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Ein fast vergessener Barockbaumeister

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Verschwundene Kostbarkeiten, Teil 14: Bis auf wenige Ausnahmen existieren die Bauten Georg Christoph Sturms aus dem 18. Jahrhundert nicht mehr.

Das private Bauwesen in Braunschweig stand in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Zeichen des Baumeisters Georg Christoph Sturm. Der Architekt wurde 1698 als Sohn von Christoph Leonhard Sturm in Wolfenbüttel geboren und starb 1763 in Braunschweig. Nachdem er 1750 erstmals in Braunschweig „aktenkundig“ wurde, erhielt er im drauffolgenden Jahr als ersten Auftrag die Planung des Hauses Gördelingerstraße 48. Zu Georg Christoph Sturm erschien 1978 eine Monographie von Fritz von Osterhausen.

Sein Vater Christoph Leonhard Sturm gehörte zu den bekanntesten deutschen Architekturtheoretikern seiner Zeit. Er lehrte unter anderem an der Ritterakademie zu Wolfenbüttel und verfasste eine große Zahl von Lehrbüchern zur Baukunst. Für Georg Christoph war eigentlich eine theologische Laufbahn vorgesehen. Nach seiner Schulzeit an den Franckeschen Stiftungen in Halle studierte er in der Saalestadt von 1724 an Medizin. Seine Neigungen gingen jedoch eher in die Richtung Bauwesen, womit er letztlich seinem Vater folgte.

Im Schatten der Fachwerkhäuser

Bei der Betrachtung historischer Darstellungen des alten Braunschweig fällt die absolute Dominanz des mittelalterlichen Stadtbildes ins Auge. Dies gilt auch für die Straßen und Plätze mit ihrer einst unermesslichen Fülle historischer Bürgerhäuser. Die Fachwerkhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert mit ihren Stockwerksvorkragungen und reichen Schnitzereien wurden immer wieder gemalt, gezeichnet oder abgelichtet. Dagegen standen die auf den ersten Blick schlichteren Häuser aus dem 18. Jahrhundert im Hintergrund.

Georg Christoph Sturm erlangte 1752 den Titel eines Hofbaumeisters und schuf bis zu seinem Tod Entwürfe für 72 Bürgerhäuser, hinzu kamen Projekte wie der Neubau des Altewiekkellers am Aegidienmarkt. Außerdem gingen zahlreiche Entwürfe Braunschweiger Zimmer- und Maurermeister über seinen Zeichentisch: Von 1750 an mussten auch private Bauvorhaben mit Planunterlagen bei der fürstlichen Baubehörde eingereicht werden. Auf Anweisung Herzog Karls I. erhielten Bauwillige Zuschüsse für ihre Bauvorhaben. Der Landesherr verfolgte damit die Absicht, das mittelalterliche Stadtbild zu modernisieren.

Zeichnungen als Beleg

Dabei hatte die Tätigkeit Sturms einen wesentlichen Anteil. Oftmals handelte es sich um Umbaumaßnahmen älterer Häuser – Bauen im Bestand. Wenn seine Bauten auch fast sämtlich im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden – die qualitätsvollen Zeichnungen des Baumeisters sind im Landesarchiv Wolfenbüttel vollständig erhalten. Seine Architektur brachte einen Schuss süddeutsch geprägten Barocks in die Löwenstadt.

Picken wir nun einige der Bauten Sturms heraus. Sein Erstlingswerk, das Haus Gördelingerstraße 48, gehörte zu den lediglich fünf steinernen Bürgerhäusern des Meisters. Das stattliche Haus stand nahe der Einmündung des Straßenzugs auf den Altstadtmarkt und wurde 1751 für die Witwe des Kaufmanns Hinke errichtet. Es zeigte den typischen Aufriss eines großen Barockhauses mit symmetrischer Front und elf Fensterachsen. Die Bogenöffnungen im Erdgeschoss – die sogenannten Messgewölbe – verdeutlichten: Dieses Gebäude gehörte zu den Messehäusern, in denen sich während der Braunschweiger Warenmessen auswärtige Kaufleute einmieten konnten. Die Architektur erinnerte noch sehr an die Werke des 1735 verstorbenen Landbaumeisters Hermann Korb.

Messehäuser im Fokus

Ein weiteres ehemaliges Messehaus mit Messgewölben stand An der Martinikirche 2. Es entstand als Umbau eines großen mittelalterlichen Steinhauses 1759 für den Brauer Herdtmann. Blickpunkt der eher schlichten Fassade ist das Pilasterportal mit gesprengtem Giebel. Eine Entwurfszeichnung Sturms zeigt die Front mit reicher Architekturbemalung. Die Fassade wurde als eine der wenigen nach der Kriegszerstörung in allerdings veränderten Proportionen wiederhergestellt. Auch das große Haus Bohlweg 51 diente als Messehaus. Es grenzte unmittelbar an den Autorshof (Altstadtrathaus) und wurde 1763 für den Kaufmann Wilmerding errichtet. Auch dort wurde die Bausubstanz eines wesentlich älteren Bürgerhauses einbezogen, im Hof blieb die mittelalterliche Kemenate erhalten. Das umseitig abgewalmte Mansardendach und der breite Schweifgiebel ließen das Haus wie ein spätbarockes Palais wirken. Das Grundstück blieb bis heute als Zufahrt für einen Parkplatz unbebaut.

Ebenfalls als Umbau mittelalterlicher Bausubstanz präsentierte das unweit des Hagenmarktes gelegene Haus Wendenstraße 5. Die 1762 entstandene Bauzeichnung Sturms überliefert neben seinem Fassadenentwurf auch den Vorzustand – ein ehemaliges Giebelhaus mit seitlichem Durchfahrtstrakt. Auch dort blieb die mittelalterliche Grundstruktur mit Kemenate bis 1944 erhalten. Der barocke Umbau erfolgte für den Obersten von Gernreich, wobei die Straßenfront weitaus schlichter ausfiel als der engagierte Entwurf Sturms. Die seitliche Lage der Torfahrt sollte durch Fassadengliederung ausgeglichen werden.

Eine solche Scheinsymmetrie konnte mit der beschwingt wirkenden Fassade des Hauses Bohlweg 51 realisiert werden. Auch dieses Haus entstand als Umbau 1759/60 für einen Hofbeamten, den Kammerfourier Wittmann (ein Fourier war für die Versorgung des Hofes oder einer militärischen Einheit zuständig). Die mit einer gequarderten Doppelbogenstellung im Erdgeschoss und Pilastern gegliederte Fassade gehörte zu den schönsten ihrer Art in Braunschweig. Leider wurde das nur teilbeschädigte Haus 1949 abgebrochen.

Haus am Ziegenmarkt erhalten

Von den zahlreichen Fachwerkbauten Sturm sei an dieser Stelle ein erhaltenes Beispiel dargestellt: das 1757 errichtete Haus Ziegenmarkt 2. Es zeigt nach seiner Sanierung 1978 in mustergültiger Weise die Fassadengestaltung nach dem Vorbild der zeitgenössischen Steinbauten. Sie ist in der Bauzeichnung Sturms überliefert und war ursprünglich wohl als Fassadenbemalung gedacht.

Hat man während des Wiederaufbaus Braunschweigs auch die mittelalterlichen Großbauten und wichtigsten Ensembles mit den Traditionsinseln retten können – das 18. Jahrhundert ist leider weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden.

Elmar Arnhold ist Bauhistoriker (Gebautes Erbe) und Stadtteilheimatpfleger. Auf Instagram veröffentlicht er regemäßig Beiträge zu historischen Bauten in Braunschweig.

 

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