Braun­schweig huldigt dem Gold des Bürger­tums

Ein Jugendstil-Kehrblech in Form einer griechischen Lyra, gefertigt um 1900, drückt das Streben des Bürgertums nach Repräsentation durch ästhetische Verfeinerung aus. Foto: Florian Arnold
Ein Jugendstil-Kehrblech in Form einer griechischen Lyra, gefertigt um 1900, drückt das Streben des Bürgertums nach Repräsentation durch ästhetische Verfeinerung aus. Foto: Florian Arnold

Das Städti­sche Museum zeigt Luxus­ge­gen­stände aus Messing von Jugend­stil bis Art déco. Einige sind von zeitloser Schönheit.

Ach, wie schön das schimmert. Ein elegantes, aber auch prakti­sches, gut formbares und am Ende noch bezahl­bares Material. „Das Gold des Bürger­tums“, pointiert Kurator Andreas Büttner. Das Städti­sche Museum Braun­schweig präsen­tiert ab Sonntag gut 120 Luxus­ge­gen­stände aus Messing aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­derts. Im Wortsinn glänzend nachzu­voll­ziehen ist an der Ausstel­lung der Stilwandel vom blumig-verspielten Jugend­stil zum klareren, kühl-edlen Art déco. Die Schau knüpft an die Formsamm­lung Walter Dexel des Hauses an, die Objekte aller­dings stammen aus Beständen des Brass Collec­tors Club Germany, der am Aufbau eines Deutschen Messing-Museums arbeitet.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 23.08.2019 (Bezahl-Artikel)

Um 1900 war Messing, eine Legierung aus Kupfer und Zink, das Material der Stunde: „Es besaß ein großes Potenzial hinsicht­lich seiner indus­tri­ellen Fertigung, war vielfältig einsetzbar und überaus strapa­zier­fähig“, erläutert Kurator Büttner. Zugleich kam seine güldene Anmutung dem Wunsch nach einer gewissen Pracht­ent­fal­tung des arrivierten Bürger­tums entgegen.

In der wilhel­mi­ni­schen Gründer­zeit mit ihrem Rückgriff auf ein verklärtes deutsches Mittel­alter waren Zinn und wuchtige Formen gefragt. Davon setzte sich um 1890 die schlanke, anmutige Verspielt­heit des Jugend­stils ab. Sein florales Dekor, seine Sinnlich­keit und seine Neigung zu Ornamenten und antiken Mustern spiegeln auch andere Tendenzen der Zeit: eine neue Begeis­te­rung für Natur, Handwerks­kunst und Verfei­ne­rung als sanfte Absetz­be­we­gung von Indus­tria­li­sie­rung und der Vulga­rität entfes­selter Geschäf­te­ma­cherei. Der Zug ins Ästhe­ti­zis­ti­sche drückt den gehobenen Geschmack des Bürger­tums aus.
Selbst ein Kehrblech ist dann nicht einfach ein simples Werkzeug, um Schmutz zu besei­tigen, sondern eine goldschim­mernde zierliche Gerät­schaft, die die Form einer griechi­schen Lyra aufgreift. „Vermut­lich diente es vor allem dazu, Krümel vom Esstisch zu fegen“, meint Büttner. Sektkübel, Vasen, Zigarren- und Feder­halter oder Zeitschrif­ten­ständer waren reprä­sen­ta­tive Luxus­ob­jekte. Bemer­kens­wert: Teekannen der Firma WMF wurden 1909 bereits mit elektri­schem Anschluss angeboten, Tisch­lampen ebenso.

Es gibt einige Jugend­stil-Vasen, Leuchter und Stövchen, die in ihrer schlanken, hochauf­schie­ßenden, pflanz­li­chen Form auch heute noch gefallen. Anderes wie Bowle­schüs­seln oder Pokale wirkt überladen, insbe­son­dere wenn Verzie­rungs­tech­niken wie Hammerschlag‑, Rillen- oder Blasen­de­kors ins nahezu Barocke ausgreifen. Sie förderten Licht­bre­chungen, die die schim­mernde Pracht des Messings noch steigern sollten.

Mit Beginn der 2010er Jahre weicht der Jugend­stil dann schon dem Art déco. Parallel zum Kubismus in der Kunst werden die Formen von Tisch­ser­vices, Aschen­be­chern, Schmuck­käst­chen und Zucker­dosen klarer, symme­tri­scher, aufge­räumter. Die Ästhetik des Funktio­nalen beginnt sich durch­zu­setzen.
Anders als beim Bauhaus, das Design demokra­ti­sieren wollte, drücke sich in der kühlen Pracht des Art déco aller­dings der Anspruch von Exklu­si­vität aus, meint Museums­di­rektor Peter Joch. Messing sei darum oft auch mit anderen, kostba­reren Materia­lien kombi­niert worden. Künstler wie Bruno Paul, Peter Behrens oder Wolfgang von Wersin schufen Entwürfe für prospe­rie­rende Firmen wie AEG, WMF oder Neue Münchner Kunst. Auf der anderen Seite brachten diese Unter­nehmen zunehmend auch preis­wer­tere, in großer Stückzahl gefer­tigte Waren auf den Markt, um breitere Käufer­schichten zu erreichen.

Eröffnung am Sonntag, 25. August,
11 Uhr, mit Kurato­ren­füh­rung. Zu sehen bis 24. November, Di-So 10–17 Uhr, Stein­tor­wall 14.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 23.08.2019 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article226869965/Braunschweig-huldigt-dem-Gold-des-Buergertums.html
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