Auf den Spuren der Wasser­kraft

Zister­zi­enser legten im 13. Jahrhun­dert die ersten Teiche des Oberharzer Wasser­re­gals an. Das erste vorin­dus­tri­elle Wasser­wirt­schafts­system der Welt ist seit 2010 Weltkul­tur­erbe

Wasser beflügelt die Kreati­vität der Menschen. 5000 Jahre vor Christi Geburt machten sich Chinesen bereits seine Kraft zunutze. Wasser zählt zu den verläss­lichsten regene­ra­tiven Energien. Die Hoffnung auf eine Energie­wende ruht also auch auf der nie enden wollende Stärke des Wassers. Die Vergan­gen­heit, die Gegenwart und die Zukunft unseres bedeu­tendsten Elements lassen sich in seiner Komple­xität nirgends besser erleben als im Harz.

Das Oberharzer Wasser­regal ist ein Kultur­denkmal höchsten Ranges. Schließ­lich ist das erhaltene System aus 65 Teichen, 70 Kilometer Gräben und 20 Kilometer langen unter­ir­di­schen Wasser­läufen im August 2010 zum Weltkul­tur­erbe ernannt worden. „Diese Anlage ist die am besten erhaltene und die größte ihrer Art“, sagt Justus Teicke, Abtei­lungs­leiter Talsperren bei den Harzwas­ser­werken und zuständig für das Oberharzer Wasser­regal.  Es handelt sich um das weltweit bedeu­tendste montane vorin­dus­tri­elle Wasser­wirt­schafts­system. Es umfasst 200 Quadrat­ki­lo­meter im nieder­säch­si­schen Teil des Harzes im Raum Clausthal-Zeller­feld, Sankt Andre­as­berg, Altenau und Torfhaus.

Dereinst waren es sogar 149 Teiche und mehr als 500 Kilometer Gräben. Vom Mittel­alter bis ins frühe 20. Jahrhun­dert hinein nutzten Bergleute die Wasser­kraft, um große Schau­fel­räder anzutreiben und so das gewonnene Erz zutage zu befördern. Die Schächte im Harz galten seiner­zeit als die tiefsten der Welt. Um 1830 förderten Kumpel aus 600 Meter Tiefe und damit bereits unterhalb des Meeres­spie­gels. Die Wasser­wirt­schaft hatte den Bergbau im Harz erst lukrativ gemacht und gilt heute als beein­dru­ckendes Zeugnis früher Ingenieurs­kunst.

Und so funktio­nierte das noch heute dank des Einsatzes der Harzwas­ser­werke intakte System: Die Teiche wurden auf hohem Niveau angelegt. Da die Gräben nur geringes Gefälle hatten, oft nur ein Meter auf eine Länge von 1,5 Kilome­tern, konnte das Wasser über weite Strecken bis hin zu den Hütten geführt werden. Dort trieb es Wasser­räder an, um Lasten aus großer Tiefe nach oben zu hieven.

Wenn wir heute durch den Harz wandern, genießen wir die roman­tisch gelegenen Teiche. Zister­zi­enser-Mönche aus dem Kloster Walken­ried, das heute mit zur Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gehört, hatten die ersten davon mühevoll mit ihrer eigenen Hände Arbeit angelegt. Der Name Oberharzer Wasser­regal leitet sich übrigens nicht aus der Lage überein­ander angelegter Teiche  ab, wie man vermuten könnte. Der Begriff Regal bedeutet in diesem Zusam­men­hang vielmehr das könig­liche Hoheits­recht zur Nutzung der Wasser­quellen. Mit dem Wasser­regal verlieh der Landes­herr das Recht, Wasser für den Bergbau zu nutzen.

Bis zur Erfindung der Dampf­ma­schine war die Wasser­kraft einzige Energie­quelle für den Bergbau. So legte das einmalige Oberharzer Wasse­r­egal damals den Grund­stein für großen Wohlstand. „Der Harz  galt vor dem 19. Jahrhun­dert als eines der bedeu­tendsten Indus­trie­ge­biete Mittel­eu­ropas“, berichtet Harzwasser-Experte Justus Teicke.

Der Harz zählt zu den regen­reichsten Regionen Deutsch­lands. Dieser Fakt spielt für den Harz weiter eine überra­gende Rolle. Dank seiner vielen Talsperren versorgt er rund 1,5 Millionen Menschen  mit Trink­wasser. Die Harzwas­ser­werke betreiben 518 Kilome­tern Trans­port­lei­tungen. Es ist das größte Trink­was­ser­ver­bund­system Nieder­sach­sens. Das besonders „weiche“ Harzwasser kommt unter anderem auch in Braun­schweig an. Mit Bremen, Hannover, Wolfsburg und Göttingen werden weitere Großstädte beliefert.

22 Wasser­wan­der­wege führen Touristen an den histo­ri­schen Gräben und Teichen der Oberharzer Wasser­wirt­schaft vorbei. Auf rund 400 Infor­ma­ti­ons­ta­feln ist alles über die Oberharzer Wasser­wirt­schaft zu erfahren. Das Wegenetz beträgt rund 113 Kilometer. Die einzelnen Wander­wege sind jedoch je nach Lust und Laune der Wanderer zwischen 0,3 und 11,5 Kilometer lang.

Lohnens­wert ist ein Abstecher zum Betriebshof der Harzwas­ser­werke in Clausthal-Zeller­feld. Dort ist das histo­ri­sche Gebäude des Kaiser-Wilhelm-Schachts und eine Ausstel­lung zum Oberharzer Wasser­regal zu sehen, die von April bis Oktober täglich zwischen 15 und 17 Uhr geöffnet ist (Eintritt 3 Euro).

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