Ein Stück fürs Museum verschwindet

Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe und Bauhistoriker Dr. Bernd Wedemeyer bei der Einlagerung des Quadfriga-Gipsmodells. Foto: meyermedia
Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe und Bauhistoriker Dr. Bernd Wedemeyer bei der Einlagerung des Quadfriga-Gipsmodells. Foto: meyermedia

1:3‑Gipsmodell der Quadriga wurde restau­riert und bis auf weiteres in städti­schen Lager­räumen verstaut.

Das fein gearbei­tete Gipsmo­dell der neuen Quadriga auf dem Dach des Braun­schweiger Residenz­schlosses hat endlich ein vorläu­figes, sicheres Quartier gefunden. Es ist in dunklen Lager­räumen der Stadt unter­ge­kommen. Nur vorläufig, wie Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe und Bauhis­to­riker Dr. Bernd Wedemeyer hoffen. Am Rande der Einla­ge­rung äußerten beide den Wunsch, dass das detail­ge­treue 1:3‑Modell in nicht allzu ferner Zukunft der Öffent­lich­keit museal zugäng­lich gemacht wird.

„Um 1900 stand ein Gipsmo­dell der ersten Quadriga im Städti­schen Museum. Postkarten aus jener Zeit belegen das. 1972 wurde es wohl aus Platz­gründen zerstört und entsorgt. 2004 war dann das aktuelle Gipsmo­dell im Landes­mu­seum ausge­stellt“, weiß Dr. Bernd Wedemeyer, dass die Idee gar nicht weit hergeholt ist. Das Original-Gipsmo­dell von 1856/58, das der Bildhauer Ernst Rietschel schuf, war 1999 in der Dresdener Skulp­tu­ren­samm­lung Alber­tinum entdeckt worden.

Dies Modell war der Ausgangs­punkt für die Wieder­her­stel­lung der Quadriga, die der Unter­nehmer Richard Borek finan­zierte. Seit dem 23.Oktober 2008 thront Europas größte Quadriga mit der braun­schwei­gi­schen Schutz­pa­tronin Brunonia wieder auf dem Schloss.

Als sich die Möglich­keit der Rekon­struk­tion des Braun­schweiger Residenz­schlosses mit dem Einkaufs­zen­trum Schloss-Arkaden abzeich­nete, war 2003/2004 im klassi­schen bildhaue­ri­schen Verfahren eine 1:1‑Reproduktion des Dresdner Originals angefer­tigt worden. Nach dem moderne, elektro­ni­sche Verfahren der Quadriga-Rekon­struk­tion geschei­tert waren, wurde Bronze­kunst­gie­ßerei Emil Kosicki in Komorniki bei Posen beauf­tragt. Ihr diente das Gipsmo­dell seit 2006.

Die neue Quadriga ist also eine direkte Vergrö­ße­rung des ursprüng­li­chen Rietschel-Modells. Die dem Modell fehlenden Elemente, wie zum Beispiel Wagen­bänder und Zügel, entstanden nach histo­ri­schen Fotogra­fien. Die aktuelle Quadriga ist aller­dings anders als ihr Vorbild nicht aus Kupfer getrieben sondern aus Bronze gegossen. Der Vorteil ist die große Wetter­be­stän­dig­keit.

Als das Gipsmo­dell 2012 aus Komorniki nach Braun­schweig endlich zurück­kehrte, war es heftig in Mitlei­den­schaft gezogen. Das Augenmerk hatte dort in Polen selbst­ver­ständ­lich der Herstel­lung der Bronze­plastik gegolten. Mit dem Gipsmod­sell war nicht zimper­lich umgegangen worden. Der Braun­schweiger Bildhauer Kleine-Tebbe brachte es wieder auf Vorder­mann. Im Laufe der Arbeiten in der Bronze­gie­ßerei waren unter anderem Stücke des 1:3‑Modells zur besseren Repro­duk­tion der Bronze­plastik abgetrennt worden. Und es gab auch überdeut­liche Arbeits­spuren und Verschmut­zungen.

„Das Modell ist in diversen Teilen bei uns angekommen, die wieder zusam­men­ge­fügt werden mussten. An den Pferden fehlten zum Beispiel die Beine und die Schweife“, berichtet Magnus Kleine-Tebbe vom Zustand der kleinen Quadriga aus Formgips. Jetzt ist alles repariert und auf einer Fläche von 20 Quadrat­me­tern unter­ge­bracht. Auf Holzpa­letten sind die vier Pferde, der Wagen, die Brunonia, die Deichsel und die beiden Wagen­räder sicher gelagert. Zusammen wartet alles auf die Rückkehr ins museale Rampen­licht. Geschützt werden die Teile vor zu viel Staub durch eine Kunst­stoff­folie. Die Lagerung regelt der sogenannte Quadriga-Vertrag zwischen der Stadt Braun­schweig und der Richard Borek Stiftung.

Die aktuelle Quadriga ist übrigens bereits die dritte auf dem Dach des Schlosses. Die erste Quadriga vervoll­stän­digte 1863 das Schloss. Zwei Jahre später aller­dings zerstörte ein Brand zwei Drittel des Residenz­schlosses und bis auf wenige Reste auch die Quadriga. Die zweite Figuren­gruppe wurde 1868 aufge­stellt. Fast unbeschadet überstand sie zwar den zweiten Weltkrieg, aber Buntme­tall­diebe bedienten sich in der Notzeit der Kupfer­platten. Zurück blieb ein Eisen­ge­rippe, das beim Abriss der Schloss­ruine 1960 gleich mit vernichtet wurde.

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