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Ein Lesebuch mittelalterlicher Stilgeschichte

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Die herausragenden Kirchen im Braunschweiger Land, Teil 2: Der Westbau von St. Katharinen entstand in einer Zeitspanne von fast 300 Jahren.

So, wie wir die Katharinenkirche am Hagenmarkt heute kennen, sah sie lange Zeit nicht aus, denn das Bruchsteinmauerwerk, größtenteils Rogenstein, war sichtbar. Die Außenwände wurden erst in den 1990er Jahren verputzt und gestrichen. Die Farbfassung unterstreicht seither die Architekturgliederung. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass sie auch im Mittelalter verputzt war. Gefundene Farbreste unter den steinernen Gesimsen könnten daraufhin hindeuten.

Unabhängig von der Gestaltung der Außenhaut, hat die Katharinenkirche eine vor allem in jüngerer Zeit sehr bewegte Vergangenheit. Nach Kriegsschäden wurde die Kirche nach erster Notsicherung der Gewölbe zwischen 1950 und 1960 wieder aufgebaut. In der Bombennacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 waren beide Türme ausgebrannt.

Kirche in Schieflage

Die in der Bombennacht vom 14. Auf 15. Oktober 1944 beschädigte Katharinenkirche. Foto: Archiv Heimatpfleger Braunschweig

Und Ende der 1960er Jahre stellte sich heraus, dass am Südturm ein Überhang nach Osten von 85 Zentimetern und am Nordturm ein Überhang nach Ost-Nord-Ost von 75 Zentimetern eingetreten war. „Daher musste der ganze Westbau unterfangen werden. Diese Arbeiten wurden von 1974 bis 1978 unter Einsatz großer finanzieller Mittel und mit erheblichen technischen Schwierigkeiten erfolgreich ausgeführt. Von 1979 bis 1980 musste die durch diese Arbeiten stark in Mitleidenschaft gezogene Kirche erneut restauriert werden. 1987 wurde endlich auch mit der Restaurierung der Außenmauern begonnen, die nicht nur noch zahlreiche Kriegsverletzungen aufwiesen, sondern vor allem auch durch den ‚sauren Regen‘ stark gelitten hatten“, heißt es auf der Internetseite der Kirchengemeinde.

Baubeginn um 1200

Wann der Baubeginn der Katharinenkirche stattfand, ist nicht eindeutig überliefert. Er dürfte in den Jahren um 1200 gelegen haben, meint Bauhistoriker Elmar Arnhold. Mittelalterliche Chroniken berichteten zwar, Herzog Heinrich der Löwe habe bereits im Jahre 1172 den Grundstein gelegt, aber das wird stark bezweifelt. Wie auch immer ist die Katharinenkirche nach dem Dom und St. Martini die drittälteste große Stadtkirche in Braunschweig. Heinrich der Löwe hatte nicht nur den Burgbezirk zu seiner festen Residenz ausgebaut, sondern auch die neue städtische Siedlung Hagen um 1160 gegründet.

Für die Katharinenkirche gilt, wie auch für St. Martini, dass sie zunächst nach dem Vorbild des Doms angelegt wurde. „Somit entstand in Braunschweig die dritte große, über kreuzförmigen Grundriss errichtete Pfeilerbasilika mit Westbau. Auch hier waren der Hauptchor und die Querarme mit Apsiden ausgestattet. Das System der Einwölbung durch Kreuzganggewölbe mit spitzbogigem Querschnitt und die Gestaltung der Pfeilerarkaden zwischen Mittelschiff und Seitenschiffen entsprach ebenfalls den genannten Vorbildern“, schreibt Bauhistoriker Elmar Arnhold in seinem Standardwerk „Mittelalterliche Metropole Braunschweig“. Das Buch wurde unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Richard Borek Stiftung gefördert. Es bildet für die Stadtkirchen die Grundlage unserer Serie.

Langhaus mit Blick nach Osten. Foto: Elmar Arnhold

Übergang der Epochen

Der Westbau von St. Katharinen mit seinen beiden schlanken Türmen dokumentiert eine fast 300-jährige Baugeschichte. 1220 begann er, 1511 wurde er mit dem Turmhelm des nördlichen Turms vollendet. Der südliche der beiden unterschiedlich hohen achteckigen Türme erhielt 1379 seine spitze Turmhaube. Die einzelnen Stockwerke des Turmwerkes zeigen in eindrucksvoller Weise den Übergang von der Spätromanik über die Früh- zur ausgeprägten Hochgotik, während die Turmschäfte und -helme bereits in das Spätmittelalter datieren. „Damit präsentiert sich diese Fassade wie ein Lesebuch mittelalterlicher Stilgeschichte“, erläutert Elmar Arnhold.

Von der mittelalterlichen Ausstattung sind außer zwei wertvollen Abendmahlskelchen und einer Madonnenfigur aus Alabaster (um 1450, Stadt. Museum Braunschweig) keine weiteren Kunstwerke erhalten. Die zahlreichen Epitaphe (Totengedenktafeln) sind das Kennzeichnende der seit 1528 evangelischen Pfarrkirche. „Die Epitaphe sind als kunsthistorische und auch stadtgeschichtliche Kostbarkeiten zu betrachten. Dabei sticht besonders das Epitaph für Jürgen von der Schulenburg und seine Gemahlin Lucia von Veltheim heraus. Das als Fassadenarchitektur der Spätrenaissance aufgebaute Monument befand sich ursprünglich am Übergang vom Langhaus zum Chor in einer dem Standort eines Lettners vergleichbaren Position. Es wurde 1789 an die Westwand des Nordseitenschiffs versetzt“, berichtet Bauhistoriker Arnhold.

Ostansicht der Katharinenkirche mit ihren schlanken, achteckigen Türmen. Foto: Elmar Arnhold

Wer sich die Katharinenkirche einmal von Innen ansehen möchte, dem sei das Weihnachtskonzert mit selten aufgeführter, festlich barocker Weihnachtsmusik am 10. Dezember um 16 Uhr empfohlen. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Kontakt:
Pfarramt St. Katharinen
An der Katharinenkirche 4
38100 Braunschweig

Telefon: 0531 44669
E-Mail: katharinen.bs.buero@lk-bs.de
Gemeindepfarrer: werner.busch@lk-bs.de
Website: https://katharinenbraunschweig.de/

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