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Bankgeheimnisse aus 250 Jahren gelüftet

Prof. Dr. Lothar Hagebölling (im Vordergrund) präsentiert als Gesamtherausgeber das Buch „Vom Leyhaus zur Sparkasse“. Im Hintergrund (von links): Axel Richter (Die Braunschweigische Stiftung), Dr. Brage Bei der Wieden (Stiftung Niedersächsisches Wirtschaftsarchiv) und Oliver Ruth (Appelhans Verlag). Foto: DBS
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„Vom Leyhaus zur Sparkasse“ – Herausgeber Lothar Hagebölling und fünf weitere Autoren haben in ihrem Buch die Entwicklung des öffentlichen  Bankwesens im Braunschweigischen von 1765  bis zum Sparkassen-Streit und der Gründung der neuen Landessparkasse aufgearbeitet.

Das Buch ist mächtige 1135 Seiten dick. Der Titel „Vom Leyhaus zur Sparkasse – das öffentliche Bankwesen im Braunschweigischen Land“ klingt dazu auch nicht gerade besonders reißerisch. Aber Herausgeber Prof. Dr. Lothar Hagebölling ist es dennoch gemeinsam mit fünf weiteren Autoren gelungen, ein Werk über die 250-jährige Tradition zu verfassen, das mehr ist als eine wissenschaftliche Abhandlung. Es werden Bankgeheimnisse aus einem Vierteljahrtausend gelüftet.
Tatsächlich ist das Buch eine höchst interessante und spannende Auseinandersetzung mit der braunschweigischen Landesgeschichte bis in die heutige Zeit. Denn mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Braunschweigischen Landessparkasse bietet der Sammelband unentbehrliches Hintergrundwissen für die Bewertung der Sachlage. Das Buch hat fraglos das Zeug dazu, nicht nur Historiker zu begeistern, sondern alle am Braunschweigischen interessierte Menschen. Die Publikation ist im Buchhandel erhältlich und wird durch den Appelhans Verlag vertrieben.

„Am 9. März 1765 genehmigte Herzog Carl I. zu Braunschweig und Lüneburg die Errichtung eines öffentlichen Leyhauses oder Lombards. Die Braunschweigische Landessparkasse betrachtet Carl I. als ihren Gründer und sieht in dem Braunschweigischen Leihhaus die älteste Wurzel ihres heutigen Institutes. … Eine Traditionslinie, die vom Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus bis in das 21. Jahrhundert reicht, ist für sich Grund genug, die Geschichte der Braunschweigischen Landessparkasse, heute ein Unternehmen der Norddeutschen Landesbank, und ihrer Vorläufer näher unter die Lupe zu nehmen. Faszinierend ist diese Geschichte aber auch deshalb, weil sie mit der Entwicklung der Region Braunschweig vom Herzogtum über den Freistaat Braunschweig bis hin zu einem Lebens- und Wirtschaftsraum im heutigen Niedersachsen auf das Engste verbunden ist“, erläutert Hagebölling.

In Auftrag gegeben wurde die umfassende Publikation von der Stiftung Wirtschaftsarchiv Braunschweig und der Braunschweigischen Stiftung. Sie ist das Ergebnis eines Kooperationsprojektes zur Geschichte des Finanzdienstleistungssektors insgesamt in der Region. Die Autoren Dr. Peter Albrecht, Dr. Andreas Kulhawy, Sebastian Knake, Prof. Dr. Wolfgang Leschhorn und Dr. Harald Wixforth haben in den vergangenen rund fünf Jahren einen wichtigen Teil der Regional- und Wirtschaftsgeschichte des Braunschweigischen erarbeitet.

„Die Recherchen haben viel Neues, höchst Interessantes über diesen Teil der Braunschweigischen Landesgeschichte zu Tage gefördert“, versichert Hagebölling.  Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit den Themen „Leihhäuser im Braunschweigischen von den Anfängen bis 1832“ (Albrecht), „Der öffentliche Finanzsektor im Herzogtum Braunschweig zwischen 1832 und 1918“ (Kulhawy), „Braunschweiger Münzen und Geldscheine“ (Leschhorn),  „Zwischen Ideologie und regionaler Verantwortung“ (Knake)  und „Vom Ende der Braunschweigischen Staatsbank bis zur Diskussion über die Reorganisation der Braunschweigischen Landessparkasse“ (Wixforth). Die Wissenschaftler hätten einen ungewöhnlich guten Zugang zu Unterlagen in Archiven gehabt, versichert Hagebölling. Im Spätsommer werden die Autoren ihre Beiträge im Rahmen eines Symposiums öffentlich vorstellen.

