Ausstel­lung „Der Weiße Faden“ eröffnet Jubilä­ums­jahr in Riddags­hausen

Innenraum der Klosterkirche Riddagshausen, Elena Kaufmann im Gespräch mit Michael Grisko und Cord-Friedrich Berghahn
Eröffnung einer besonderen Ausstellung an einem besonderen Ort: Künstlerin Elena Kaufmann im Podiumsgespräch in der Klosterkirche Riddagshausen. Foto: Team Der Löwe

„Es genügt, ein Mensch zu heißen“ – mit einem Podiums­ge­spräch wurde die Ausstel­lung „Der Weiße Faden“ in der Kloster­kirche Riddags­hausen feierlich eröffnet.

20 Fotogra­fien von 20 Frauen unter­schied­li­chen Glaubens laden dazu ein, unser Bild vom eigenen Glauben und dem Glauben anderer kritisch zu hinter­fragen. Die Ausstel­lung läuft bis zum 3. April 2025. Im Gespräch mit Prof. Dr. Cord Friedrich Berghahn von der TU Braun­schweig und Prof. Dr. Michael Grisko von der Richard Borek Stiftung verriet Elena Kaufmann, wie es zu dieser Ausstel­lung kam – und auch, was Lessings „Nathan der Weise“ damit zu tun hat.

Nach einer Begrüßung durch Uta Dieterich von der Kirchen­ge­meinde Riddags­hausen, Chris­to­pher Kumitz-Brennecke von der Landes­kirche Braun­schweig sowie Maria-Rosa Berghahn von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gab die Künst­lerin einen Einblick darin, wie das Fotopro­jekt entstand.

Inspi­ra­tionen aus Erfurt – und von Lessing

Prägend war für sie die Erfahrung der Fremdheit, als sie 2012 von Sankt Peters­burg nach Erfurt zog: sowohl kulturell als auch sprach­lich. „Erfurt war nicht Berlin. Ich sprach nur Englisch, aber mit mir wollte kaum jemand Englisch sprechen.“ Als junge Fotografin gelang Elena Kaufmann aber der Kontakt zur jüdischen Gemeinde Erfurt über ihr Fotopro­jekt „Ein Jahr mit dem Stern“, bei dem sie das Alltags­leben in der Gemeinde beglei­tete. Ihre Erfahrung, trotz eines anderen Glaubens mit offenen Armen empfangen worden zu sein, wurde zur Initi­al­zün­dung für das Projekt „Der Weiße Faden“: Die Frage nach der verbin­denden, mensch­li­chen Ebene trotz religiöser und kultu­reller Unter­schiede.

Klosterkirche Riddagshausen, Seitenschiff mit Ausstellung "Der Weiße Faden", Porträtwände.
Die Porträts sind in den Seiten­schiffen der Kloster­kirche ausge­stellt. Foto: Team Der Löwe

Dabei bildete die Beschäf­ti­gung mit Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ ebenfalls eine Quelle der Inspi­ra­tion. In dem 1779 geschrie­benen und 1783 urauf­ge­führten Stück geht es um Toleranz und einen inter­re­li­giösen Dialog anstelle des Beharrens auf der Allein­gül­tig­keit einer Religion. Die enthal­tene „Ringpa­rabel“ gehört zu den Schlüs­sel­texten der europäi­schen Aufklä­rung. Wie der Lessing-Experte Prof. Dr. Cord Berghahn betonte, ist die Frage nach dem Verhältnis Mensch-Religion ein zentraler Teil: „Wenn es um die Religion geht, geht es um den Kern des Ganzen: Aus der Religion selbst heraus zu zeigen, dass man ein Mensch sein kann.“

„Manchmal bin ich hinter den Menschen herge­rannt“

Zwei Jahre lang suchte Elena Kaufmann für ihr Projekt Frauen unter­schied­li­cher Glaubens­be­kennt­nisse, um sie für ihr Projekt zu gewinnen. Das war nicht immer einfach – nicht nur wegen der Corona-Pandemie. „Manchmal bin ich hinter den Menschen geradezu herge­rannt“, erinnert sie sich lachend. Verschlun­gene und teils ganz zufällige Wege führten sie in einen hindu­is­ti­schen Tempel in Hannover oder in eine einfache Wohnung im Leipzig. Oft wusste sie nicht, was sie hinter den Türen erwartete. Doch immer gelang es, einen Kommu­ni­ka­ti­ons­raum zu eröffnen zwischen den Menschen, in dem gegen­sei­tiger Respekt und die Gemein­sam­keit eine zwischen­mensch­liche Ebene schaffen. Dieses Anliegen spiegelt sich in ihrer Ausstel­lung nun auch in der Kloster­kirche Riddags­hausen wider, die mit den hohen Decken ihrer Seiten­schiffe und dem gedämpften Licht einen faszi­nie­renden Rahmen für diese Ausstel­lung bietet. Inmitten dieses ehrwür­digen Ortes sind die Porträts der Frauen und ihre getrennt davon aufge­stellten Glaubens­be­kennt­nisse leise, aber kraft­volle Plädoyers für einen inter­re­li­giösen Dialog – besonders in Zeiten, in denen die Spaltung unserer Gesell­schaft beängs­ti­gende Ausmaße anzunehmen scheint.

Elena Kaufmann wird neben einer Fotowand, die eine lächelnde dunkelhäutige Frau in weißem Gewand zeigt, fotografiert.
Elena Kaufmann mit einem der schönsten Porträts der Ausstel­lung.

Am 20.3., 18 Uhr, gibt es eine weitere Gelegen­heit die Künst­lerin vor Ort zu erleben: Im Gespräch mit der Leiterin des Museums für Photo­gra­phie Barbara Hofmann-Johnson und Christoph Borek. Dann kann man mehr über das besondere weiße Gewand der Frauen und die über 40 Bilder erfahren, die es braucht, bis das „richtige“ Porträt sitzt.

Auftakt für „750 Jahre Kloster­kirche Riddags­hausen“

Die Eröffnung der Ausstel­lung, gefördert unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, Die Braun­schwei­gi­sche Stiftung und der manyFACES Stiftung, markiert den Anfang des Jubilä­ums­jahres „750 Jahre Kloster­kirche Riddags­hausen“. Mit dem Wahlspruch der Zister­zi­enser – Die Tür steht offen, und so auch das Herz – lädt die Kirchen­ge­meinde Riddags­hausen-Glies­ma­rode im Jahr 2025 zu verschie­denen Veran­stal­tungen ein. Neben einem Video-Konzert der Capella della Torre am 29. März und einer Auffüh­rung der Musik Hildegard von Bingens am 16. August gehört der Festgot­tes­dienst am 15. Juni zu den weiteren Höhepunkten. Mehr Infor­ma­tionen zum Jubiläum stellt die Kirchen­ge­meinde auf ihrer Website bereit.

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