Das „Schnee­witt­chen“ von Walken­ried ist geweckt

Frontansicht des sanierten Gutsherrenhauses in Walkenried. Foto: Andreas Greiner-Napp
Frontansicht des sanierten Gutsherrenhauses in Walkenried. Foto: Andreas Greiner-Napp

Kleine­berg Archi­tekten sanierten das denkmal­ge­schützte Gutsher­ren­haus am Zister­zi­en­ser­Mu­seum, in dem künftig auch ein Welterbe-Infor­ma­ti­ons­zen­trum unter­ge­bracht werden soll.

Wie „Schnee­witt­chen im Tiefschlaf“ habe das ehemalige Gutsher­ren­haus der Domäne Walken­ried auf ihn stets gewirkt, sagt Uwe Kleine­berg. Der Architekt, spezia­li­siert auf die Sanierung und Umnutzung denkmal­ge­schützter Bauten, hatte das einst so reprä­sen­ta­tive Gebäude mehr oder weniger verfallen sehen, seit er Anfang der 2000er Jahre im Kloster Walken­ried begann, die bedeu­tenden Klausur­ge­bäude und die Ruine zu sanieren sowie das Zister­zi­en­ser­Mu­seum einzu­richten.

Rückansicht des sanierten Gutsherrenhauses in Walkenried. Foto: Andreas Greiner-Napp
Rückan­sicht des sanierten Gutsher­ren­hauses in Walken­ried. Foto: Andreas Greiner-Napp

Eine große Freude war es für ihn, als er den Auftrag der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz (SBK) erhielt, es doch wieder herzu­richten als eines von drei Welterbe-Infor­ma­ti­ons­zen­tren der Stiftung Welterbe im Harz. Nach rund fünfjäh­riger Arbeit steht das Gutsher­ren­haus nun wieder in voller Pracht da. „Schnee­witt­chen ist wieder erwacht!“ – zum Glück.

Hochka­rä­tiges Baudenkmal

Frontansicht des Gutsherrenhauses Walkenried zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Foto: Archiv Kleineberg Architekten
Front­an­sicht des Gutsher­ren­hauses Walken­ried zu Beginn des 20. Jahrhun­derts. Foto: Archiv Kleine­berg Archi­tekten

Die SBK inves­tierte einen mittleren Millio­nen­be­trag, um das hochka­rä­tige Baudenkmal vor dem Verfall zu retten. „An manchen Stellen hatte sich aufgrund des langen Leerstands und der Feuch­tig­keit bereits Schwamm im Mauerwerk gebildet“, erläutert Kleine­berg, dass es höchste Zeit war, endlich mit der umfas­senden Sanierung zu beginnen. „Es war eine große Heraus­for­de­rung, alle Erfor­der­nisse an die neue Nutzung und die aktuellen Vorschriften zu erfüllen. Vieles von der Substanz war stark in Mitlei­den­schaft gezogen, konnte aber restau­riert werden. Der herrschaft­liche Anspruch, den das Haus einst ausstrahlen sollte, ist jetzt wieder erkennbar“, ist Bert Härtl, Geschäfts­führer von Kleine­berg Archi­tekten und Projekt­leiter, zufrieden mit dem Ergebnis der Arbeit seines Teams. Erste Planungen waren bereits 2015 angestellt worden.

Die Geschichte des Walken­rieder Gutsher­ren­hauses begann 1854. Es wurde bis in die 1970er Jahre von Pächtern der Domäne als Wohn- und Verwal­tungs­ge­bäude genutzt. Schließ­lich übernahm die Gemeinde das Haus, verkaufte es 2005 an die Arbei­ter­wohl­fahrt (AWO). Die AWO wollte dort ein Jugend­heim einrichten, aber das Projekt schei­terte. Es tauchten Inter­es­senten auf, die in dem altehr­wür­digen Haus ein Hotel einrichten wollten. Aber das sollte nun wirklich nicht sein. Die SBK schob dem Ansinnen einen Riegel vor und kaufte das Gebäude 2016 zurück. Ursprüng­lich war es im Besitz des Braun­schwei­gi­schen Verei­nigten Kloster- und Studi­en­fonds gewesen, der heute ein Teilver­mögen der SBK darstellt.

