Die Letzte ihrer Art

Die fünfflügelige Holländer-Windmühle Wendhausen. Foto Günter Jung
Die fünfflügelige Holländer-Windmühle Wendhausen. Foto Günter Jung

Indus­trie­ge­schichte des Herzog­tums Braun­schweig im 19. Jahrhun­dert: Ortshei­mat­pfleger Günter Jung rückt am 16. Juni die sanierte Windmühle in Wendhausen in den histo­ri­schen Fokus.

Was war das für ein Trauer­spiel, als 2011 Bauschäden zur Schlie­ßung der Windmühle Wendhausen, einem Denkmal der braun­schwei­gi­schen Industrie- und Bauge­schichte, führten. Die Flügel mussten abmon­tiert werden, lange war offen, ob das Wahrzei­chen des Dorfes überhaupt gerettet werden konnte. Die im Jahr 1837 erbaute Mühle war ein Sanie­rungs­fall. Hausschwamm im Mauerwerk und Pilzbe­fall an tragenden Holzele­menten hatten ihr arg zugesetzt. Der Beharr­lich­keit des 1983 gegrün­deten „Vereins zur Erhaltung und Förderung der Holländer-Windmühle Wendhausen e.V.” ist es zu verdanken, dass sie heute noch steht und die letzte funkti­ons­fä­hige fünfflü­ge­lige Holländer-Windmühle Deutsch­lands ist.

Die erfolg­reiche Sanierung für mehr als 400.000  Euro wurde 2015 abgeschlossen. Zu den Förderern zählte neben Bund, Land und Kommune auch die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Es war nicht die erste Rettung der 1953 still­ge­legten Mühle. Sie ist aber ein weiteres erfreu­li­ches Kapitel in Günter Jungs Vortrag „Von der Gutswas­ser­mühle zur Papier­fa­brik und zur  Fünf-Flügel-Windmühle – ein Beitrag zur Indus­trie­ge­schichte Wendhau­sens im 19. Jahrhun­dert“, den der Ortshei­mat­pfleger am Samstag, 16. Juni, hält. Ausgangs­punkt ist um 14 Uhr ein Ortsrund­gang (Treff­punkt: Gastwirt­schaft „Zur schönen Aussicht“, Im Oberdorf 11, 38165 Wendhausen). Dort findet von 15 Uhr an auch der Vortrag statt.

Mit der Pacht des herzog­li­chen Wasser­schlosses samt Domäne durch die Gebrüder Carl und Eduard Vieweg im Jahre 1836 setzte in dem beschau­li­chen bäuer­li­chen Dorf Wendhausen an der Schunter das Indus­trie­zeit­alter ein. Zum einen wurde die Energie der schon 1480 erstmals erwähnten dreigän­gigen Wasser­mühle an der Schunter für den Verlag Vieweg zur Papier­her­stel­lung benötigt, zum anderen mussten die einhei­mi­schen Bauern durch eine adäquate Mahlmühle entschä­digt werden.

In einer Stellung­nahme des Nieder­säch­si­schen Landes­amts für Denkmal­pflege an die Deutsche Stiftung Denkmal­schutz aus dem Jahr 2013 heißt es dazu: „Die Vieweg-Brüder erhielten von der herzog­li­chen Kammer die Auflage, innerhalb eines Jahres eine Windmühle mit der gleichen Mahlleis­tung für die Bauern der Umgebung zu bauen. Die technisch inter­es­sierten Gebrüder hatten sich in England nicht nur über neuartige Maschinen zur Papier­her­stel­lung und zum Buchdruck infor­miert, sondern waren in Manchester und Leeds auch mit verschie­denen Maschinen- und Mühlen­bauern in Kontakt gekommen.“

Ob englische Konstruk­teure unmit­telbar am Neubau beteiligt waren, ist nicht eindeutig zu klären. Gleich­wohl wurde die neue 17 Meter hohe Mühle auf der höchsten Erhebung Wendhau­sens, dem Dettmers­berg, nach dem sogenanntem „Engli­schen System“ unter Verwen­dung engli­scher Mühlen­bau­teile errichtet. Jeder ihrer ihrer imposanten  fünf  Flügel misst 10,45 Meter. Der Antrieb der drei Mahlgänge funktio­nierte  komplett über gussei­sernes Räderwerk, was damals, so wird der Mühlenbau-Experte Rüdiger Hagen in der Stellung­nahme zitiert, ein Novum im Windmüh­lenbau in Deutsch­land war.

Weitere bislang unbekannte techni­sche Merkmale seien die Verwen­dung eines fünfflü­ge­ligen Windan­triebs mit Jalou­sie­flü­geln, einer Windrose zum automa­ti­schen Vordrehen der Kappe und der Einsatz von Getrei­de­rei­ni­gungs­ma­schinen und mecha­ni­schen Förder­ein­rich­tungen in Form von Eleva­toren und Trans­port­schne-cken gewesen, urteilte Hagen. Die techni­sche Einrich­tung mit Stein­mahl­gang, Walzen­stuhl, Sieb- und Getrei­de­rei­ni­gungs­ma­schinen ist vollständig erhalten.

Auch in den Akten der Brand­ver­si­che­rung wird die Mühle noch Jahrzehnte später als das „Englisch-Hollän­di­sche Windmüh­len­werk“ geführt, wohl nicht zuletzt aufgrund des in England beliebten Fünfflü­gel­werks, das nach zeitge­nös­si­scher Meinung für mehr Leistung als die hier üblichen Vierflü­gel­an­lagen stand. Ortshei­mat­pfleger Jung verweist in dem Zusam­men­hang darauf, dass sich mittler­weile jedoch dreiflü­ge­lige Variante, wie sie bei Windkraft­rä­dern Anwendung findet, als effizi­en­teste heraus­kris­tal­li­siert habe.

Sein Vortrag wird in Koope­ra­tion mit der AG Heimat­pfleger der Braun­schwei­gi­schen Landschaft vom Verein zur Erhaltung und Förderung der Holländer-Windmühle Wendhausen veran­staltet. Die Veran­stal­tung steht im Zusam­men­hang mit „Jazz im Park“, das 24. Juni in Wendhausen statt­findet.

Mehr Infor­ma­tionen unter: www.windmuehle-wendhausen.de

Jazz im Park: www.der-loewe.info/weltklasse-in-wendhausen

Besich­ti­gung: Die Mühle ist von April bis Oktober jeden zweiten Sonntag im Monat von 14 bis 17 geöffnet.

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