jahr des VfL Wolfs­burgs, am 12. September sein 75jähriges Bestehen feiert. In dieser schwie­rigen und von Entbeh­rungen gezeich­neten Zeit an die Gründung eines Sport­ver­eins zu denken, unter­mauert die Kraft des Sports. Mit Irma Dziomba – und das war damals noch eher ungewöhn­lich – zählte in Wolfsburg auch eine Frau zu den treibenden Kräften für den Verein für Leibes­übungen. Sie gehört zu den großen Sport­per­sön­lich­keiten der Region.

Sie zählte neben Herbert Chall, Sepp Dietz, Alois Dilla, Willi Hilbert, Kurt Lindner, Heinz Schacht, Arthur Schickl, Erich Schilling, Adam Schröck, Fritz Walb und Rudolf Zenker zu den zwölf Gründungs­mit­glie­dern, die eine Einladung des damaligen Bürger­meis­ters Dr. Laurent erhalten hatte. Darin hieß es: „Zu der am Mittwoch, den 12.9., abends 19 Uhr im Sitzungs­zimmer der Neuland statt­fin­denden Bespre­chung zwecks Gründung eines Sport­ver­eins werden Sie hiermit höflichst einge­laden. Im Interesse des Sports ist Ihr Erscheinen sehr erwünscht.“ Das ist große Wertschät­zung in sechs Zeilen.

Erlaubnis der Engländer

An diesem Abend wurde der „Verein für Leibes­übungen Volks­wa­gen­werk“ gegründet. Voraus­ge­gangen waren, so steht es in der Chronik des VfL Wolfsburg, seit Mai 1945 erste Bespre­chungen, um von der engli­schen Besat­zungs­macht die Erlaubnis zur Gründung eines Sport­ver­eins zu erhalten. Im Juli durfte schließ­lich zunächst ein „Volks­sport- und Kultur­ver­eins“ ins Leben gerufen werden. Doch schnell wurde die Neugrün­dung eines Sport­ver­eins disku­tiert und letztlich auch durch­ge­setzt.

Der Anfang des VfL war wie überall in dieser Zeit schwer. Die Umstände werden in der VfL-Chronik geschil­dert: Der Sport­platz musste von Steinen und Bewuchs befreit werden. Bewohner spendeten Sport­ge­räte, die sie noch besaßen. Auch die britische Besat­zungs­macht stellte Geräte und Ausrüs­tungs­ge­gen­stände zur Verfügung. Aus dem zerstörten Volks­wa­gen­werk konnten einige Sport­ge­räte der ehema­ligen, von 1938 bis 1944 dort bestehenden Betriebs­sport­ge­mein­schaft gerettet werden. Die erste Geschäfts­stelle war eine Baracke am Steimker Berg. Und das erste Vereins­lokal wurde der „Branden­burger Adler“, der heute längst abgerissen ist.

In Berlin ausge­bildet

Irma Dziomba brachte ihre Erfah­rungen in Sport und Sport­or­ga­ni­sa­tion ein. Die aus der Nieder­lau­sitz stammende Lehrerin hatte an der Sport­hoch­schule Berlin ihre Ausbil­dung erhalten und war ihrem Mann nach Wolfsburg gefolgt, wo sie neben ihrer Tätigkeit an der damals einzigen Grund­schule schnell Turnvor­füh­rungen und ‑wettkämpfe organi­sierte. Sie übernahm die Gymnastik-Abteilung, ihr Mann Willi die Turnab­tei­lung. Fußball übrigens zählte nicht zu den sieben ersten Sport­arten, die betrieben werden sollten. Das waren Boxen, Gymnastik, Handball, Radsport, Schach, Tennis und Turnen. Fußball kam erst zwei Wochen später hinzu und war lange Zeit nur eine von vielen Abtei­lungen.

Kräftige Spuren

Irma Dziomba, die 1972 bei einem Autoun­fall in Spanien ums Leben kam, hinter­ließ kräftige Spuren beim VfL Wolfsburg. Ihre Tochter, ihr Schwie­ger­sohn, ihr Enkel und ihr Urenkel wurden alle Wolfs­burger Sport­lerin oder Sportler des Jahres. Es sind Sprin­terin Christel Knipphals, Handball-Torwart Hans-Jürgen Knipphals, Weitspringer Jens Knipphals und zuletzt Sprinter Sven Knipphals.

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