Der „Fürst der Mathe­ma­tiker“

Gauß-Denkmal in Braunschweig. Foto: IBRG
Gauß-Denkmal in Braunschweig. Foto: IBRG

Ehren­bürger der Stadt Braun­schweig, Folge 1: Carl Friedrich Gauß.

Joachim Heinrich Campe (1746–1818) wurde neben Friedrich Schiller unter anderem 1792 Ehren­bürger Frank­reichs. Dr. Heinrich Dohrn (1838–1913) erhielt 1904 die Ehren­bür­ger­würde von Stettin/Szczecin. Herzog Wilhelm von Braun­schweig (1806–1884) wurde in Hietzing (heute Bezirk von Wien) 1861 als Ehren­bürger gewürdigt. Posthum schließ­lich ernannte der damalige Gouver­neur Bill Clinton im Jahr 1957 Friedrich Gerstä­cker zum Ehren­bürger von Arkansas. Braun­schweiger mit höchsten Ehren versehen wurden Botschafter auch ihrer Heimat. Mit diesen Beispielen wollen wir die Betrach­tung zu Braun­schweigs Ehren­bür­gern und Ehren­bür­ge­rinnen eröffnen, denn auch für die Stadt Braun­schweig gilt:

Höchste Auszeich­nung der Stadt

Die Verlei­hung des Ehren­bür­ger­rechts stellt die höchste Auszeich­nung dar, die von der Stadt Braun­schweig vergeben werden kann. Sie wird allgemein an Persön­lich­keiten verliehen, die sich um die Stadt in einzig­ar­tiger Weise verdient gemacht haben. Dabei können die zugrunde gelegten Voraus­set­zungen vielfältig sein und sind ein Spiegel­bild der jewei­ligen Stadt­ge­sell­schaft. So waren die ersten Verlei­hungen seit dem Jahr 1838 durch den Konkur­renz­kampf der Messe­stand­orte Braun­schweig und Leipzig angestoßen worden, orien­tiert an genau definierten Leistungen von Kaufleuten für die Braun­schweiger Messe, aber im Zuge der Indus­tria­li­sie­rung auch zunehmend mit Verdiensten für Industrie und Wirtschaft verbunden. Weitere Verdienst­kri­te­rien waren und sind heraus­ra­gende wissen­schaft­liche, kultu­relle, politi­sche und soziale Leistungen.

Beson­deres Forschungs­pro­jekt

Ehren­bürger stellen eine besondere Kategorie kommu­naler Würden­träger dar, deren geschicht­liche Bedeutung und Lebens­wege als ideal­ty­pisch für die Verbin­dung von Bürger­lich­keit, Regio­na­lität und Biografik zu erfor­schen ist. Diese Gruppe kommu­nal­staat­lich und gesell­schaft­lich einfluss­rei­cher Persön­lich­keiten stellt ein weitge­hendes Desiderat in der Kultur- und Regio­nal­ge­schichte dar.

In einem Forschungs­pro­jekt am Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte (IBRG) der TU Braun­schweig arbeiten Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel und Dr. Angela Klein in Koope­ra­tion mit dem Stadt­ar­chiv Braun­schweig zum Thema Ehren­bür­ger­würde, um die Lebens­wege dieser Ehren­bürger und Ehren­bür­ge­rinnen zunehmend in den Fokus der städti­schen und regio­nalen Öffent­lich­keit zu rücken. Vorab sollen schritt­weise Beiträge im Inter­net­portal „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ erste Vorstel­lungen ermög­li­chen.

Beginnen wollen wir mit dem vierten Ehren­bürger der Stadt Braun­schweig aus dem Jahr 1853, der erstmals aufgrund seiner persön­li­chen und wissen­schaft­li­chen Wirkungs­mäch­tig­keit geehrt wurde: Carl Friedrich Gauß (1777–1855).

Gauß-Büste in der Walhalla. Foto: IBRG
Gauß-Büste in der Walhalla. Foto: IBRG

Zahlreiche Förderer

Am 30. April 1777 wurde der berühm­teste Sohn der Stadt Braun­schweig, Carl Friedrich Gauß, geboren. Der „Fürst der Mathe­ma­tiker“ verdankte zunächst alles, was er in der Wissen­schaft erreichte, sowohl seinen genialen Anlagen als auch zahlrei­chen Förderern in Braun­schweig. Anekdoten und Legenden ranken sich um die Jugend­zeit des großen Mathe­ma­ti­kers, der gerne den Spruch zitierte, er habe als Dreijäh­riger „eher rechnen als sprechen gelernt“, und man erfährt, dass Gauß als Kind beim Spielen fast ertrunken wäre. Aber er hat diese Gefahr überlebt und bereits in der Schule wurde seine mathe­ma­ti­sche Gabe erkannt.

Mit Förderung des braun­schwei­gi­schen Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand (1735- 1806), der auch Lessing und Spohr unter­stützte, konnte Carl Friedrich Gauß nach einem Besuch am Braun­schweiger Collegium Carolinum (1792–1795) sein Mathe­ma­tik­stu­dium (1795–1798 in Göttingen absol­vieren. Es war dies ein beson­deres Privileg, denn die braun­schwei­gi­schen Landes­kinder mussten zunächst an der welfi­schen Landes­uni­ver­sität in Helmstedt studieren. Nach seiner Promotion bei dem Helmstedter Mathe­ma­tiker Professor Johann Friedrich Pfaff am 16. Juli 1799 vollendete Gauß sein erstes großes Werk „Disqui­si­tiones arith­me­ticae – Unter­su­chungen über höhere Arith­metik“, das 1801 erschien, und mit dem er die moderne Zahlen­theorie begrün­dete.

