Volker Laske hört, wie viele Vögel im Wald leben

Die Vögel sind im Wald nicht zu erkennen. Sie werden nach Gehör gezählt. Foto: Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz / Andreas Greiner-Napp
Die Vögel sind im Wald nicht zu erkennen. Sie werden nach Gehör gezählt. Foto: Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz / Andreas Greiner-Napp

Unter­su­chungs­fläche ST 056 Streit­holz ist Braun­schwei­gi­scher Bestand­teil der bundes­weiten Brutvo­gel­kar­tie­rung.

Es ist nicht sonder­lich überra­schend, dass sowohl die Arten­viel­falt als auch die reine Popula­tion von Brutvö­geln angesichts der Entwick­lung unserer Umwelt auch im Braun­schwei­gi­schen rückläufig sind. Im Zeitraum zwischen 1992 bis 2016 nahmen die Bestände nach Hochrech­nungen bundes­weit etwa um 14 Millionen Brutvögel ab Um genaue Fakten zu schaffen, gibt es seit 2004 die jährliche, bundes­weite Brutvo­gel­kar­tie­rung. Die Unter­su­chungs­fläche im Braun­schwei­gi­schen liegt dafür im Lappwald bei Helmstedt, genauer gesagt im sogenannten Streit­holz. Von Anfang an wird die Vogel­zäh­lung dort im Stiftungs­wald der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz vom Biologen und Ornitho­logen Volker Laske aus Langels­heim vorge­nommen.

Traurige Bilanz

So sieht eine Kartierung von Volker Laske aus. Screenshot: Der Löwe
So sieht eine Kartie­rung von Volker Laske aus. Screen­shot: Der Löwe

Sein Fazit zuletzt: „Die vier Kartier­gänge erbringen 300 bis 550 Vogel­brut­paare, im Mittel 370. Tendenz: fallend. Bisher niedrigste Brutpaar-Zahl mit 288 im Jahre 2015, höchste 2005 mit 547.Die Artenzahl schwankt zwischen 29 und 43, beträgt im Mittel 35. Auch hier ist die Tendenz leicht negativ: Die Arten­viel­falt nimmt allmäh­lich ab. Dies ist eine traurige Bilanz – wenn man bedenkt, dass die Fläche in einer entle­genen, ländli­chen Gegend liegt und der Wald eine hohe, konstante Habitat­qua­lität hat.“ Mit der Hohltaube und Mistel­drossel nahmen zwei Arten zu, 19 zeigten jedoch langfris­tige Bestands­ein­bußen, darunter 13 Arten (u.a. Mäuse­bus­sard, Ringel­taube, Kohlmeise, Star) mit stark negativer Tendenz.

Zählung 2021 beginnt

Jetzt ist es bald wieder soweit für die Zählung 2021. Die Brutvo­gel­kar­tie­rung im Streit­holz ist Teil des Großpro­jektes des Dachver­bands Deutscher Avifau­nisten (DDA). Für Volker Laske stehen wieder vier Kontroll­gänge zwischen März und Juni an, damit auch die unter­schied­li­chen Brutzeiten berück­sich­tigt werden können. Immerhin gibt es laut DDA auch gute Nachrichten: Die Popula­tion im Wald erholt sich. Aller­dings gibt es anhal­tende Verluste im Offenland.

Die Unter­su­chungs­fläche ST 056 Streit­holz ist einen Quadrat­ki­lo­meter groß. „Sie zählt zu den rund 2700 Flächen, die bundes­weit verteilt sind und in ihrer Gesamt­heit eine reprä­sen­ta­tive Stich­probe Deutsch­lands bilden. Die Auswahl der Flächen wurde vom Statis­ti­schen Bundesamt Wiesbaden vorge­nommen. Außerdem haben alle 18 Bundes­länder zusätz­liche Landes-Probe­flä­chen ausge­wiesen, um die Stich­probe landes­ge­recht zu verdichten. Beides zusammen ergibt die Gesamt­zahl“, erläutert Volker Laske.

Grundlage für Rote Listen

Aufgabe der Unter­su­chungen ist es, Verän­de­rungen der Häufig­keit und des Brutareals aller in Deutsch­land vorkom­menden Brutvo­gel­arten zu erkennen und zu dokumen­tieren. Die Daten bilden die Grundlage für die Erstel­lung und Fortschrei­bung der Roten Listen (Brutvögel) sowie für lokale, regionale und überre­gio­nale Projekte zum Landschafts- und Natur­schutz. „Früher basierten solche Vorhaben weitge­hend auf Exper­ten­mei­nungen, heute dank der Brutvo­gel­kar­tie­rungen auf hartem, belast­barem Daten­ma­te­rial“, sagt Laske.

Die Unter­su­chungen jeder einzelnen Fläche werden Jahr für Jahr nach einem festge­legten Normen­system begut­achtet. Es wird jede vorkom­mende Vogelart quanti­tativ kartiert. Dabei ist das Besondere, dass Volker Laske ebenso wie alle anderen betei­ligten Ornitho­logen seinem Gehör vertrauen muss, denn sichtbar sind die Vögel in den seltensten Fällen. Bis zu 40 Vogel­arten leben auf dem Quadrat­ki­lo­meter im Lappwald.

Ergeb­nisse werden veröf­fent­licht

Die Ergebnisse der Brutvogelkartierung werden in einer Broschüre veröffentlicht. Screenshot: Der Löwe
Die Ergeb­nisse der Brutvo­gel­kar­tie­rung werden in einer Broschüre veröf­fent­licht. Screen­shot: Der Löwe

Die Ergeb­nisse der jüngsten Brutvo­gel­kar­tie­rung hat der Verband in seiner Broschüre „Vögel in Deutsch­land – Übersichten zur Bestands­si­tua­tion“ veröf­fent­licht. Darin heißt es:

  • Mit mehr als 300 nachge­wie­senen Brutvo­gel­arten gehört Deutsch­land zu den arten­reichsten Ländern Mittel­eu­ropas.
  • Der Nordosten Deutsch­lands ist arten­rei­cher als der Westen oder Süden. Gründe dafür sind noch vielfäl­ti­gere Landschafts­struk­turen, geringere Landnut­zungs­in­ten­sität und eine niedri­gere mensch­liche Siedlungs­dichte.
  • Amsel und Buchfink sind mit bundes­weit jeweils knapp 10 Millionen Brutpaaren die mit Abstand häufigsten Brutvo­gel­arten.
  • Seit 2010 sind mit Ohren­tau­cher und Rotkopf­würger zwei ehemals regel­mä­ßige Brutvo­gel­arten ausge­storben. Die Neubürger Silber­reiher und Stelzen­läufer brüten seitdem regel­mäßig in Deutsch­land.
  • Die Lage in der Agrar­land­schaft bleibt alarmie­rend. So nahmen die Bestände von Rebhuhn und Kiebitz über 24 Jahre um fast 90 Prozent ab.
  • Einige seltene Arten wie Großtrappe, Schwarz­storch oder Wiesen­weihe erholten sich weiterhin dank gezielt auf sie abgestimmter Arten­hilfs­pro­gramme von ihren histo­ri­schen Bestandstiefs.

Weitere Infor­ma­tionen finden Sie auf der Homepage des Dachver­band Deutscher Avifau­nisten (DDA) e.V. 

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