Mainstream ist bei den anderen

Anne Mueller von der Haegen eröffnet das Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ im Jahr 2015. Foto: Der Löwe / Peter Sierigk
Anne Mueller von der Haegen eröffnet das Kunstfest der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ im Jahr 2015. Foto: Der Löwe / Peter Sierigk

Der Allge­meine Konsum­verein versteht sich seit mehr als 20 Jahren vor allem als Lobby für gute alter­na­tive Kunst.

Warum heißt der Allge­meine Konsum­verein eigent­lich so, wie er heißt? Die Erklärung ist relativ einfach: Der Name orien­tiert sich schlicht an dem Schriftzug, der noch immer in goldenen Lettern auf dem 1907 erbauten Jugend­stil­hauses prangt. Das Haus war einst die stolze Erwei­te­rung des schon 1890 gegrün­deten Vereins. Der „erste“ Allge­meine Konsum­verein war seiner­zeit der erfolg­reiche Zusam­men­schluss von Arbeitern und Angestellten, die gemein­schaft­lich Lebens­mittel einkauften, um den hohen Preisen zu entgehen. Schon 1910 hatte der Verein sagen­hafte 10.000 Mitglieder. An diese Zahlen reicht der neue Allge­meine Konsum­verein nicht heran. Kunst und Kultur locken die Massen weniger als Zwieback und Muckefuck, aber aus dem Selbst­ver­ständnis des Vereins heraus stellt er auch gewis­ser­maßen „Lebens­mittel ins Regal“.

Jährlich bis zu 6.000 Besucher

Der heutige Allge­meine Konsum­verein hat knapp 50 Förder­mit­glieder. Und er will gar nicht dem Mainstream hinter­her­laufen und Block­buster präsen­tieren, obwohl jedes Jahr bis zu 6.000 Besuche­rinnen und Besucher die Schwelle des Eingangs auf der Hausrück­seite Hinter Liebfrauen 2 überqueren. Der Konsum­verein positio­niert sich ganz bewusst vor allem mit alter­na­tiver, junger und jung bleibender Kunst. Er ist Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft deutscher Kunst­ver­eine.

Das Haus des Allgemeinen Konsumverein, 2012. Foto: Allgemeiner Konsumverein
Das Haus des Allge­meinen Konsum­verein, 2012. Foto: Allge­meiner Konsum­verein

Seit Oktober 1999 zeigt der Allge­meine Konsum­verein im Erdge­schoss des geschichts­träch­tigen Hauses Skulp­turen, Instal­la­tionen, Bilder und Perfor­mances. Und es finden Musik­abende, Lesungen, Kunst-Gespräche und Filmnächte statt. Ein Archiv auf der Inter­seite zeigt die bishe­rigen Aktivi­täten auf. Seit den späten 1980er Jahren hatten in dem städti­schen Gebäude Braun­schweiger Künstler und Künst­le­rinnen das „Braun­schweiger Künst­ler­haus“ – damals unter dem Namen Kunstasyl – gegründet und dort ihre Ateliers unter­ge­bracht.

Raum für zeitge­nös­si­sche Kunst

Der Allge­meine Konsum­verein will Raum für zeitge­nös­si­sche Kunst bieten. „Das Verständnis von Kunst soll für jeden Einzelnen befördert werden. Der Kontakt zwischen Rezipi­enten und Künstlern soll erleich­tert werden … Darüber hinaus soll der Kontakt und Erfah­rungs­aus­tausch unter Künstlern befördert werden, um einen emanzi­pa­to­ri­schen Umgang mit der Kommer­zia­li­sie­rung zu gewähr­leisten bezie­hungs­weise Letzterem entgegen zu wirken“, heißt es in der Satzung.

