Ende des 18. Jahrhun­derts arbei­teten 100 Personen für Stobwasser

Landschaften waren ein häufig verwendetes Motiv von Stobwasser. Foto: Richard Borek Stiftung

Serie über den berühmten Braun­schweiger Kunst­hand­werker, Folge 3: Monopol­ge­wäh­rung für Lackwaren.

Nach dem Ende des Sieben­jäh­rigen Krieges vor 260 Jahren, 1763, siedelte die Familie Stobwasser aus dem vogtlän­di­schen Loben­stein nach Braun­schweig über. Das Unter­nehmen war dort in wirtschaft­liche Schwie­rig­keiten geraten und hoffte, dank der großzü­gigen Privi­le­gien Herzog Carl I. von Braun­schweig-Wolfen­büttel (reg. 1735–1780) und der Wirtschafts­kraft der Handels- und Residenz­stadt hier wirtschaft­lich erfolg­rei­cher tätig sein zu können als in der Heimat.

Wenn auch Johann Heinrich Stobwasser (Loben­stein 1740 – 1829 Braun­schweig) bereits 1757 mit nur 17 Jahren einen besonders dauer­haften und wider­stands­fä­higen Lack entwi­ckelt hatte, der den Ruhm der Manufaktur Stobwasser begründen sollte, war es sein Vater Georg Siegmund (1686 – 1776 Braun­schweig), der die Verhand­lungen zur Übersied­lung nach Braun­schweig führte und das Unter­nehmen leitete. Als Klein­wa­ren­händler war Georg Siegmund in wirtschaft­li­chen Dingen erfahren, während der Sohn für alle Aspekte der Produk­tion zuständig war.

Deutliche Unter­schiede

Erst nach dem Tod des Vaters übernahm Johann Heinrich auch die Geschäfts­füh­rung der stetig wachsenden Manufaktur. Diese unter­schied sich deutlich von klassi­schen, zunft­ge­bun­denen Handwerks­be­trieben, in denen ein Meister mit wenigen Gesellen und Lehrlingen arbeitete. Als frühin­dus­tri­elle Firma beschäf­tigte Stobwasser nicht nur vergleichs­weise viele Lackierer – 1772 waren es 14 –, sondern auch Handwerker anderer Gewerke wie Maler, Tischler oder Dreher. Dieses Privileg hatte Johann Heinrich Stobwasser 1769 verliehen bekommen.

Zusammen mit der Befreiung von Abgaben, der Monopol­ge­wäh­rung auf die von der Manufaktur produ­zierten Lackwaren und der Mietfrei­heit auf das vom Herzog zur Verfügung gestellte Wohn- und Fabri­ka­ti­ons­haus in der Echtern­straße bildete es die Grundlage für den wirtschaft­li­chen Erfolg der Familie Stobwasser. Am Ende des 18. Jahrhun­derts arbeiten annähernd 100 Personen für die Manufaktur.

Berufs- und Arbeits­ethos

Der Erfolg ist zudem auf den Berufs- und Arbeits­ethos der Herrn­huter Brüder­ge­meine zurück­zu­führen, deren Mitglied die Familie Stobwasser war. Diese pietis­ti­sche evange­li­sche Gemein­schaft vertrat hohe morali­sche Ansprüche. Zu diesen zählte neben der bestmög­li­chen Ausbil­dung der Kinder auch die Forderung, nur hochwer­tige Produkte zu fertigen und diese zu einem angemes­senen, nicht überteu­erten Preis zu verkaufen. Nicht Gewinn­ma­xi­mie­rung sollte im Zentrum des Wirtschaf­tens stehen, sondern das Lob Gottes, dem die Gnade des Erfolgs zu verdanken sei.