War das fürstliche Leihhaus zu Braunschweig von 1765 bereits eine Sparkasse oder nicht? Diese spannende Frage ist mit Herausgabe des Buches geklärt. Peter Albrecht, Verfasser des Beitrages über die Zeit von 1744 bis 1832, ist tief in die Akten des Niedersächsischen Staatsarchivs eingestiegen. Er hat dennoch keine überzeugenden Hinweise dafür gefunden, dass vom Leihhaus tatsächlich auch kleinere Beträge von Privatpersonen gegen Zinszahlung angenommen wurden. „Das Leihhaus von 1765 war demnach nicht zuvorderst auf die Annahme kleinerer Sparbeiträge ausgerichtet, im Mittelpunkt der Aktivitäten stand vielmehr das Darlehensgeschäft, gegenfinanziert durch die Aufnahme nach Möglichkeit größerer Kapitalbeträge von Privatpersonen. In seiner Gründungsphase war das Leihhaus also ein Kreditinstitut und noch keine Sparkasse im eigentlichen Sinne“, erklärt Lothar Hagebölling. Damit stehe fest, dass die älteste Sparkasse Deutschlands nicht in Braunschweig gegründet wurde, was bei der Vorstellung des Forschungsprojekts im April 2014 noch kontrovers diskutiert worden war.

Wie auch immer, die Braunschweigische Staatsbank entwickelte sich über zwei Jahrhunderte zu einer wahren Erfolgsgeschichte. Kurz vor ihrem 200-jährigen Bestehen 1964 hatte sie, so steht zu lesen, die damals beachtliche Bilanzsumme von fast 2,9 Milliarden D-Mark ausgewiesen. Auch die Braunschweigische Landessparkasse entwickelte sich stark. Sie verfügte Ende 1964 über Einlagen von 607,2 Millionen D-Mark auf fast einer halben Million Konten. Durch das „Gesetz über die Norddeutsche Landesbank“ vom 14. Mai 1970 gingen die Braunschweigische Staatsbank einschließlich der Braunschweigischen Landessparkasse jedoch unter großem Protest in der Nord/LB auf. Vor der Abstimmung im Landtag hatte es, so schildert es Hagebölling, heftige politische Debatten zwischen dem Braunschweiger Landtagsabgeordneten und ehemaligen Innenminister Otto Bennemann sowie dem Finanzminister Alfred Kubel (ebenfalls in Braunschweig geboren) gegeben. Nicht wenige Braunschweiger lösten daraufhin ihre Konten auf.

Die Geschichte der Braunschweigischen Staatsbank und der Braunschweigischen Landessparkasse von ihrer Gründung im Jahr 1919 im Freistaat Braunschweig, während der Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit bis zum Aufgehen in der Nord/LB hat Sebastian Knake umfassend aufgearbeitet.

Die Braunschweigische Landessparkasse war dann bis zum 1. Januar 2008 eine rechtlich unselbstständige Abteilung der Norddeutschen Landesbank. Von diesem Zeitpunkt an wird sie aber immerhin als Kompromisslösung und teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Braunschweig als Anstalt in der Anstalt fortgeführt. „Vorausgegangen war eine längere, teilweise auch öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig Gert Hoffmann als Wortführer der Gebietskörperschaften im Braunschweiger Land und dem Niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring über die Gründung einer eigenen, unabhängigen Sparkasse in kommunaler Trägerschaft für die Region Braunschweig oder alternativ für die Stadt Braunschweig“, stellt Hagebölling dar.  Entzündet hatte sich der Streit an der geplanten Einschränkung des seit 1970 festgeschriebenen Rechts auf Besetzung von zwei Aufsichtsratssitzen durch Vertreter der Region Braunschweig. Es mangelt dem Buch „Vom Leyhaus zur Sparkasse – Das öffentliche Bankwesen im Braunschweigischen Land“ also wahrlich nicht an spannenden Geschichten, die es zu lesen lohnt.

Fakten:

Herausgeber: Prof. Dr. Lothar Hagebölling im Auftrag für Die Braunschweigische Stiftung

Autoren: Dr. Peter Albrecht, Prof. Dr. Lothar Hagebölling, Sebastian Knake, Dr. Andreas Kulhawy, Prof. Dr. Wolfgang Leschhorn, Dr. Harald Wixforth

ISBN:  978-3-944939-14-8

Preis:  38 Euro

Mehr unter: www.der-loewe.info/experten-streit-um-die-sparkasse

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