Elly Heuss-Knapp – mit Okerwasser getauft

Elly Heuss-Knapp mit ihrem Mann Theodor Heuss, dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Archiv: IBR
Elly Heuss-Knapp mit ihrem Mann Theodor Heuss, dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Archiv: IBR

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 2: Die Frau des ersten Bundes­prä­si­denten verbrachte Jahre ihrer Kindheit bei den Großel­tern in Braun­schweig.

„Bürgerin zweier Welten“, so ist eine Biogra­phie in Briefen und Aufzeich­nungen benannt, die das Leben von Elly Heuss-Knapp, der Ehefrau des ersten Präsi­denten der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land, Theodor Heuss, beschreibt. Wohl behütete Profes­so­ren­tochter, politisch engagierte Sozial­re­for­merin, Reprä­sen­tantin des Staates und Gründerin der Mütter­ge­nesungs­werkes, dies sind nur vier Aspekte, die Elly Heuss-Knapp charak­te­ri­sierten und für ihre Genera­tion unver­gess­lich in Deutsch­land werden ließen.

Am 25. Januar 1881 wurde Elisabeth Eleonora Anna Justine Knapp in Straßburg geboren. Ihr Vater war als Professor der Natio­nal­öko­nomie an der neu gegrün­deten Kaiser-Wilhelms-Univer­sität Straßburg tätig, ihre Mutter Lydia, geborene von Karganow, stammte aus dem Kaukasus. Gerade in ihrer Kindheit besaß Elly Knapp auch enge Bezie­hungen zu Braun­schweig, an das sie in ihren späteren autobio­gra­phi­schen Erinne­rungen stets gerne zurück­dachte. In der Stadt Heinrichs des Löwen war ihr Großvater Friedrich Ludwig Knapp (1814 – 1904) seit 1863 als Professor für techni­sche Chemie an der Techni­schen Hochschule tätig. Friedrich Ludwig Knapp, Schüler von Justus von Liebig (1803 – 1873) und mit dessen Schwester Elise verhei­ratet, war zuvor Professor für Chemie und Leiter der König­li­chen Porzel­lan­ma­nu­faktur Nymphen­burg in München. 1863 hatte er den Ruf auf den ersten Lehrstuhl für techni­sche Chemie in Braun­schweig angenommen.

Elly Knapp verehrte ihren Großvater sehr und entspre­chend eng waren die Bindungen nach Braun­schweig. Wegen einer schweren Erkran­kung der Mutter gleich nach der Geburt von Elly kam das Kleinkind bereits im Mai 1881 für fast zwei Jahre zu den Großel­tern nach Braun­schweig. Hier im Braun­schweiger Dom fand 1881 auch die Taufe von Elly Knapp statt. Gleich gegenüber, im Hause des Verlegers Vieweg, in dessen Verlag auch die meisten der Werke von Liebig und Knapp erschienen sind, wohnte der geliebte Großvater. Elly Heuss-Knapp erinnerte sich in ihren späteren Aufzeich­nungen „Ausblick vom Münster­turm“ an die Braun­schweiger Zeit:

„Häufig besuchte ich den Großvater – er wurde 91 Jahre alt – in Braun­schweig. Das Vieweg­sche Haus, in dem er wohnte, war ein herrli­cher klassi­zis­ti­scher Bau, gegenüber dem Dom. Die Seiten­straßen der Klinter zeigen uralte Fachwerk­häuser kunst­ge­schicht­li­cher Berühmt­heiten. Aber hier wohnte das Prole­ta­riat in luftloser Enge, und hier sah ich in einer sozial­de­mo­kra­ti­schen Buchhand­lung die ersten Agita­ti­ons­bro­schüren. Eine davon hieß ‘Die Kirche im Dienst des Unter­neh­mer­tums‘. Nach langem Zögern kaufte ich sie. Der Eindruck war so nieder­schmet­ternd, dass ich jedes Mal, wenn die Domglocke zu Mittag vier schwere Schläge tat […] an die Versöh­nung des Prole­ta­riats mit der Kirche mich mahnen ließ. Das eröffnete ein neues Verständnis für Naumanns Gedanken, für die auch mein Großvater gewonnen wurde.“

Es war dies ein Werk aus dem Verlag und der Buchhand­lung von Wilhelm Bracke (1842 – 1880), das Elly Knapp mit Gedanken jener Sozial­re­formen vertraut werden ließ, für die sie sich später selbst als junge Frau und bekannte Rednerin im Kreise von Friedrich Naumann und Theodor Heuss einen Namen machte. Als der Großvater 1904 in Braun­schweig verstarb, verlor Elly Knapp, die 1908 den politi­schen Journa­listen Theodor Heuss heiratete und zunächst in Berlin lebte, den unmit­tel­baren Kontakt zu Braun­schweig. In ihrer Erinne­rung aber blieb die Stadt, in der sie weitge­hend ihre Kindheit verbracht hatte, stets lebendig und vor allem das pracht­volle Vieweg­haus, in dem der Großvater über 40 Jahre bis zu seinem Tod am 8. Juni 1904 gewohnt hatte. Elly Heuss-Knapp zählt so zu denje­nigen Promi­nenten in Deutsch­land, die persön­lich eine enge Bindung zu Braun­schweig besessen hatten, ohne dass dies in der Chronik unserer Stadt besonders zur Kenntnis genommen wird.

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