Fernab von den Zentren der Gemein­schaft in Thüringen, Sachsen oder Neuwied, trafen sich durch­rei­sende Herrn­huter und die wenigen in der Region lebenden Gemein­de­mit­glieder im Haus der Familie Stobwasser. Eheschlie­ßungen festigten die Bande innerhalb der Gemein­schaft und generierten Know-how und Kapital. So heiratete Johann Heinrich Stobwasser 1774 Elisabeth Gersting (1745 – 1809), die Tochter des Hanno­ver­schen Hoftisch­lers, mit der er acht Kinder bekam, und nach deren Tod Katharina Scheuren (1749 – 1825), die Witwe David Roentgens, des bedeu­tendsten deutschen Ebenisten seiner Zeit. Zuvor hatte sich bereits seine Tochter Henriette (1778 – 1841) mit dem Theologen und Lehrer Philipp Jacob Roentgen (1777 – 1855) vermählt, einem Sohn von Katharina und David Roentgen.

Ungewöhn­liche Förderung

Die Familie Stobwasser legte großen Wert auf eine gute Ausbil­dung – auch der Töchter. Diese für die Zeit ungewöhn­liche Förderung zahlte sich aus: Als Johann Heinrich Stobwasser 1769 für längere Zeit von Braun­schweig abwesend war, vertrat ihn seine Schwester Louise Dorothea (1745 – 1820) erfolg­reich in der Geschäfts­füh­rung. 1772 eröffnete sie mit ihrem Mann, dem aus Frank­reich stammenden Jean Guérin (gest. 1797), der sich als talen­tierter Mitar­beiter des Unter­neh­mens hervor­getan hatte, ein Filial­un­ter­nehmen in Berlin.

Nach dem Tod seiner ersten Frau zog sich Johann Heinrich Stobwasser aus der Geschäfts­füh­rung des erfolg­rei­chen Unter­neh­mens zurück, um sich verstärkt seinen religiösen Neigungen widmen zu können. An seine Stelle trat sein Sohn Christian Heinrich (1780 – 1848).

Der schnelle und nachhal­tige Erfolg der Manufaktur Stobwasser beruhte auf den Privi­le­gien des Herzogs, auf den Prinzi­pien der Herrn­huter Brüder­ge­meine und auf familiären Verbin­dungen, aber in erster Linie auf der hohen Qualität der Produkte und auf der Fähigkeit, schnell auf Verän­de­rungen des Marktes zu reagieren. Lukrative Aufträge des Braun­schweiger Militärs – Stobwasser lieferte lackierte Patro­nen­ta­schen, Flinten­riemen und Gewehr­schäfte – und von Mitglie­dern der herzog­li­chen Familie förderten die Bekannt­heit des Unter­neh­mens über die Stadt- und Landes­grenzen hinaus. Schnell wurde die Produkt­pa­lette erweitert: Möbel wurden ebenso herge­stellt wie Hausrats‑, Galan­terie- und Luxus­waren aller Art, vor allem aus Papier­maché und Weißblech, wie Zierteller, Übertöpfe, Spiegel­rahmen, Schatullen, Kaffee­bretter und Konsolen.

Eigene Maler­schule

Waren zunächst Pfeifen­köpfe das in hoher Stückzahl gefer­tigte Haupt­pro­dukt, wovon die berühmte, als Werbe­me­dium gedachte Riesen­pfeife im Städti­schen Museum Braun­schweig kündet, traten bald schon Tabaks­dosen an deren Stelle. Die zumeist runden und schwarz lackierten Behält­nisse wiesen auf dem Deckel eine kunst­volle Malerei auf – Landschaften, Genre­szenen, Kopien bedeu­tender Gemälde, Bildnisse berühmter Menschen und vieles mehr –, die den Geschmack des Besitzers spiegelte und zur gepflegten Konver­sa­tion animierte. Um den Bedarf an quali­tät­vollen Malereien decken zu können, begrün­dete Johann Heinrich Stobwasser eine eigene Maler­schule, in der zeitweise Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723 – 1803) unter­rich­tete und in der viele der bekannten Braun­schweiger Maler des 19. Jahrhun­derts ihr Handwerk erlernten.

Dr. Andreas Büttner ist Kurator für Angewandte Kunst am Städti­schen Museum Braun­schweig

Zu Folge 1 und 2 der Serie geht es hier.

 

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