Der Arbeiter- und Solda­tenrat im Schloss

Revolutionäre im Arbeitszimmer des Schlossmuseums. Foto: M. Kruszewski/Schlossmuseum
Revolutionäre im Arbeitszimmer des Schlossmuseums. Foto: M. Kruszewski/Schlossmuseum

Ausstel­lungen zur Novem­ber­re­vo­lu­tion in Braun­schweig:  Am 30. Oktober öffnet im Schloss­mu­seum die Sonder­aus­stel­lung „Revolu­tion. Abdankung. Schloss.“, im Städti­schen Museum läuft „Zerris­sene Zeiten – Krieg. Revolu­tion. Und dann?“

Braun­schweig und das Residenz­schloss spielten bei der Novem­ber­re­vo­lu­tion 1918 eine national heraus­ge­ho­bene Rolle. Denn Herzog Ernst August dankte als erster deutscher Monarch ab. Erst einen Tag später verkün­dete Reichs­kanzler Max von Baden die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. in Berlin. An jenem 8. November hatte es in Braun­schweig bereits während des gesamten Tages Demons­tra­tionen gegeben, ehe die vom Kommu­nis­ten­führer August Merges angeführte Abordnung von Arbeitern und Soldaten zum Residenz­schloss kam. Die Abdan­kungs­ur­kunde hatten sie schon formu­liert und mitge­bracht. Der Herzog unter­schrieb ohne langes Zögern. Zwei Tage später wurde die Sozia­lis­ti­sche Republik Braun­schweig ausge­rufen, deren Präsident Merges war. Diese Episode dauerte nur rund fünf Monate.

Das Allein­stel­lungs­merkmal der frühesten Abdankung hat das Kultur­de­zernat der Stadt zum Anlass genommen, ein Gesamt­pro­jekt mit dem Titel „Vom Herzogtum zum Freistaat. Braun­schweigs Weg in die Demokratie“ zu organi­sieren. Fördernde Partner sind dabei die Braun­schwei­gi­schen Stiftung und die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Am 30. Oktober öffnet sich mit der Sonder­aus­stel­lung „Revolu­tion. Abdankung. Schloss.“ im Schloss­mu­seum ein weiterer Blick in die bewegte Vergan­gen­heit der Novem­ber­re­vo­lu­tion in Braun­schweig. Die Ausstel­lung ist bis zum 25. August 2019 vorge­sehen.

Die Novem­ber­re­vo­lu­tion vor 100 Jahren brachte Braun­schweig und Deutsch­land die Demokratie und beendete jahrhun­der­te­alte Macht­ver­hält­nisse. Gleich­zeitig verlor das Braun­schweiger Schloss seine Funktion als Herrscher­sitz. Was geschah wirklich am Tag der Abdankung? Wer wohnte nun im Schloss und was waren die ersten Entschei­dungen der neuen Macht­haber? Was bedeutete die Abdankung für die Herzogs­fa­milie? Verloren die Schloss­be­diens­teten ihre Arbeits­stelle oder war der Macht­wechsel für sie eine neue Chance? Wie wurden die vielen Möbel, Gemälde und Räume der ehema­ligen Welfen­re­si­denz genutzt? Diesen Fragen geht das Schloss­mu­seum nach. Gezeigt werden mehr als 200 Exponate aus 20 Museen und von Privat­leih­ge­bern.

Die Folgen der Abdankung werden durch Fotogra­fien, Dokumente und weitere Exponate beleuchtet. Private Dokumente aus dem welfi­schen Hausar­chiv – wie Briefe und Telegramme – belegen die Haltung des Herzogs im direkten Vorfeld und in den Tagen nach der Revolu­tion. Zur Ausstel­lung im Schloss­mu­seum ist eine Begleit­bro­schüre entstanden, die von den Revolu­tio­nären bis zum Bediens­teten die verschie­denen Perspek­tiven, analog zur Ausstel­lung, nachzeichnet.

Die Abdan­kungs­ur­kunde selbst stellt zweifellos das Haupt­ex­ponat der Ausstel­lung dar. Sie ist das zentrale Dokument der Novem­ber­re­vo­lu­tion in Braun­schweig. Trotz ihrer Bedeutung war das Schrift­stück bis 1953 verschwunden und wird seitdem im Nieder­säch­si­schen Landes­ar­chiv, Standort Wolfen­büttel, verwahrt. „Die Abdan­kungs­ur­kunde ist von heraus­ra­gender Bedeutung. Sie ist ein Symbol für die Demokratie und einen fried­li­chen Macht­wechsel“, sagt Museums­lei­terin Dr. Ulrike Sbresny.

