Die Nicolai­kirche: Katho­li­sches Barock in der Löwen­stadt

Ostansicht der Nicolaikirche, vor 1944. Foto: Nieders. Landesamt f. Denkmalpflege

Verschwun­dene Kostbar­keiten, Teil 4: Die weitge­hend aus Holz bestehende Nicolai­kirche wurde in der Bomben­nacht zum 15. Oktober 1944 fast völlig zerstört.

Ansicht der Nicolai­kirche, 1714, Johann Georg Beck. Foto: Stadt­ar­chiv

Die mittel­al­ter­li­chen Sakral­bauten Braun­schweigs konnten nach den Zerstö­rungen des Zweiten Weltkrieges sämtlich wieder­her­ge­stellt werden. Mit Ausnahme von St. Aegidien handelte es sich dabei ausschließ­lich um protes­tan­ti­sche Kirchen. Die Aegidi­en­kirche war Bestand­teil des damaligen Vater­län­di­schen Museums (heute Braun­schwei­gi­sches Landes­mu­seum). Am 1. September 1945 wurde die vergleichs­weise leicht beschä­digte einstige Benedik­ti­ner­kirche an die katho­li­sche Gemeinde als Ersatz für die fast vollständig kriegs­zer­störte Nicolai­kirche übergeben. Die gemau­erten Gebäu­de­teile des Gemein­de­hauses wurden erst 1968 abgetragen.

Anton Ulrich wurde katho­lisch

Nach der 1528 in Braun­schweig vollzo­genen Refor­ma­tion hatte es bis 1708 keine katho­li­sche Kirchen­ge­meinde mehr gegeben. Die wenigen ansäs­sigen Angehö­rigen der römischen Konfes­sion erhielten jedoch Auftrieb durch den Übertritt Herzog Anton Ulrichs zum Katho­li­zismus. Nachdem der Herrscher die Konver­sion 1709 vorerst heimlich begangen hatte, wieder­holte er die Zeremonie öffent­lich vor Bischof Lothar Franz von Schönborn 1710 im Bamberger Dom. Ein Beweg­grund für diesen Schritt war die Annähe­rung des Fürsten an das Kaiser­haus in Wien, welche mit der Vermäh­lung seiner Enkelin Elisabeth Christine mit dem Bruder Kaiser Josephs I. bekräf­tigt wurde. Anton Ulrich stellte jedoch sicher, dass seine Unter­tanen bei ihren angestammten Konfes­sionen bleiben konnten.

Ruine der Nicolai­kirche vor Abbruch 1968. Foto: Nieders. Landesamt f. Denkmal­pflege

Nach der Konver­sion des in künst­le­ri­schen und kultu­rellen Angele­gen­heiten stark engagierten Herzogs stiftete Anton Ulrich der katho­li­schen Gemeinde der Stadt Braun­schweig einen eigenen Kirchenbau. Als Standort kam jedoch keine städte­bau­lich wirksame Lage infrage – dies wussten der nach wie vor protes­tan­ti­sche Hof und die Bürger­schaft zu verhin­dern. Der im Jahr 1712 dem Hl. Bischof Nikolaus geweihte Kirchenbau entstand in der Nähe der alten Stadt­mauer hinter der östlichen Häuser­zeile an der ehema­ligen Friesen­straße. Den Entwurf fertigte der damalige Landbau­meister Hermann Korb. Eine vom Bamberger Bischof erwünschte Beratung durch den berühmten süddeut­schen Baumeister Johann Dient­zen­hofer (u. a. Architekt des Doms zu Fulda) lehnte der als eigen­willig geltende Korb ab.

Kirchen­schiff aus Holz

Die barocke Nicolai­kirche umfasste den eigent­li­chen Sakralbau und einen nordseitig vorge­la­gerten Trakt für Pfarrer­woh­nung und Gemein­de­schule. Letzterer trat wie ein Profanbau in Erschei­nung und bildete mit dem längli­chen Kirchen­schiff einen kompakten Grundriss. Der Kirchraum war durch das Portal des Pfarr­hauses über einen Flur zu betreten. Mit Ausnahme von Teilen des Pfarr­hauses bestand der Gebäu­de­kom­plex ursprüng­lich aus Fachwerk. Das mit einem dreisei­tigen Altarraum schlie­ßende Kirchen­schiff war von Pfeilern mit korin­thi­schen Doppel­pi­las­tern und einer Bogen­stel­lung einge­fasst, Vollsäulen markierten die Bedeutung des nach Süden gerich­teten Altar­raums. Hinter den Arkaden­wänden existierten Seiten­schiffe und darüber Emporen mit Balus­traden. Die Decke war als so genanntes Spiegel­ge­wölbe mit Stich­kappen ausge­führt.

Innen­an­sicht der Nicolai­kirche mit Blick zum Altar. Foto: Nieders. Landesamt f. Denkmal­pflege

Äußerlich wirkte St. Nicolai schlicht. Die Funktion als Sakralbau trat anhand der großen Rundbo­gen­fenster und des mächtigen Dachrei­ters in Erschei­nung. Ein Kupfer­stich von 1714 stellt die Nordan­sicht aller­dings mit einer bekrö­nenden Kuppel dar, die nicht ausge­führt wurde. Sie hätte einen Schuss römischen Barocks in die Löwen­stadt gebracht.

Innen äußerst pracht­voll

Das Innere der Kirche muss einen festlich-pracht­vollen Eindruck gemacht haben. Dazu trugen neben Stucka­turen sowie ornamen­talen Wand- und Gewöl­be­ma­le­reien besonders die Decken­ge­mälde von Tobias Querfurt bei. Sie stellten die Heilige Dreifal­tig­keit und den Kirchen­pa­tron dar. Das Altar­ge­mälde von Jakob Weynand zeigte die Kreuzi­gung Christi und wurde von mehr als lebens­großen Stand­bil­dern der Apostel Petrus und Paulus flankiert, welche von dem Bildhauer Detlef Jenner stammten (dieser Künstler schuf auch die Barock­al­täre in St. Martini und St. Magni).

Portal als letzte Erinne­rung

Der einstige, von einem barocken Portal markierte Zugang zur Kirche ist an der Friesen­straße noch heute vorhanden: Foto: Elmar Arnhold

In den Jahren 1873/74 wurden die Seiten­schiffe erweitert und 1908 der Dachreiter versetzt. Inzwi­schen waren zur Friesen­straße hin gründer­zeit­liche Schul­bauten entstanden. Der einstige, von einem barocken Portal markierte Zugang zur Kirche ist dort noch heute vorhanden. Das Portal und der 2007 entstan­dene St. Nicolai-Platz sind die letzte Erinne­rung an den verschwun­denen Sakralbau. Der Torbogen stand ursprüng­lich jedoch am östlichen Zugang zum Kirchen­grund­stück am heutigen Magni­tor­wall. Die für Braun­schweig schick­sal­hafte Bomben­nacht zum 15. Oktober 1944 brachte die fast totale Zerstö­rung des weitge­hend aus Holz bestehenden Baudenk­mals. Die gemau­erten Gebäu­de­teile des Gemein­de­hauses mit dem Portal wurden erst 1968 abgetragen. Reste davon fanden an einem weit entfernten Standort an der Gülden­straße eine denkmal­hafte Aufstel­lung. Im Rahmen eines Bauvor­ha­bens wurden sie dort 2011 wieder abgetragen und einge­la­gert.

 

 

 

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