Die Briefe an sein „Hannchen“

Das Gauß-Denkmal. Archivfoto: Peter Sierigk
Das Gauß-Denkmal. Archivfoto: Peter Sierigk

Der Inter­na­tio­naler Kreis der Carl Friedrich Gauß Freunde nähert sich am 242. Geburtstag in einer neuen Veröf­fent­li­chung „Johanna und C.F. Gauß – Begeg­nungen der beson­deren Art“ den Gefühlen und Ängsten des großen Mathe­ma­ti­kers und Braun­schwei­gers.

Für Gerd Biegel, Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte, ist der Mathe­ma­tiker, Physiker und Astronom Carl-Friedrich Gauß (1777 – 1855) der berühm­teste Sohn der Stadt Braun­schweig. Dass die Verbin­dung zu Braun­schweig aber nicht allgemein so bekannt ist, wie sie sein sollte, habe, so schreibt Biegel in seinem Aufsatz „Erst Rechnen, dann Sprechen gelernt – der Mathe­ma­tiker Carl Friedrich Gauß“, im Wesent­li­chen zwei Gründe: Einer­seits hat der Tod seines Förderers Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in der Schlacht von Jena und Auerstedt (1806) und die folgende Besetzung des Landes durch die Franzosen den Lebensweg von Gauß gravie­rend verändert Und anderer­seits erinnerte der alte 10-DM-Schein zwar an die großar­tigen Leistungen von Carl Friedrich Gauß, aber es fehlte eben der Hinweis auf seine Geburts- und Heimat­stadt Braun­schweig.

Der Inter­na­tio­nale Kreis der Carl-Friedrich-Gauß Freunde um den Vorsit­zenden Younouss Wadjinny mit Sitz in Braun­schweig hält die Erinne­rungen an den großen Wissen­schaftler tradi­tio­nell an seinem Geburtstag wach. An diesem 30. April lädt der Verein um 18 Uhr zur Buchvor­stel­lung „Johanna und C.F. Gauß – Begeg­nungen der beson­deren Art“ ins Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum ein. Das Buch wird als Theater­stück mit Musik, Kunst, Lesungen und Filmaus­schnitten präsen­tiert. Im Rahmen der Veran­stal­tung werden Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel die Gauß-Zerti­fi­kate ehren­halber verliehen. Biegel hat bereits 2005 gemeinsam mit Karin Reich eine Gauß-Biografie veröf­fent­licht. Der Eintritt ist kostenlos.

Das neue Buch gewährt nun starke Einblicke in das Privat­leben des Gelehrten. Der deutsch-englische Band setzt sich mit zwölf Briefen von Carl Friedrich Gauß und seiner ersten Frau Johanna ausein­ander. Ausgangs­punkt war ein inter­na­tio­naler Lesekreis, bei dem sich Studie­rende aus zwölf Nationen (u.a. aus Kolumbien, Tunesien, Ukraine, China und Syrien) mit dem Brief­wechsel beschäf­tigt hatten.

Der Brief­wechsel selbst beginnt mit Gauß‘ Verlo­bungs­an­trag am 12. Juli 1804. „Ich kann Ihnen zwar jetzt nicht Reichtum, nicht Glanz anbieten. Doch Ihnen, Gute – ich kann mich in Ihrer schönen Seele nicht geirrt haben – sind ja Reichtum und Glanz ebenso gleich­gültig wie mir. Aber ich habe mehr als ich für mich alleine brauche, genug, um zweien genüg­samen Menschen ein sorgen­freies anstän­diges Leben zu bereiten, meiner Aussichten in die Zukunft gar nicht einmal zu gedenken. Das Beste, was ich Ihnen anbieten kann, ist ein treues Herz voll der innigsten Liebe für Sie“, schreibt er an Johanna Elisabeth Rosina Osthoff. Am 9. Oktober 1805 heiratet Gauß sein „Hannchen“.