Mehr als nur Haustechnik

Die restaurierte Holztreppe ist ein Schmuckstück. Foto: Andreas Greiner-Napp
Die restau­rierte Holztreppe ist ein Schmuck­stück. Foto: Andreas Greiner-Napp

Wenn von einer umfas­senden Sanierung und Umnutzung die Rede ist, dann beschränkt sich das Vorhaben nicht nur auf neue Elektri­zi­täts- und Wasser­lei­tungen sowie Brand­schutz­maß­nahmen. Die Liste der erfor­der­li­chen Arbeiten neben der Haustechnik ist lang: Das Dach wurde mit Schiefer statt der schad­haften und nicht denkmal­ge­rechten Beton­ziegel neu einge­deckt. Die Fassade wurde nach histo­ri­schem Putz- und Farbkon­zept saniert. Und das Natur­stein-Sockel­ge­schoss wurde gereinigt und neu verfugt. Gleiches gilt für die Freitreppe, die ins Gebäude führt. Die Außen­an­sicht ist, mindes­tens für denje­nigen, der das Haus im verfal­lenen Zustand kannte, überaus beein­dru­ckend.

Blick in die geschwungene Holztreppe. Foto: Andreas Greiner-Napp
Blick in die geschwun­gene Holztreppe. Foto: Andreas Greiner-Napp

Beson­deres Augenmerk verdienen aber vor allem die Restau­rie­rungen im Inneren. Da ist zunächst die imposante Holztreppe, die von der Eingangs­halle durch ein herrschaft­li­ches Treppen­haus hinauf in den großen Saal des Oberge­schosses führt. Sie wurde im Origi­nal­zu­stand erhalten, um aber den aktuellen Bestim­mungen zu entspre­chen wurde das geschwun­gene Geländer mit einer Stahl­kon­struk­tion versehen. Sie hält sich dezent zurück und stört den Gesamt­ein­druck nicht.

In den Räumen entdeckte Restau­ra­torin Anja Stadler histo­ri­sche Tapeten, die über den Türen erhalten wurden und teilweise auch in der künftigen Nutzung an ausge­suchten Stellen sichtbar bleiben. Bemer­kens­wert sind zudem bislang überge­malte Friese, die Porträts von im Harz vorkom­menden Wildtieren zeigen und jetzt wieder zum Vorschein gekommen sind. Sie werden als Dokumente des „authen­ti­schen Ortes“ gesichert und im Zusam­men­hang mit den neuen Nutzungen präsen­tiert. So kann das Baudenkmal als Exponat seiner selbst die Geschichte der Menschen, die im Herren­haus neben dem Kloster gelebt und gearbeitet haben, erzählen wie in einem aufge­schla­genen Bilder­buch.

Ausstel­lung auf 180 Quadrat­me­tern

Innenraum mit einem gemalten Fries und historischer Tapete über der Tür. Foto: Andreas Greiner-Napp
Innenraum mit einem gemalten Fries und histo­ri­scher Tapete über der Tür. Foto: Andreas Greiner-Napp

Im Unter­ge­schoss ist das Ziegel­stein-Gewölbe mit den gussei­sernen Unter­zügen erhalten geblieben. Um das zu ermög­li­chen, wurden in die Decken Stahl­träger einge­zogen, die im Nachgang wieder unsichtbar gemacht wurden. Im Unter­ge­schoss sind die Garde­roben und behin­der­ten­ge­rechte WC-Anlagen unter­ge­bracht. Auch sie sind mit dem denkmal­ge­recht integrierten Aufzug für jedermann leicht zu erreichen.

Das Welterbe-Infor­ma­ti­ons­zen­trum wird im ersten Oberge­schoss einge­richtet. Auf der 180 Quadrat­meter großen Ausstel­lungs­fläche wird einen Eindruck über die Welterbe­stätte „Bergwerk Rammels­berg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasser­wirt­schaft“ vermit­telt. Im Erdge­schoss wird die Verwal­tung des Zister­zi­en­ser­Mu­seums unter­ge­bracht. Die Stiftung Welterbe im Harz übernimmt auch die Träger­schaft von Kloster­an­lage und Museum. Die Gebäude bleiben jedoch im Eigentum der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Das Welterbe im Harz misst eine Gesamt­fläche von 220 Quadrat­ki­lo­me­tern und weist zahlreiche musealen Standorte und öffent­lich zugäng­liche Boden­denk­mäler auf. Weitere Welterbe Infozen­tren werden in Goslar und Clausthal-Zeller­feld einge­richtet.

Infor­ma­tionen:

https://www.welterbeimharz.de/
https://www.kloster-walkenried.de/

Videos:

https://www.der-loewe.info/auf-den-spuren-der-wasserkraft
https://www.der-loewe.info/eine-archaeologische-schatztruhe

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