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Braunschweigs Kulturbetriebe nach Corona

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Die Angst vor Kürzung von Fördergeldern, verändertes Besucherverhalten und Kritik am neuen Kulturrat der Stadt: Kulturschaffende diskutieren.

Die Zeit der Corona-Maßnahmen mit Kontaktverbot und Veranstaltungsverboten, sie ist zum Glück längst vorbei. Doch die Auswirkungen sind in der Kulturwirtschaft von Braunschweig noch immer zu spüren. Zu einer Diskussions-Matinee im KULT-Theater haben sich deshalb einige Kulturschaffende aus Braunschweig auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung getroffen. Auf dem Podium: Verantwortliche und Betroffene.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Plus-Artikel ist zuerst erschienen am 29.10.2023

„Es ist nicht wieder alles normal“, sagte Anikó Glogowski-Merten, Bundestagsabgeordnete und Ratsfrau der FDP. Die Kulturwissenschaftlerin sitzt für die Freien Demokraten im Kulturausschuss des Bundestages. „Kulturveranstalter berichten mir, dass sie auch nach der Pandemie nicht mehr langfristig planen können“, sagte sie. Noch immer sei die Angst vor leeren Sälen zu groß, weshalb viele das finanzielle Risiko großer Veranstaltungen fürchten. „Es hat sich auch gezeigt, dass die Menschen noch immer lieber zu Open-Air-Veranstaltungen statt zu Indoor-Veranstaltungen gehen wollen“, sagte Glogowski-Merten. Das Publikum kaufe Tickets immer kurzfristiger.

Zudem sei bei den Jugendlichen, die während der Pandemie zwischen 14 und 16 Jahre alt waren, eine Generation herangewachsen, die nicht mit Kulturveranstaltungen aufgewachsen sei. „Sie müssen erst an die Schönheit von Kultur herangeführt werden.“ Die Bundesregierung hat in diesem Jahr mit dem „Kulturpass“ ein Förderprogramm aufgelegt. Damit bekommen 18-Jährige einmalig einen Gutschein von 200 Euro für Konzert-, Theatertickets und Co. Zudem gebe es nun einen bundesweiten Amateurmusikerfonds, etwa für Chöre, die besonders unter der Pandemie gelitten haben, und einen Musikfestivalfonds.

Fördergelder für Braunschweiger Kulturwirtschaft drohen einzubrechen

Elke Flake, Kulturberaterin und Grünen-Ratsfrau, kritisierte, dass Bund und Land nach der geglückten Kulturförderung in der Pandemie, die viele Künstler und Veranstalter gerettet habe, nun ihren Kulturhaushalt kürzen wollen. Glogowski-Merten verwies auf laufende Haushaltsverhandlungen im Bund. Es deute sich an, dass der Kulturetat auf das Vor-Corona-Niveau zurückgehen werde. Schwerer wiegt da, dass das Land Niedersachsen offenbar plant, 10 Prozent bei den Ausgaben für Kultur zu kürzen, denn Kulturpolitik ist hauptsächlich Ländersache.

Auch Brunhilde Frye-Grunwald, stellvertretende Direktorin der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK), räumte ein, dass die Sonderprogramme der Stiftung eventuell auslaufen werden, der Förderpott im regionalen Bereich des Landes Niedersachsen werde vermutlich nicht ansteigen. Die Stiftung, die sich aus ihren Besitztümern, unter anderem mehreren tausend Hektar Wald und landwirtschaftlicher Flächen, finanziert, treffen die Kostensteigerungen, unter anderem bei Energie- und Personalkosten. „Die Förderungen können deshalb nicht auf Vor-Corona-Niveau zurückkehren“, so Frye-Grunwald.

Miriam Paul, Inhaberin des Figurentheaters Fadenschein, bemerkte, dass die Wertschätzung von Kultur als Lebensunterhalt in der Gesellschaft oft nicht vorhanden sei: „Theater macht bestimmt Spaß, und was machen Sie beruflich?“, zitierte sie eine häufige Frage, die sich Kulturschaffende anhören müssten. Auf der Bühne zu stehen, mache jedoch den kleinsten Teil der Arbeit von Kulturschaffenden aus. „Die meiste Zeit geht für Organisation und Vorbereitung drauf.“ Während der Pandemie habe eine „Rechercheförderung“ im Rahmen des Bundesprogramms „Neustart Kultur“ gegeben. Diese beizubehalten, wäre sinnvoll gewesen, so Paul. „Die Zeit, die ich mit Recherche für neue Theaterstücke verbringe, kann ich nicht auf der Bühne stehen und Geld verdienen“, sagte Paul.

Kritik an neuem Kulturrat der Stadt Braunschweig

Thomas Hirche, Inhaber des KULT-Theaters, verglich die Verhältnisse mit dem Mittelalter: „Wir sind die Narren, die durchs Land tingeln und für Brotkrumen singen. Wer nicht singen kann, der bekommt auch nichts zu essen“. Der Veranstalter und Schauspieler kritisierte, Anträge und die staatlichen Strukturen zu kennen, an die man sich wenden muss, sei noch immer kompliziert und umständlich.

Kritik gab es auch an der Stadt Braunschweig: Sie hat einen „Kulturrat“ gegründet, durch den die Kulturschaffenden ihre gemeinsamen Interessen gegenüber dem Rat der Stadt und der Stadtverwaltung deutlich machen können sollen. Jedoch sei vor der Konstituierung des Kulturrats am 12. Oktober lediglich ein kleiner Teil der Braunschweiger Kulturszene kontaktiert worden. Dies habe die Stadt mit Datenschutz gerechtfertigt. Auch habe die Sitzung an einem Donnerstagvormittag, während der Arbeitszeit vieler Kulturschaffender, stattgefunden. „Es wurde von vornherein bestimmt, wer Kultur ist und wer nicht, der Rat deckt nicht die Kulturszene der Stadt ab“, kritisiert deshalb Glogowski-Merten. Am 22. Januar findet die nächste Sitzung des Kulturrates statt, bei dem ein Vorstand gewählt werden soll.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Bezahlartikel ist zuerst erschienen am 29.10.2023 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article239907359/Braunschweigs-Kulturbetriebe-nach-Corona-Alles-gut-Von-wegen.html

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