In den folgenden Briefen tauschen sich die Eheleute über ihren Alltag aus – über ihren Sohn Joseph, Krank­heiten, Essen, Reisen und die Post, die sich verzögert. Die letzte Nachricht enthält Gauß‘ Toten­klage um seine Frau, die am 11. Oktober 1809 starb: „Teures Wesen, du wusstest selbst nicht, wie einzig du warst. Mit der Sanftmut eines Engels ertrugst du meine Fehler. O wenn es den Seligen vergönnt ist noch unsichtbar uns armen im Lebens­dunkel irrenden nahe zu sein, verlas mich nicht. Kann deine Liebe vergäng­lich sein? Kannst Du sie dem armen, dessen Höchstes Gut sie war entziehen? O du Beste, bleib meinem Geiste nahe.“

Während der erste Lebens­ab­schnitt in Braun­schweig, der 1806 abrupt endete, weitge­hend positiv verlaufen war, sollte die nachfol­gende Zeit in Göttingen mit heftigen Schick­sals­schlägen verbunden sein, erläutert Gauß-Kenner Biegel. Die Sorge um die beruf­liche Existenz habe Gauß umso mehr belastet, „als er seit dem 9. Oktober 1805 mit Johanna Osthoff (1780 – 1809), der Tochter eines Braun­schweiger Weißger­ber­meis­ters verhei­ratet war und kurz vor der großen Katastrophe der Sohn Joseph am 21. August 1806 geboren worden war. Das persön­liche Glück war ein großer Rückhalt für den Gelehrten, jedoch sollte es nicht allzu lange anhalten. Bereits am 11. Oktober 1809 verstarb seine geliebte Frau Johanna, und um der Kinder willen heiratete Gauß am 4. August 1810 die Tochter Minna (1788 – 1831) des Göttinger Hofrats und Profes­sors der Rechte, Johann Peter Waldeck. Nach der Geburt der drei Kinder Eugen (1811), Wilhelm (1813) sowie Therese (1816) erkrankte auch Minna und starb schließ­lich 1831. Nun betreute die Tochter Therese den Gelehrten bis an sein Lebens­ende.“

Gauß habe sich seine Erinne­rung an die gute Zeit in Braun­schweig bis zu seinem Tod bewahrt, schreibt Biegel. Und Braun­schweig ehrte ihn zu dessen Goldenem Doktor­ju­bi­läum 1849 mit der Verlei­hung der Ehren­bür­ger­würde. In seinem Dankes­brief vom 5. August 1849 betonte Gauß „das Interesse an Allem, was meine liebe Vater­stadt angeht“. Er meinte, die Jahre in Braun­schweig gehörten „zu denje­nigen Abschnitten meines Lebens, auf die ich, wie in so vielen Bezie­hungen, so auch in wissen­schaft­liche, mit einer eigent­hüm­lich bewegten Befrie­di­gung zurück­sehen muß“.

An diese enge Bindung erinnert noch immer das Gauß-Denkmal am Gauß-Berg, das 1880 einge­weiht wurde. Die Braun­schwei­gi­sche Wissen­schaft­liche Gesell­schaft verleiht außerdem jährlich die „Gauß-Medaille“ für besonders heraus­ra­gende Forschungs­leis­tungen. Die Fakultät 1 der TU Braun­schweig trägt den Namen „Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät“. Und der Inter­na­tio­naler Kreis der Carl Friedrich Gauß Freunde sorgt darüber hinaus dafür, dass Braun­schweigs größter Sohn nicht in Verges­sen­heit gerät.

Infor­ma­tion

Der Inter­na­tio­naler Kreis der Carl Friedrich Gauß Freunde wurde 2008 gegründet. Er verbindet die gemein­same Leiden­schaft für die Wissen­schaft und die Begeis­te­rung für den bekann­testen deutschen Mathe­ma­tiker. Ganz im Sinne von Gauß bilden verschie­dene inter­na­tio­nale Länder­abende, Theater­stücke und Sprach­kurse eine Brücke zwischen Kultur und Wissen­schaft. Seit 2017 ist die Organi­sa­tion univer­sitär an das Zentrum für Schul­for­schung und Lehrer­bil­dung angebunden. Sie ist Teil der gelebten Willkom­mens- und Beratungs­kultur an der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig.

Kontakt:

Inter­na­tio­naler Kreis der Carl Friedrich Gauß Freunde e.V.
Gülden­straße 8
38100 Braun­schweig
Tel.: 0531–28339988
E‑Mail: info@gauss-friends.org
www.gauss-friends.org

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