Längst war Gauß auf vielen Feldern der Natur­wis­sen­schaften und der Mathe­matik wissen­schaft­lich erfolg­reich tätig, denn Herzog Carl Wilhelm Ferdinand bot dem Wissen­schaftler, der äußerst ungern Vorle­sungen hielt, die Möglich­keit als Privat­ge­lehrter in Braun­schweig seinen Forschungen nachzu­gehen. Er wurde angemessen bezahlt, gefördert und von Lehrver­pflich­tungen freige­stellt.

Auch als Astronom erfolg­reich

Mit der Bahnbe­stim­mung der Ceres, des ersten am 1. Januar 1801 entdeckten Plane­to­iden, machte sich Gauß in der Astro­nomie einen hervor­ra­genden Namen. Als er 1802 einen Ruf an die Stern­warte nach St. Peters­burg erhielt, lehnte er trotz des großzügig bemes­senen Angebotes ab, da der braun­schwei­gi­sche Herzog nicht nur das Gehalt des Privat­ge­lehrten erhöhte, sondern zugleich Peter Joseph Krahe beauf­tragte, für Gauß und seine astro­no­mi­schen Forschungen eine eigene Stern­warte zu planen. Trotz zahlrei­cher Abwer­bungs­ver­suche, zum Beispiel aus Göttingen, schien die wissen­schaft­liche Laufbahn des Gelehrten in Braun­schweig klar bestimmt.

Die politi­sche Katastrophe des Jahres 1806, der Tod von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in der Schlacht von Jena und Auerstedt/Hassenhausen und die Besetzung des Landes durch die Franzosen, verän­derten den Lebensweg von Gauß. Eine beruf­liche Existenz im univer­si­tären Bereich konnte für ihn nicht in Frage kommen und die Förderung als Privat­ge­lehrter fand ihr Ende.

Entwurf der Sternwarte für Gauß in Braunschweig von Peter Joseph Krahe. Foto: IBRG
Entwurf der Stern­warte für Gauß in Braun­schweig von Peter Joseph Krahe. Foto: IBRG

Vermitt­lung nach Göttingen

Während Gauß sich bemühte, eine Anstel­lung an der Univer­sität St. Peters­burg zu erhalten, hatten sich Freunde, wie der Bremer Astronom Olbers, um Vermitt­lung an die Univer­sität Göttingen bemüht. Als Carl Friedrich Gauß am 21. November 1807 in Göttingen eintraf, konnte er nicht ahnen, dass dies der Ort für den zweiten und ebenfalls bedeu­tenden Lebens­ab­schnitt werden sollte.

Er war nun Professor für Astro­nomie und gemeinsam mit seinem Kollegen Ludwig Harding (1765–1834) Direktor der Stern­warte, deren Neubau im Entstehen war. Neben Mathe­matik und Astro­nomie arbeitete Gauß auf vielen Wissen­schafts­ge­bieten erfolg­reich, so in der Geodäsie und der Physik. Gemeinsam mit dem 1831 nach Göttingen berufenen Physiker Wilhelm Weber (1804–1891) forschte er auf dem Gebiet des Magne­tismus und der Elektri­zität. Diese frucht­bare Zusam­men­ar­beit endete, als Weber aus politi­schen Gründen 1837 entlassen worden war und 1843 einen Ruf nach Leipzig annahm.

Viele Angebote abgelehnt

In der Folgezeit widmete sich Gauß fast ausschließ­lich seinen mathe­ma­ti­schen Forschungen. Es gab kaum eine mathe­ma­ti­sche Disziplin, die nicht von ihm entschei­dend beein­flusst und gefördert worden war. Auch die Hanno­ver­sche Landes­ver­mes­sung verdient eine Erwähnung. In Göttingen blieb Gauß bis zu seinem Tod am 23. Februar 1855 trotz zahlrei­cher Angebote anderer Univer­si­täten wie Leipzig und Dorpat oder der Berliner Akademie, die ihn als Gründungs­di­rektor für eine neu zu gründende Polytech­ni­sche Schule (heutige TU) gewinnen wollte.

Gauß bewahrte sich stets eine gute Erinne­rung an seine Heimat­stadt Braun­schweig. Diese ehrte den „größten Sohn der Stadt“ zu dessen Goldenem Doktor­ju­bi­läum 1849 mit der Verlei­hung der Ehren­bür­ger­würde. In seinem Dankes­brief vom 5. August 1849 betonte Gauß „das Interesse an Allem, was meine liebe Vater­stadt angeht“, und meinte, die Jahre in Braun­schweig gehörten „zu denje­nigen Abschnitten meines Lebens, auf die ich, wie in so vielen Bezie­hungen, so auch in wissen­schaft­liche, mit einer eigen­tüm­lich bewegten Befrie­di­gung zurück­sehen muss“.

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