„Wir leben von engagierten Künst­le­rinnen und Künstlern, von einem lebhaften Publikum, von Förder­mit­glie­dern und Sponsoren. Wir brauchen diese Unter­stüt­zung auch weiterhin“, sagt die Vorsit­zende Anne Mueller von der Haegen gerade angesichts der Auswir­kungen auf die Kultur­szene durch die Corona-Lockdowns. Die Kunst­his­to­ri­kerin war bereits bei der Gründung, entstanden aus einer Privat­in­itia­tive mehrerer Künstler, dabei und ist bis heute das markante Gesicht des Allge­meinen Konsum­ver­eins. Mit Martina Bothe, Martin Sporrer und Hans Wesker sind drei weitere Gründungs­mit­glieder aktiv, zu denen damals auch noch Helmut Schmidt, Denis Stuart Rose sowie Michael Kaul gehörten. Heute wird die aktive Gruppe durch Franziska Pester, Thomas Bartels und Annette Zimmer ergänzt.

Vermisst: „Kunst… hier und jetzt“

Regel­mäßig gefördert werden Projekte des ehren­amt­lich geführten Vereins von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Braun­schwei­gi­schen Stiftung sowie dem Land Nieder­sachsen. Dazu kommt seit 2012 eine Konti­nui­täts­för­de­rung durch die Stadt. Finan­ziell ist der Verein nicht auf Rosen gebettet, dennoch gelangen bemer­kens­werte Erfolge wie das inter­na­tio­nale Festival klang­staetten | stadt­klaenge (2009, 2012 und 2017), die heute in der Szene sehr vermissten Kunst­feste der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ (2005, 2007, 2009, 2011, 2013 und 2015) und als Anerken­nung für die geleis­tete Arbeit die Erwähnung in der Broschüre zur Kultur­haupt­stadt­be­wer­bung 2010 als wichtiger Kunstort oder auch eine Förderung durch die Stiftung Kunst­fonds 2017. Der Allge­meine Konsum­verein hat bereits mehrfach Anstöße gegeben, die von anderen Insti­tu­tionen aufge­griffen wurden.

Litscher-Ausstel­lung zum Jubiläum

Gefeiert werden sollte das 20-jährige Bestehen mit zahlrei­chen Ausstel­lungen im vergan­genen Jahr. Wegen des Lockdowns gingen die Pläne nicht ganz auf. Wie viele Galerien und Ausstel­lungs­orte rüstet sich der Allge­meine Konsum­verein nun für das zweite pande­mi­sche Jahr. Gleich die erste Ausstel­lung „Taxa & Theater of Memory“ von Marlene Bart wurde zwar eröffnet, ist bisher aber aus bekannten Gründen nicht öffent­lich und analog zugäng­lich. Die schon für das Jubiläum 2020 geplante Ausstel­lung des Schwei­zers Hans Peter Litscher (Goethes Zebra in Koope­ra­tion mit den Theater­formen) soll am 25. März folgen. Die Ausstel­lung „ERNA WUSCH IM VEREIN KUNOS GELBEN LEIM GAR“ beruht auf monate­langen Recher­chen zu Geschichte und Kontext des Allge­meinen Konsum­ver­eins.

Performance zum Kunstgespräch mit Lea Hageroth, 2017. Foto: Allgemeiner Konsumverein/Thomas Bartels
Perfor­mance zum Kunst­ge­spräch mit Lea Hageroth, 2017. Foto: Allge­meiner Konsumverein/Thomas Bartels

„Insbe­son­dere durch die Konti­nui­täts­för­de­rung der Stadt und die unter­stüt­zende Programm­för­de­rung der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz haben wir viel erreicht. Experi­mente und Koope­ra­tionen, Zusam­men­ar­beit mit Schulen und Kinder­gärten, stärkere Öffnung zu Studie­renden der HBK. Aber, wer will sich auf den Erfolgen auch der Festivals schon ausruhen. Es erscheint notwendig, noch stärker in die Stadt zu wirken, vielleicht noch politi­scher zu denken, manches Vermitt­lungs­an­gebot zu verste­tigen – wie zum Beispiel Klang | Kunst | Schule und das Klang­kunst­fes­tival ein viertes Mal zu starten, den Außenraum erneut zu erobern“; richtet Anne Mueller von der Haegen den Blick trotz Corona-Pandemie hochmo­ti­viert in die Zukunft.

Kontakt:

Allge­meiner Konsum­verein e. V.
Hinter Liebfrauen 2
38100 Braun­schweig

E‑Mail: info@konsumverein.de
Homepage: www.konsumverein.de

Öffnungs­zeiten:

  • Donnerstag 18 bis 22 Uhr
  • Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr

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