Ein Café als Geschichtsort

Steinweg um 1900, rechts Café Lück. Repro: IBR
Steinweg um 1900, rechts Café Lück. Repro: IBR

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 19: Vom einstigen Ruf der „Stadt des Wiener Kaffe­hauses“ ist nicht viel geblieben.

Braun­schweig und die Region können auf eine lange Tradition der Kaffee­haus­kultur zurück­bli­cken. Dabei gab es über gut ein Jahrhun­dert hinweg auch zahlreiche Wiener Kaffee­häuser, die Braun­schweig einen Ruf als eine „Stadt des Wiener Kaffe­hauses“ in Deutsch­land einbrachte.

In deren Tradition standen das Café Wagner am Hagen­markt, Café Zentral im „Haus zur Rose“ am Kohlmarkt, das Café Lück am Steinweg oder das Café Okerter­rassen, um nur die wichtigsten zu erwähnen. Geblieben ist von dieser Tradition nur noch das „Theater­café“ Lück, heute Café Haertle. Heute darf man es mit Fug und Recht als einen „braun­schwei­gi­schen Geschichtsort“ ansehen. Es besteht seit mehr als 150 Jahren. Die Eröffnung fand am 14. September 1861, kurz vor der Eröffnung des neuen Theaters am Steinweg statt.

Architekt war Constantin Uhde, der zeitgleich beim Bau des Hofthea­ters beschäf­tigt war. Das histo­ri­sche Gebäude war 1961 abgerissen worden und musste einem Neubau weichen. Das Café wurde wieder­eröffnet, das ebenfalls in dem ursprüng­li­chen Gebäude unter­ge­brachte Park-Hotel nicht.

Beim Café Wagner war August Lück erster Kondi­tor­meister

Dass das Café Lück zeitgleich mit dem Herzog­li­chen Hoftheater entstand, war keines­wegs Zufall, denn von Anfang an war die Überle­gung, einen Restau­rant­be­trieb in Ergänzung zum Theater und damit zugunsten der Theater­be­schäf­tigten und Theater­be­su­chern zu schaffen. Bis zum Ende des alten Hofthea­ters am Hagen­markt hatte diese Rolle das Café Wagner am Hagen­markt gespielt. Beim Café Wagner war August Lück erster Kondi­tor­meister und konnte erfahren, in welcher Weise das Theater­pu­blikum und die Theater­leute selbst ein „Theater­café“ nutzten, und zwar sowohl tagsüber als auch nach Ende der Vorstel­lungen. So bestand von Anfang an der Gedanke, eine vergleich­bare Einrich­tung unmit­telbar beim neuen Herzog­li­chen Theater zu schaffen. Noch deutli­cher wird diese Bezug­nahme durch den Glasvorbau, der unmit­telbar Bezug nahm auf den Arkaden­vorbau des Hofthea­ters mit dem Balkon. Die Lösung mit dem Glaskasten-Vorbau war in dieser Form für einen Caféhausbau in Braun­schweig erstmalig und bot die Möglich­keit, zu allen Jahres­zeiten sozusagen im Café „im Freien“ zu sitzen, ganz nach dem Motto: Sehen und gesehen werden.

Anfang des 18. Jahrhun­derts entstanden in Braun­schweig und Wolfen­büttel die ersten Kaffee­häuser. Gegründet wurde zunächst in Braun­schweig das „Große Kaffee­haus“ durch Franz Heinrich Wegener, der ein Privileg am 22. Dezember 1714 erhielt. Es handelte sich nicht um das erste Kaffee­haus in Braun­schweig, aber sein Kaffee­haus sollte wie es zeitge­nös­sisch hieß das erste „Privi­le­gierte Kaffee­haus“ Verwen­dung fand. Wegener hatte mit seinem Unter­nehmen tatsäch­lich mehr Erfolg als sein Vorgänger. Die Geschäfte müssen floriert haben, denn im Jahre 1722 erhielt Wegener zusätz­lich das Privileg, ein Ballhaus, also ein Haus, in dem Ballspiele ausge­führt wurden, zu erbauen. Damit stand den Gästen des Kaffee­hauses nun ein Saal zur Verfügung. Seitdem traten dort Theater­gruppen auf, aber auch Gaukler oder Artisten und sonstiges „Fahrendes Volk“ gaben sich ein Stell­dichein. Kaufleute stellten ihre Waren zur Schau und größere Auktionen wurden ausge­führt. Für Abwechs­lung sorgte neben den obligaten Billards ab 1722 eine „lange Kegelbahn“, und es lag eine große Anzahl von Zeitungen aus.

„Türken­trank“ wurde bald in allen Gasthäu­sern ausge­schenkt

Wegener war aller­dings nur wenige Jahre allei­niger Anbieter von Kaffee, denn der „Türken­trank“ wurde bald in allen Gasthäu­sern ausge­schenkt. Ab 1760 gab es ein weiteres „Franzö­si­sches Kaffee­haus“ in Braun­schweig, eine Konkur­renz für das Große Kaffee­haus war es aber nicht. Ein Konkur­renz­kampf begann erst mit der 1778 erfolgten Einrich­tung des „Hotels d’Angeleterre“ durch Röttger Heinrich Röncken­dorf, das von vornherein zur Aufnahme vornehmer Standes­per­sonen gedacht war. Wegener nahm gegen den unerwünschten Konkur­renten den Kampf auf: Er baute sein Haus um und führte ein Eintritts­geld ein, um sich so die finanz­kräf­tige Kundschaft zu erhalten. Er eröffnete sein neues Haus am 1. August 1718, zu dem „so wie bisher alle Honora­tiores willkommen seyn werden, so versteht es sich von selbsten, daß er alle repur­tir­liche Mitglieder der löblichen Juden­schaft hierin mit einschließe“.

Heute gibt es wieder eine ganze Reihe von guten Cafés wie zum Beispiel das Kapai Kaffee­haus, die Apotheke, das Café Bruns, Kaffee­ze­re­monie, Kaffee­zeit, das Fräulein Wunder, Tante Emmelie oder Schäfers Ruh‘ in Braun­schweig. Der Wiener Tradition im besten Sinn kommt aber zweifellos das Café Strupait am nächsten.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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