Ein Begleit­pro­gramm bietet Themen- und Kostüm­füh­rungen, beispiels­weise mit dem Revolu­ti­ons­führer August Merges oder vom Schloss bis ins Rathaus an. Vorträge über die Abdan­kungs­ur­kunde, das Natur­his­to­ri­sche Museum, die Verbin­dung von Revolu­tion und Kirche sowie die Nachnut­zung des Schlosses finden ebenso statt wie Taschen­lampen- und Kinder­füh­rungen. Für Kinder liegt eine Kinder­rallye zum Besuch bereit.

Parallel findet die Sonder­aus­stel­lung „Zerris­sene Zeiten – Krieg. Revolu­tion. Und dann? Braun­schweig 1916 – 1923.“ im Städti­schen Museum statt. Sie hat einen anderen Fokus, beschäf­tigt sich nicht mit der Abdankung des Herzogs und den   Ereig­nissen im Schloss, sondern vielmehr mit den gesell­schafts­po­li­ti­schen Spannungen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Sonder­aus­stel­lung im Schloss­mu­seum ist dazu eine wertvolle Ergänzung. Die Zeit nach der Revolu­tion war in Deutsch­land  wie in Braun­schweig von gesell­schaft­li­chen Gegen­sätzen geprägt. Rechte wie linke Gruppie­rungen waren besonders aktiv.  Die politi­schen Graben­kämpfe und Wider­sprüch­lich­keiten sind die Leitmo­tive der Ausstel­lung. Die Schau wird im Lichthof, in den Sonder­aus­stel­lungs­räumen und im Galerie­ge­bäude des Städti­schen Museums gezeigt.

Sie wird dominiert durch eindrucks­volle, histo­ri­sche Fotogra­fien wie von der Nieder­schla­gung der Revolu­tion, als Regie­rungs­truppen. Sie am 19. April 1919 die rote Fahne vorm Schloss verbrannten. Dazu sind Plakate aus jenen Tagen zu sehen. Darauf heißt es „Für Volks­herr­schaft und Sozia­lismus“ oder „Heraus mit den schwarz-weiß-roten Fahnen, Braun­schweig ist vater­län­disch-deutsch“. Am 22. Dezember 1918 fanden in Braun­schweig die ersten demokra­ti­schen Wahlen nach dem Zusam­men­bruch des deutschen Kaiser­reichs statt. Karika­turen wie aus dem „Simpli­cis­simus“ oder Nachrichten wie aus dem „Vorwärts“ über die Volks­re­pu­blik Braun­schweig legen Zeugnis über die damalige Zeit ab. Exponate wie ein Badeanzug für Frauen oder eine Matro­sen­mütze der Volks­ma­ri­ne­di­vi­sion 1918 runden die Präsen­ta­tion ab.

Zur Ausstel­lung im Städti­schen Museum ist museums­päd­ago­gi­sches Begleit­ma­te­rial für Schulen erschienen. Darüber hinaus gibt es ein umfang­rei­ches Begleit­pro­gramm.

Mehr Infor­ma­tionen zum Gesamt­pro­jekt „Vom Herzogtum zum Freistaat. Braun­schweigs Weg in die Demokratie“: http://www.braunschweig.de/kultur/veranstaltungen/blickpunkt_ki/1918_380061.html

Ausstel­lung  „Revolu­tion. Abdankung. Schloss.“

Ort: Schloss­mu­seum Braun­schweig

Öffnungs­zeiten: Dienstag 10 – 17 Uhr, Mittwoch 13 – 20 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10–17 Uhr

Telefon: Telefon: 0531–470 4876

E‑Mail: schlossmuseum@residenzschloss-braunschweig.de

Homepage:  www.schlossmuseum-braunschweig.de

Eintritt: 4 € inkl. Audio­guide, ermäßigt für Inhaber des Braun­schweig Pass, Schwer­be­hin­derte und ALG-Empfänger gegen Vorlage eines Ausweises 1 €,  Museums­ein­tritt für Kinder unter 15 Jahre.

Ausstel­lung   „Zerris­sene Zeiten – Krieg. Revolu­tion. Und dann? Braun­schweig 1916 – 1923.“

Ort: Städti­sches Museum Braun­schweig:

Öffnungs­zeiten: Di–So 10–17 Uhr

Telefon: 0531–470 4521

E‑Mail: staedtisches.museum@braunschweig.de

Homepage: www.braunschweig.de/museum

Eintritt: Erwach­sene 5,00 €; Ermäßi­gung (für Schüler, Studie­rende, Auszu­bil­dende, Menschen mit Behin­de­rung, Rentner sowie Inhaber des „Braun­schweig Passes“) 2,50 €; Kinder von 6 – 16 Jahre 2,00 €; Schul­klassen und Kinder bis 6 Jahre freier Eintritt.

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